Würden Sie einem Auftraggeber vor Vertragsabschluss Ihre Jahresabschlüsse, Kalkulation, Angebote und Verträge mit anderen Kunden offenlegen? Das klingt absurd, könnte Ihnen bei öffentlichen Aufträgen von Kommunen jedoch passieren: Denn Gemeinden dürfen an Betriebsprüfungen der Finanzämter teilnehmen, wenn der Betrieb in der Kommune ansässig ist und es um Gewerbe- oder Grundsteuer geht. So sieht es Paragraf 21 des Finanzverwaltungsgesetzes vor – und Auftragnehmer der Gemeinden schließt das Gesetz von kommunalen Kontrollen nicht aus.
Gegen diese Praxis hat nun ein Unternehmen geklagt, aus Sorge um das Steuergeheimnis.
Interessenkonflikt: Weitergabe von Daten an den Bürgermeister?
Der Fall: Das Finanzamt meldet sich bei einer GmbH zur Außenprüfung an. Etwas später informiert der Fiskus das Unternehmen, dass auch ein Mitarbeiter der Stadt an der Prüfung teilnehmen werde. Die GmbH wehrt sich dagegen, denn sie ist Auftragnehmer der Stadt wie auch der städtischen Tochtergesellschaften.
Bei einer Außenprüfung, so die Bedenken, könnten Geschäfte mit der Stadt und deren Kalkulationsunterlagen überprüft werden. Es drohe ein Interessenkonflikt zwischen Steuergeheimnis und Arbeitnehmerpflichten. Denn der Gemeindemitarbeiter sei seinen Dienstherren auskunftspflichtig, dem Bürgermeister und dem Kämmerer der Stadt. Der Bürgermeister sitze im Beirat der Tochtergesellschaften, der Kämmerer habe die Aufsicht über die städtischen Beteiligungen. Die GmbH fürchte eine Weitergabe einzelner Verträge und Kalkulationen. Daher sei die Teilnahme des Mitarbeiters an der Betriebsprüfung unzulässig.
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Urteil: Finanzamt muss Einblicke verhindern oder begründen
Das Urteil: Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in diesem Fall gegen das Unternehmen entschieden: Ein Gemeindeprüfer darf an einer Außenprüfung teilnehmen, auch wenn es sich bei dem Unternehmen um einen Auftragnehmer der Kommune handelt.
Allerdings dürfe die Gemeinde nicht uneingeschränkt Einblick in alle Unterlagen erhalten:
- Eine Offenlegung komme nur für die Gewerbe- und Grundsteuer betreffende Informationen infrage.
- Der Außenprüfer muss laut BFH das berechtigte Interesse des Unternehmens an Nichtoffenlegung schützen und während der Außenprüfung entscheiden, welche Informationen er an den Gemeindeprüfer weitergibt.
- Zu diesem Zweck muss das Unternehmen dem Außenprüfer die Vertragsbeziehungen zur Gemeinde erläutern und konkrete Unterlagen und Daten benennen, die von der Offenlegung gegenüber dem Gemeindeprüfer ausgenommen werden sollen.
- Entscheidet sich das Finanzamt dennoch für eine Offenlegung, dann muss es diese Entscheidung in einem Verwaltungsakt begründen. Dagegen kann sich das Unternehmen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes wehren. (Urteil vom 20. Oktober 2022, Az. III R 25/21)
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