"Mächtig überrascht" habe ihn das Ergebnis, räumt Frans van de Veer ein. Erstaunt musste der Vorstandsvorsitzende
des Finanzdienstleisters Delta Lloyd zur Kenntnis nehmen, dass die meisten Kundinnen in Versicherungsfragen am
liebsten von einem Mann beraten werden wollen - weil diese mit ihnen flirten. "Die Bedeutung des Flirts habe ich
unterschätzt", bekennt van de Veer. Eigentlich nämlich sollte das Marktforschungsinstitut Infratest TNS für Delta Lloyd
herausfinden, wie es mit der Altersvorsorge von Frauen bestellt ist. Die Frage nach dem Flirtfaktor tauchte nur am Rande auf.
Dass der Flirtfaktor in Verkaufsgesprächen eine Rolle spielt, bestätigt auch Verkaufstrainer Karlheinz Martiné. "Im Marketing
ist das schon länger bekannt: Im Verkauf geht es letztlich nicht sehr viel anders zu als auf dem Heiratsmarkt", sagt der Kölner,
der seit Jahren Handwerksbetriebe coacht. "Flirten hat etwas mit Präsenz zu tun, mit Aufmerksamkeit, die man seinem
Gegenüber schenkt." Männliche Kunden seien daher für ein Flirt beim Beratungsgespräch genauso empfänglich wie Frauen.
"Wer flirtet, schaut seinem Gegenüber in die Augen. Das signalisiert ihm: Ich meine es ehrlich. Was ich sage, ist meine
tiefste Überzeugung." Das baue Vertrauen auf - Grundlage eines jeden gelungenen Verkaufsgesprächs. Und das sei
im Handwerk letztlich in fast allen Branchen gefragt, betont Martiné: "Auch der SHK-Monteur ist ein Verkaufsberater, wenn
er den Kunden besucht."
Umfragen hätten ergeben, dass Augenoptiker, die von ihren Kunden als "besonders nett" geschätzt werden, besonders
erfolgreich sind, sagt auch Yvonne Buttstädt, Betriebs- und Marketingberaterin der Landesinnungsverbands des
Augenoptikerhandwerks in Niedersachsen und Bremen. Zwar käme in einem "Vertrauensberuf" wie dem des Optikers
der Fachkompetenz eine "wohl noch höhere Bedeutung zu", lautet Buttstädts persönliche Ansicht. Doch sei die Sympathie zum
Berater oder der Beraterin sehr wichtig. In die Bewertung spielten dabei viele Dinge hinein, bis hin zur Kleidung und Duftnote
eines Menschen.
Dass der Flirtfaktor ein Verkaufsgespräch beeinflusst, hat auch Augenoptiker Olaf Rößner schon erfahren. "Da ist etwas dran",
findet der Lüneburger Handwerksmeister. "Das klappt zwar nicht mit jeder Kundin. Aber in den Glücksfällen, in denen man
sich besonders sympathisch ist, ergeben sich erfolgreichere Verkaufsgespräche." Erzwingen ließe sich das allerdings
nicht, "so nach dem Motto: ,Flirtfunktion einknipsen, Erfolg gewährleistet'. Das klappt wirklich nur bei Menschen, bei denen
die Chemie stimmt. Und sie werden dann oft Stammkunden."
Aus dieser Einsicht heraus verfasste der Verkaufstrainer Hans-Uwe L. Köhler ein "Handbuch für Verkäufer", nach
Verlagsangaben bereits ein Bestseller. "Verkaufen ist wie Liebe" - so der Titel. Die Idee dahinter: "Wer sich verlieben
kann, kann auch verkaufen", schreibt Köhler. Wie das im Einzelnen geht, erläutert der Autor recht anschaulich auf
immerhin 197 Seiten: Verkäufer sollen Kunden von ihrer Idee, ihrer Dienstleistung oder einem Produkt begeistern.
Dazu müssen sie sich auf ihr Gegenüber und dessen Gefühle einlassen und eine echte Beziehung entwickeln.