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Subunternehmer
Festpreise für Subunternehmer auf der Kippe
Der Bundesgerichtshof hat mit einer aktuellen Entscheidung die Rechte von Nachunternehmern erheblich gestärkt. Nachforderungen können nun auch ohne schriftlichen Zusatzauftrag geltend gemacht werden - selbst wenn der Pauschalvertrag das eigentlich ausschließt.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einer aktuellen Entscheidung die Rechte von Nachunternehmern
erheblich gestärkt. Danach dürfen Pauschalverträge am Bau Nachforderungen von Subunternehmern nicht
alleine deshalb ausschließen, weil kein schriftlicher Zusatz- oder Nachtragsauftrag mit dem
Auftraggeber vorgelegt werden kann (Az. VII ZR 53/03). Rechtsanwalt Dr. Klaus Kemen zeigt, wie
Nachunternehmer von diesem Urteil profitieren und ihre Rechte stärken können.
Auftraggeber wollten Nachforderungen ausschließen
Gegenstand des konkreten Rechtsstreits vor dem siebten Zivilsenat des BGH waren Nachforderungen in
Höhe von rund einer Million Euro, die vom Auftraggeber nicht schriftlich beauftragt worden waren. In
dem Bauvertrag war ein Pauschalfestpreis vereinbart worden, der alle Lieferungen und Leistungen, die
in den Vertragsunterlagen im Einzelnen nicht aufgeführt, jedoch zum vollständigen, ordnungsgemäßen
Leistungsumfang erforderlich sind, einschließen sollte. Nachforderungen sollten in jedem Fall
ausgeschlossen sein, es sei denn, es sind ausdrückliche schriftliche Zusatz- und Nachtragsaufträge
des Auftraggebers erteilt. Im Falle von Mehrleistungen war der Auftragnehmer nach dem Vertrag
verpflichtet, unaufgefordert ein Nachtragsangebot beim Auftraggeber einzureichen. Ein Anspruch auf
Vergütung sollte nur dann bestehen, wenn der Auftraggeber dieses Nachtragsangebot angenommen und
schriftlich bestätigt hat"
Gericht: Unangemessene Benachteiligung
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes benachteiligt eine solche Regelung den Auftragnehmer
unangemessen. Sie sei daher nach Paragraf 9 AGB-Gesetz - seit dem 01.01.2002 jetzt Paragraf 307 BGB
(Bürgerliches Gesetzbuch) - unwirksam ist. (siehe Kasten). Die Klausel sei deshalb unwirksam, weil sie
sämtliche möglichen Ansprüche des Auftragnehmers - gleich auf welcher Rechtsgrundlage - ausschließe.
Nach Ansicht des BGH war die Klausel nicht nur auf die vertraglichen Ansprüche bezogen, sondern auch
auf weitergehende Ansprüche aus Paragraf 2 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B (Vergütung für Leistungen, die der
Auftraggeber nachträglich anerkannt hat) sowie für sonstige gesetzliche Ansprüche nach dem BGB (aus
Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus der sogenannten ungerechtfertigten Bereicherung).
Eine unangemessene Benachteiligung sei auch deshalb gegeben, weil der Auftragnehmer mit
Nachforderungen für alle zusätzlichen und geänderten Leistungen insgesamt ausgeschlossen worden sei.
Gesetzliche Ansprüche kommen zugunsten des Auftragnehmers vor allem dann in Betracht, wenn der
Auftragnehmer für das Bauvorhaben notwendige und vom Auftragnehmer gewollte und später genutzte
Leistungen erbracht hat, und zwar auch dann, wenn diese nicht wirksam beauftragt worden sind. Das
heißt, wenn letztendlich ursprünglich nicht vereinbarte, aber notwendige Leistungen, die der
Auftraggeber später auch tatsächlich verwendet, erbracht werden, muss hierfür auch bezahlt werden.
Das Interesse des Auftraggebers an Kostenklarheit und Kostensicherheit könne nicht dafür herhalten,
dass der Auftraggeber solche Leistungen quasi umsonst bekomme. Gerade weil Leistungsänderungen in der
Regel auf Sonderwünsche des Auftraggebers, auf eine geänderte Baugenehmigung, auf eine unzureichende
Ausschreibung und Beauftragung oder auf geänderte Wünsche des Nutzers zurückzuführen seien, sei
hierfür in der Regel der Auftraggeber verantwortlich.
