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Young african american man with painting roller. House renovation

Inhaltsverzeichnis

Personal

Flüchtlinge: Ausbildung unter erschwerten Bedingungen

Welche Auswirkungen haben die härteren Gesetze der Bundesregierung auf die Beschäftigung von Flüchtlingen im Handwerk? Ein Unternehmer schildert seinen Fall.

Auf einen Blick:

  • In Cisse Sekou hat Malermeister Thomas Mildenberger einen potenziellen Auszubildenden mit Leidenschaft für den Beruf gefunden.
  • Auf die Einstiegsqualifizierung im Betrieb sollte die Ausbildung folgen. Doch die Beschäftigungserlaubnis wurde versagt. Grund: Schärfere Bundesgesetze traten Mitte 2019 in Kraft.
  • Mildenberger wandte sich an einen Berater seiner Handwerkskammer. Und der konnte helfen. Bis zur Ausbildungsduldung war es jedoch ein langer Weg für den Geduldeten mit ungeklärter Identität.
  • Der Malermeister wünscht sich, dass Unternehmern weniger Steine bei der Beschäftigung in den Weg gelegt werden. Schließlich brauche ein Flüchtling in Vollbeschäftigung auch keine finanzielle Hilfe vom Staat.

Eigentlich wollte Malermeister Thomas Mildenberger erstmal keinen neuen Lehrling ausbilden. In letzter Zeit hatte der Chef des 8 Mitarbeiter starken Malerbetriebs Maler Mildenberger eher unglückliche Erfahrungen mit seinen Azubis gemacht. Eine Ausnahme hat Mildenberger dann aber doch gemacht, nachdem sich der Betreuer einiger Flüchtlinge im Landkreis bei ihm meldete. Einer seiner Schüler wollte ins Handwerk: Cissé Sekou, 25 Jahre alt aus Mali. Es folgte ein Praktikum im Rahmen der sogenannten Einstiegsqualifizierung, in dem der Flüchtling den Malerbetrieb von sich überzeugen konnte. Und das tat er auch: „Sekou ist nicht nur menschlich eine Kanone, er nutzt auch jede Mittagspause, um zu lernen und kommt überall gut an“, sagt Mildenberger.

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Plötzliche Hürde: Beschäftigungsverbot

Der junge Mann aus Mali wollte schließlich eine Ausbildung im Malerbetrieb machen, Mildenberger wollte das auch. Es hätte ganz einfach werden können – wurde es nicht. Ende August 2019 endete das Praktikum des Westafrikaners. Im September sollte die Ausbildung starten. Doch die Ausländerbehörde verweigerte die Arbeitsgenehmigung. Denn die Bundespolitik ließ gerade einen neuen Wind im Umgang mit Flüchtlingen wehen. Das „Zweite Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ trat Mitte August in Kraft. Es ist Teil des Migrationspakets, das verschiedene Gesetze umfasst, die ab der zweiten Jahreshälfte 2019 in Kraft traten.

Das Gesetz sieht insbesondere für geduldete Flüchtlinge mit ungeklärter Identität Verschärfungen vor. Zuvor durften Geduldete meist einer Arbeit nachgehen, auch wenn ihre Identität nicht geklärt werden konnte. Wesentlicher Grund so eine Erlaubnis damals zu verweigern: Der Flüchtling verhindert eine Abschiebung allein durch sein Verhalten, zum Beispiel weil er sich nicht um einen Pass bemüht, der seine Abschiebung ermöglicht.

Härtere Gesetze: Duldung Light

„Mit der Einführung der sogenannten Duldung für Personen mit ungeklärter Identität wurde diese Regelung per Gesetz deutlich verschärft“, sagt Barbara Weiser, Juristin beim Caritasverband für die Diözese Osnabrück. Der neue Aufenthaltsstatus – auch „Duldung Light“ genannt – verbietet Personen mit ungeklärter Identität die Erwerbstätigkeit, wenn sie ihren Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung nicht nachkommen. Diese Pflicht kann beispielsweise schon verletzt sein, wenn sie keine Freiwilligkeitserklärung abgeben, dass sie zur Ausreise willens sind.

