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Kampf um die Kasse

Fiskus nimmt Registrierkassen ins Visier

Die Finanzämter wollen mehr Kontrolle über das Bargeld. Es geht um Registrierkassen und Milliarden Steuereinnahmen. Viele Betriebe stehen vor hohen Investitionen. Wie sollen sie sich verhalten?

Es geht um massenhaften Betrug mit elektronischen Registrierkassen. Und es geht um viel Geld: „Dem Staat entgehen dadurch Jahr für Jahr schätzungsweise bis zu zehn Milliarden Euro“, sagt Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans.

Die Trickserei an der Kasse scheint einfach: Eine Reihe von Softwareherstellern bietet Systeme an, „in denen die Möglichkeit zur Steuerhinterziehung bereits programmiert ist“, sagt der Minister. Diese Kassen ermöglichten es, Einnahmen „auf Knopfdruck“ aus den Aufzeichnungen zu entfernen. Betriebsprüfer hätten zunehmend Probleme, solche Eingriffe zu erkennen.

Dem Betrug hat Walter-Borjans den Kampf angesagt: Er fordert die gesetzliche Einführung einer Software, die solche Manipulationen aufdeckt. Er favorisiert eine Chipkarte mit digitaler Signatur. Eine Art Smartcard. Sie wird in die Kasse eingestöpselt und zeichnet alle Aktivitäten manipulationssicher auf.

Die Technik dafür gibt es schon. Das System heißt Insika (insika.de) und wurde von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt entwickelt. Aber: „Inwieweit diese Vorschläge in einem weiteren Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt werden, ist derzeit nicht abschätzbar“, berichtet die Oberfinanzdirektion (OFD) Niedersachsen.

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vernachlässigen

Was jetzt schon für die Kassenführung gilt – und viele vernachlässigen

Dabei ist das Problem nicht neu. Schon 2003 warnte der Bundesrechnungshof vor der steigenden Zahl digitaler Kassen, in denen sich Daten spurenlos verändern lassen.

Also regelt das Bundesfinanzministerium seit 2010 die Aufbewahrung digitaler Unterlagen bei Bargeschäften neu: Alle steuerrelevanten Kassendaten sollen seitdem jederzeit digital verfügbar, lesbar und maschinell auswertbar sein – und natürlich manipulationssicher sein. Aufbewahren sollen die Betriebe diese Daten direkt in der Kasse, notfalls per Speichererweiterung. Aufbewahrungsfrist: 10 Jahre.

Elektronische Kassen, die diese Anforderungen nicht erfüllen, müssen nachgerüstet werden. Kassen, bei denen das technisch nicht möglich ist, dürfen noch bis Ende 2016 genutzt werden. Kürzer ist die Liste der aufzubewahrenden Daten und Unterlagen dabei nicht.

In der Praxis funktioniert das allerdings nicht wie gewünscht. Also schieben die Oberfinanzdirektionen Mitte 2012 ein Informationsschreiben für Unternehmen nach, das über „häufige Fehlerquellen in der Kassenbuchführung“ informiert. Ein Merkblatt, was alles wie zu speichern und aufzubewahren ist. Und das sind laut OFD nicht nur die Kassendaten, sondern auch Handbücher und Programmieranleitungen – weil mit deren Hilfe Manipulationen leichter nachvollziehbar sind.

Und dann folgt noch ein warnender Hinweis: Bei Verstößen drohen die OFD damit, die Umsätze zu schätzen. Das kann teuer werden.

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Die Qual der Wahl: Hohe Investitionen – oder zurück zur offenen Kasse?

Teuer sind allerdings auch neue elektronische Kassen. Auf 3.000 bis 4.000 Euro pro Kasse schätzt Steuerberater Carsten Klingebiel von der Steuerberatung Gehrke Econ in Hannover den Preis. Plus Schulungskosten für die Mitarbeiter. Das ist viel Geld für einen kleinen Betrieb, für einen großen aber auch. „Wir betreuen unter anderem eine große Bäckerei mit über 50 Filialen, bei der die Umstellung 200.000 bis 250.000 Euro kosten würde“, berichtet Klingebiel. „Das kann schon existenzgefährdend sein.“

Eine Art Ausweg bleibt den Betrieben allerdings noch: die „offene Ladenkasse“, komplett ohne Elektronik, denn dies ist weiterhin erlaubt, auch über 2016 hinaus. Erlaubt, aber kaum im Sinn der Finanzämter, da eine systematische Überprüfung der Eintragungen im Kassenbuch nicht möglich ist. Im Gegenteil: „Die Finanzverwaltung will digital prüfen, was steuerrelevant ist. Und Kassendaten sind steuerrelevant. Sie hat die gängigen elektronischen Kassensysteme angeschafft und schult ihre Prüfer entsprechend, auch in der Programmierung der Kassen“, berichtet Klingebiel. Zudem haben offene Kassen auch für Betriebe Nachteile: Die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten sind ebenfalls erheblich und eben von Hand zu erledigen.

Mal ganz praktisch gefragt: Wie sollen sich Betriebe verhalten?

Wie sollen sich die Betriebe jetzt verhalten?

Eine schwierige Lage für die Betriebe: Einerseits drängt die Finanzverwaltung auf den Einsatz moderner elektronischer Kassen, um Steuerhinterziehung leichter erkennen zu können. Andererseits stehen gerade diese Systeme unter Manipulationsverdacht.

Daher hat die Anschaffung neuer Kassen in der augenblicklichen Situation für Klingebiel noch keine Priorität. „Entscheidend ist, dass die Kasse stimmt. Das heißt, sie muss formal und sachlich richtig sein. Darum sollten sich die Betriebe kümmern und das auch dokumentieren.“

Alles andere sei zunächst noch zweitrangig: „Dass jemand seine Kasse nicht aufgerüstet hat, oder die Bedienungsanleitung nicht mehr vorhanden ist, oder andere formale Mängel vorliegen, bedeutet nicht automatisch, dass der Betriebsprüfer die Umsätze schätzen darf“, sagt Klingebiel. „Das darf sich für den Unternehmer nicht nachteilig auswirken, wenn ansonsten die Kasse selbst ordnungsgemäß geführt wurde.“

Unterschätzen sollten Unternehmer die Aufbewahrung der Handbücher, der Programmierungsprotokolle oder der Bedienungsanleitungen allerdings nicht. „Wenn so etwas fehlt, wird ein Betriebsprüfer das als ein Indiz werten und die Kassendaten noch sehr viel genauer prüfen. Umso wichtiger ist es dann, dass die Kasse nachweislich stimmt.“

Doch es gibt auch betriebswirtschaftliche Gründe, die für eine neue elektronische Kasse sprechen. „Kassensysteme können eine erhebliche Rolle in der Unternehmensführung spielen, zum Beispiel für die Kontrolle in der Warenwirtschaft, für die Filialsteuerung und für die Nachkalkulation“, weiß Klingebiel. In solchen Fällen sollten Betriebe die Finger von Systemen lassen, die für ihre Manipulierbarkeit bekannt sind.

Sein Rat: Vor der Anschaffung sollten sich Unternehmer beim zuständigen Finanzamt erkundigen, ob es bei dem gewünschten System vielleicht Bedenken gibt. So könnten sie zumindest dokumentieren, dass sie die ordnungsgemäße Kassenbuchführung ernst nehmen.


Weitere Infos zum Thema "Betriebsprüfung"

(jw)

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