[begin split su=Als Nachunternehmer auf der sicheren Seite -- gt;
Festzustellen ist , dass der Auftragnehmer grundsätzlich auch dann einen Anspruch auf Nachforderungen
haben kann, wenn diese nicht schriftlich beauftragt wurden. Das gilt auch dann, wenn der Vertrag
ausdrücklich einen schriftlichen Auftrag verlangt. Zu beachten ist, dass damit der Auftragnehmer noch
nicht sein Geld bekommt. Er muss erst darlegen und beweisen, welche Leistungen er im Einzelnen
zusätzlich erbracht hat und welcher Preis hierfür zu zahlen ist.
Schriftliches Angebot erleichert Beweislage
Wenn es an einem schriftlichen Auftrag fehlt, muss ein mündlicher Auftrag nachgewiesen werden. Dann
muss der Auftragnehmer aber mindestens schriftliche Angebote mit Angebotspreisen vorlegen können,
damit er nachweisen kann, dass ein Vertreter des Bauherrn diese Leistung später auch mündlich
beauftragt hat. Es ist daher dringend anzuraten, rechtzeitig schriftliche Nachtragsangebote vor
Ausführung der zusätzlichen Leistung einem Bauherrenvertreter zu übermitteln, damit später
nachgewiesen werden kann, welche Leistungen zu welchem Preis angeboten wurden.
Sodann sollte der Auftragnehmer im Falle eines mündlichen Auftrags zumindest in einem Vermerk
festhalten, wer auf der Baustelle wann wem gegenüber die angebotenen Zusatzleistungen beauftragt
beziehungsweise deren Ausführung angeordnet hat. Im Idealfall könnte der Auftragnehmer auch nach
mündlicher Beauftragung gegenüber dem Bauherrn diesen mündlichen Auftrag mit den wesentlichen Inhalten
kurz schriftlich bestätigen. Er bringt dann den Bauherrn in Zugzwang, so dass dieser zumindest der
Beauftragung widersprechen oder ein anderes Angebot unterbreiten wird.
Es bleibt abzuwarten, wie die großen Auftraggeber ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen jetzt anpassen
werden. Wahrscheinlich werden sie weiterhin entsprechende Klauseln verwenden und diese darauf
beschränken, dass bei fehlender schriftlicher Beauftragung nur die vertraglichen Ansprüche
ausgeschlossen sein sollen. Ob eine solche Klausel dann Bestand haben wird, wird noch vor Gericht zu
klären sein.
[begin split su=Entscheidend: AGB oder individueller Vertrag? -- gt;
Wesentlich für das BGH-Urteil zu Gunsten des Nachunternehmers war die Frage, ob der
Pauschalpreisvertrag gegen das Regelung des Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz)
verstößt. Damit war zuerst zu klären, ob der Vetrag unter das AGB-Recht fällt
Formelhafte Klauseln
Das erstinstanzliche Gericht und das Berufungsgericht waren beide der Ansicht, dass Forderungen des
Auftragnehmers allein deshalb ausgeschlossen seien, weil diese nicht schriftlich beauftragt worden
waren. Die verwendeten Klauseln verstießen nach Ansicht dieser beiden Gerichte nicht gegen das
AGB-Gesetz. Beide Gerichte hatten zudem Zweifel, ob überhaupt das AGB-Gesetz anzuwenden sei, da nicht
klar war, ob es sich überhaupt um Allgemeine Geschäftsbedingungen gehandelt habe.
Nach Ansicht des BGH war jedoch das AGB-Gesetz anzuwenden: Eine Allgemeine Geschäftsbedingung liegt
schon dann vor, wenn eine Partei Klauseln zum Inhalt des Vertrages macht, die mehrfach, also
mindestens zweimal, verwendet werden sollen. Der BGH war der Ansicht, dass allein aufgrund der äußeren
Gestaltung des Bauvertrages, der eine Vielzahl von formelhaften Wendungen zur Regelung typisch
konfliktgefährdeter Sachverhalte enthielt, schon ausreicht, um die Vermutung zu begründen, dass es
sich um eine Mehrfachverwendung handelte.