Wer allen Mitwirkungspflichten nachkommt, erhält eine Beschäftigungserlaubnis, auch wenn die Identität weiterhin ungeklärt bleibt. Schärfer allerdings ist die Regel im Fall der Ausbildungsduldung, erklärt Juristin Barbara Weiser: „Kann ein Geduldeter seine Identität unverschuldet nicht klären, obwohl er allen Mitwirkungspflichten nachgekommen ist, liegt es im Ermessen der Behörde, die Ausbildungsduldung zu erteilen.“

Hilfe durch gute Beratung

Die Neuerungen hatten unmittelbare Folgen für Cissé Sekou. Auch er war ohne Pass eingereist und konnte seine Identität und Herkunft somit nicht nachweisen. Was sollte er tun, um doch eine Arbeitserlaubnis zu bekommen? Das wussten weder der junge Westafrikaner noch der Malermeister. „Es gibt leider keine Checklisten, die man einfach abarbeiten kann“, sagt Thomas Mildenberger. Doch es gibt Einrichtungen, die weiterhelfen – im niedersächsischen Handwerk etwa helfen die Berater des Integrationsprojekts handwerkliche Ausbildung für Flüchtlinge und Asylbewerber (IHAFA). Mildenberger wendete sich an Hussein Kerri, den IHAFA-Berater an der Handwerkskammer Oldenburg.

„Die Ausländerbehörden haben jetzt weniger Spielraum, Geduldeten mit ungeklärter Identität eine Arbeitserlaubnis zu erteilen“, weiß Hussein Kerri. „Wir pflegen einen guten, respektvollen Umgang mit den Behörden, um mit ihnen gemeinsam im Rahmen der Gesetzgebung das bestmögliche für die Geflüchtete herauszuholen.“ Im Fall von Cissé Sekou sei ein Beweis seiner Mitwirkung an der Feststellung seiner Identität erforderlich gewesen. Meister Mildenberger erklärt, wie er das in der Praxis umgesetzt hat: „Ich bin mit ihm nach Berlin zur malischen Botschaft gefahren.“

Zumutbare Pflichten

Drei Tage habe der junge Westafrikaner in der Botschaft ausharren müssen, bis man ihm ein französischsprachiges Schriftstück aushändigte. Das bestätigte ihm zwar keine Staatsbürgerschaft, aber zumindest den Fakt, dass er in der Botschaft war, um seine Identität zu klären. Das Dokument wurde der Ausländerbehörde übergeben. Inzwischen war es November 2019 – die Ausbildung hatte eigentlich schon im September starten sollen. „Um die Zeit sinnvoll zu überbrücken und der Behörde eine kontinuierliche Beschäftigung nachzuweisen, machte Cissé Sekou in diesem Zeitraum ein Praktikum im Malerbetrieb“, erklärt IHAFA-Mitarbeiter Hussein. Die Mühen zeigten Wirkung. Die Behörde akzeptierte das Dokument als Mitwirkungsnachweis und erteilte Cissé Sekou eine Arbeitserlaubnis bis zum geplanten Ausbildungsende Mitte 2022.

Ende der Durststrecke

Mit der Ausbildungsduldung endet für Thomas Mildenberger und seinen Azubi eine lange Durststrecke: In der Praktikumszeit gab es kaum staatliche Förderung für den arbeitswilligen Flüchtling. „Wir haben uns um fast alles selbst gekümmert“, sagt Thomas Mildenberger. Er habe Sekou nicht nur mit Töpfen, Tellern und Kleidung ausgestattet, sondern ihm auch privat Nachhilfe gegeben. Nun, da Cissé Sekou die Ausbildungsduldung hat, stehen ihm Fördermittel wie Berufsausbildungsbeihilfe und Ausbildungsgeld zu.

Mit viel persönlichem Engagement, das zeigen Thomas Mildenberger und Cissé Sekou, ist es auch unter der neuen Gesetzgebung möglich, Flüchtlinge mit einem komplizierteren Aufenthaltsstatus auszubilden. Dass Unternehmern und Geflüchteten dabei so viele Steine in den Weg gelegt werden, kann Thomas Mildenberger jedoch nicht nachvollziehen. „Ich habe das Gefühl, die Bundesregierung hat wenig Interesse daran, dass wir weiterhin Flüchtlinge ausbilden“, sagt der Meister. Dabei sieht der Malermeister in der Zusammenarbeit mit Flüchtlingen sonst nur Vorteile: „Wer in Lohn und Brot ist, braucht keine finanzielle Unterstützung. Wer aber gezwungen wird vom Amt zu leben, der kostet auch auf ewig Geld.“ Und im Handwerk könne er Menschen wie Cissé Sekou dringend gebrauchen.

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