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Foto: handwerk.com

Argumente für Frauen in Männerberufen

"Frauen auf dem Dach? Total normal!"

Zu schwere körperliche Arbeit, keine Toiletten, Ausfall wegen Mutterschaft: Diese Argumente führen Handwerksbetriebe gegen die Beschäftigung von Frauen an. Ein Dachdeckermeister hält dagegen. Und was meinen Sie?

Frauen auf der Baustelle sind im Betrieb von Hans-Hermann Ohm keine Seltenheit. Drei von fünf Auszubildenden des Dachdeckermeisters sind weiblich. „Ich habe durchweg gute Erfahrungen mit der Arbeit von Frauen auf dem Dach gemacht “, sagt der Unternehmer aus Norddeich in Schleswig-Holstein.

Der Betrieb mit aktuell 18 Mitarbeitern ist seit 1951 in Familienbesitz. Damals haben Ohms Mutter und ihre zwei Schwestern schon auf dem Dach gestanden. Somit ist die Grundeinstellung im Betrieb der Brüder Reimer und Hans-Hermann Ohm anders. Sie haben erfahren, dass auch Frauen auf dem Dach ihren Mann/ihre Frau stehen.

Der Handwerksmeister ist offenbar einer der wenigen Betriebsinhaber, der Frauen auf dem Bau beschäftigt. Woran liegt das? Eine mögliche Erklärung liefert eine Studie des Instituts für Handwerksforschung (IFH) in Göttingen: „Nachwuchssituation und Nachwuchsprobleme im Handwerk. Unter besonderer Berücksichtigung von Frauen.“

Gründe, warum Handwerksbetriebe davor zurückschrecken, Frauen in Männerberufen zu beschäftigen, sind vielschichtig. Knapp die Hälfte der Befragten gab an, dass die körperliche Arbeit zu schwer für Frauen ist. Knapp 45 Prozent sagten, dass keine entsprechenden sozialen Einrichtungen, wie Toiletten oder Umkleiden, vorhanden sind. Einen Mangel an Bewerbungen von Frauen gibt ein Drittel der befragten Betriebe an.

Unsicherer Verbleib wegen Heirat oder Mutterschaft sagten ein Viertel der Betriebe. Wegen eines Ausfalls der Frauen im Falle einer Schwangerschaft stellen laut der Studie 20 Prozent der Unternehmen im Handwerk keine Frauen ein. Und Konflikte mit der männlichen Belegschaft befürchten 12 Prozent der Betriebe.

Bemerkenswert trotz der vielen Vorbehalte: Über 90 Prozent der Betriebsinhaber haben mit weiblichen Lehrlingen und Fachkräften gute oder sehr gute Erfahrungen gemacht.

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zu diesen Argumenten gegen die Beschäftigung von Frauen in Männerberufen?

"Frauen dürfen nicht zimperlich sein"

 „Sicher sind Gerüste aus Metall schwer und die Frauen brauchen da Unterstützung von ihren männlichen Kollegen. Aber das wissen die Teams im Vorfeld, sie akzeptieren das und jeder packt mit an“, sagt Hans-Hermann Ohm. Zu Konflikten im Team komme es deshalb nicht.

Zimperlich dürfen in der Reetdachdeckerei weder Männer noch Frauen sein, sagt der Chef. „Wenn wir Dächer abreißen, steckt da manchmal der Staub aus 100 Jahren drin. Da müssen alle mit ran.“

Alle potenziellen Auszubildenden machen bei „De Reitdachdecker“ ein dreiwöchiges Praktikum und entscheiden sich erst dann, ob sie sich bewerben wollen oder nicht. Das ist übrigens bei Männern und Frauen so, sagt Ohm. Das Toiletten-Problem hat der Unternehmer auch nicht: „Wir verdienen beim Kunden unser Geld und sind meist auf der Baustelle“, sagt er. Dennoch habe er vor drei Jahren eine neue Halle gebaut und dort zusätzliche Waschräume für Frauen eingeplant.

Und was, wenn eine Frau wegen einer Schwangerschaft längerfristig ausfällt? „Dann ist das ein normaler Prozess“, sagt der 61-Jährige. Diese Argumente gegen Frauen sind seiner Meinung nach nicht haltbar. „Auch Männer werden mal krank, verletzen sich und sind nicht immer 100 Prozent leistungsfähig. Und Urlaub haben sie auch einige Wochen im Jahr. Ich mache da keinen Unterschied zwischen Mann und Frau“, betont der Unternehmer.

Er lebt seinen Mitarbeitern vor, dass man jeden Tag ohne Vorbehalte gegen andere im Team zur Arbeit geht. Das gelte für den Chef ebenso wie für Gesellen und Auszubildende. „Sonst wird man im Handwerk keinen Erfolg haben“, ist sich Hans-Hermann Ohm sicher.   

Ihre Meinung: Was spricht für oder gegen die Beschäftigung von Frauen auf dem Bau - bzw. in Männerberufen? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Wir sind gespannt auf Ihre Kommentare!

(ja)



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