Leicht zu beweisen
Dem Auftragnehmer dürfte es in der Regel leicht fallen, nachzuweisen, dass eine Allgemeine
Geschäftsbedingung seitens des Auftraggebers verwendet wurde. Häufig werden nämlich in entsprechenden
Vertragsformularen nur an eigens dafür offengehaltenen Stellen handschriftliche Eintragungen
vorgenommen oder Alternativen angekreuzt. Dies begründet die Vermutung dafür, dass die sonstigen
Bestimmungen gerade nicht individuell vereinbart wurden. Im Streitfalle muss nämlich der Auftraggeber
jeweils für die einzelne Klausel nachweisen, dass man darüber verhandelt hat und er auch bereit
gewesen ist, die entsprechende Klausel anders zu fassen. Ein derartiges individuelles Aushandeln der
einzelnen Klauseln kommt aber in der Praxis nahezu nie vor. (kk)
[begin split su=Hintergrund: Festpreise sind Alltag -- gt;
Marktmächtige Bauherren, Generalunternehmer und Hauptauftragnehmer einzelner Gewerke versuchen in der
Regel bei Abschluss der Nach- bzw. Subunternehmerverträge, ihre eigenen Klauselwerke, Formblätter
und/oder allgemeine Vertragsbedingungen zu verwenden und sind in der Regel auch in der Lage, diese
ohne große Diskussion durchzusetzen. Häufig wird mit dem Auftragnehmer nur über den genauen Umfang der
zu beauftragenden Leistungen, die Preise und die Termine im Einzelnen verhandelt.
Wenn der Auftragnehmer einzelne Klauseln des Vertragswerkes des zukünftigen Auftraggebers in Frage
stellt, wird er in der Regel mit der Bemerkung zurückgewiesen, dass es sich um die üblicherweise
verwendeten Regelungen handelt und man davon keine Ausnahme machen könne, oder es wird klar und
deutlich gesagt, dass man den Auftrag nur erteilen werde, wenn auch das vorgelegte Klauselwerk
akzeptiert wird.
Auftraggeber verlagert sein Risiko auf den Subunternehmer
Da bei größeren Bauvorhaben in der Regel Pauschalpreisverträge abgeschlossen werden, ist der
Auftraggeber sehr darauf bedacht, sich möglichst umfangreich gegen Nachforderungen seines
Auftragnehmers abzusichern. Mit einer Vielzahl von Einzelbestimmungen im Vertragswerk wird versucht,
das Risiko von Nachforderungen möglichst weitgehend auszuschließen. So muss der Auftragnehmer
beispielsweise oft bestätigen, dass er sich umfassend und eingehend mit sämtlichen Gegebenheiten des
Bauvorhabens und den Planungsunterlagen vertraut gemacht, sämtliche Vertragsbestandteile
eigenverantwortlich geprüft hat und sämtliche für den Leistungserfolg notwendigen Nebenleistungen ohne
gesonderte Vergütung mit erbringt.
Häufig muss er zusätzlich bestätigen, dass die von ihm angebotenen Preise alles enthalten, was zur
vollständigen, funktionalen, qualitäts- und termingerechten Ausführung aller Leistungen notwendig ist.
Um die Sache dann für den Auftraggeber wasserdicht zu machen, wird ein sogenannter Pauschalfestpreis
vereinbart, bei dem grundsätzlich Nachforderungen ausgeschlossen sind.
Subunternehmern droht Insolvenz
Jedes etwas komplexere Bauvorhaben führt aber in der Regel dazu, dass Leistungen während der
Bauausführung geändert oder zusätzliche Leistungen notwendig werden, die ursprünglich nicht eingeplant
waren oder aber der Bauherr ist mit den ausgeführten Leistungen nicht zufrieden und verlangt eine
andere Qualität. Sehr schnell kommt es dann zum Streit, ob der Nachunternehmer diese Leistungen auch
noch zu dem vereinbarten Preis erbringen muss, was dann für den Nachunternehmer sehr schnell zu einem
völligen Verlust des von ihm einkalkulierten Gewinns führen kann.
Häufig sieht sich der Nachunternehmer bei der Anmeldung von Nachträgen einem Nachtragsmanagement des
Auftraggebers ausgesetzt, das unter Zuhilfenahme seiner Rechtsabteilung oder externer Anwälte die
Nachträge unter Androhung der Kündigung des gesamten Vertrages und von weitergehenden
Schadensersatzansprüchen zurückweist. Wenn sich der Nachunternehmer dann auf derartige Mehrleistungen
einlässt, ohne diese gesondert vergütet zu bekommen, endet dies nicht selten sogar in der Insolvenz
des Nachunternehmers.
Autor: Dr. Klaus Kemen
Der Autor ist Rechtsanwalt der
Kanzlei Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft in Berlin.