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Bestatterhandwerk

„Für mich soll’s rote Rosen regnen“

Antje Körner ist Bestatterin. Sie erzählt, wie sie ihre anfängliche Angst überwunden hat, was sie mit den Angehörigen erlebt und woher sie ihre Kraft nimmt.

Draußen steigen gerade die Eltern aus ihrem Wagen. Es dauert lange, bis sie auf die Eingangstür zukommen. Die beiden wollen ihren achtzehnjährigen Sohn noch einmal sehen. Der Sohn ist tot, er hatte einen Autounfall. Antje Körner gibt ihnen ruhig die Hand und führt sie in den Aufbahrungsraum. Nach einer Weile lässt sie die beiden dort mit ihrem Kind allein.

Einmal, erzählt sie später, da habe sie den Angehörigen eines Verunglückten von einem solchen Abschiedsbesuch abgeraten. Weil er kaum mehr zu erkennen war. „Das war schrecklich, denn das Abschiednehmen ist wichtig, um den Tod zu begreifen und um trauern zu können.“

Antje Körner leitet das Bestattungshaus Körner in Walsrode, das früher der Familie ihres Ex-Mannes gehörte. Nach der Heirat stieg die gelernte Bürokauffrau dort mit ein. Am Anfang habe sie „richtig Angst gehabt“, erinnert sich Körner. Vor der ständigen Konfrontation mit dem Tod. Und vor dem Umgang mit den Hinterbliebenen, vor ihren Gefühlsausbrüchen, ihrer Verzweiflung. „Heute finde ich, dass es ein schöner und herausfordernder Beruf ist.“

"Das ist eine Ausnahmesituation": Wie Körner die Trauergespräche führt, erfahren Sie auf Seite 2.

Tiefe Trauer, Verzweiflung und Streit

Eine Herausforderung sei insbesondere das erste Gespräch mit den Angehörigen, die gerade jemanden verloren haben, sagt die 57-Jährige. „Das ist eine Ausnahmesituation. Ich versuche zunächst, sie ein wenig aus dieser tiefen Trauer herauszuholen, indem wir über das Leben und die Persönlichkeit des Verstorbenen reden.“ Doch nicht bei allen sei das so ohne Weiteres möglich: Körner weiß auch von Familienmitgliedern zu berichten, die sich vor ihr streiten – über die Form der Bestattung oder über das Erbe. „Ich höre mir dann alle Seiten an und versuche zu vermitteln. Dafür ist sehr viel psychologisches Fingerspitzengefühl erforderlich.“

Außerdem sind Ideen und Organisationstalent gefragt: Antje Körner wählt mit der Familie zusammen Trauerspruch und Blumenschmuck aus, macht Vorschläge für die Gestaltung der Anzeigen und plant die Trauerfeiern – es gab auch schon welche mit rund 1000 Personen. „Die Familien sind zum Teil sehr kreativ und entwickeln eigene Wünsche“, sagt die Bestatterin. Die Verwandten eines verstorbenen Maurers zum Beispiel habe für die Feier einen Kübel mit dessen Werkzeug ins Foyer gestellt. „Die Gäste sehen das, denken ‘Ja, so war er’ und können dann darüber lächeln.“

Doch zu Antje Körner kommen nicht nur Angehörige, sondern auch Menschen, die mit ihr besprechen möchten, was nach ihrem eigenen Tod genau geschehen soll. Eine alte Dame hat sich zum Beispiel gewünscht, dass bei ihrer Beerdigung das Lied „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ ertönt und lauter zarte Rosenblütenblätter ihren weißen Sarg umschweben.

Seite 3: Körner hat den Betrieb von ihrem Ex-Mann übernommen. Zwei Töchter sind mit eingestiegen.

Die Bestatterin und ihre Töchter

Seit der Trennung von ihrem Mann führt Antje Körner das Unternehmen als Alleininhaberin weiter. 2006 siedelte sie es in einen Neubau im Walsroder Ortsteil Honerdingen um. Ihr Büro befindet sich gleich neben dem Eingang. Dahinter liegen von links nach rechts der Aufbahrungsraum, die lichtdurchflutete Feierhalle, in der die Trauerfeiern stattfinden, das Café und der „Erinnerungsgarten“. Den Garten durchzieht ein kleiner Bach. Die Trauernden können Steine hineinlegen, in die der Name des Verstorbenen eingraviert ist.

Körner hat drei Töchter, zwei davon sind mit ihr im Unternehmen tätig. Die 24-jährige Josefine kümmert sich vor allem um die Büroarbeit. Ihre ältere Schwester Anna ist gerade erst nach Walsrode zurückgekehrt. In einem süddeutschen Lehrbetrieb hat sie das Bestatterhandwerk gelernt, danach Betriebswirtschaftslehre studiert und einige Zeit in einer Hamburger Eventmarketing-Agentur gearbeitet. „Ich schätze die Vielseitigkeit dieses Berufs“, betont sie. Gespräche führen, Trauerfeiern und Veranstaltungen organisieren, selbst Trauerreden halten, das seien nur einige ihrer künftigen Aufgaben.

Seite 4: Seminare für Pflegekräfte und andere Zielgruppen als nächster Schritt.

Seminare zum Umgang mit Tod und Trauer

„Ich werde bald einige Dinge aus dem Tagesgeschäft abgeben“, sagt Antje Körner mit Blick auf ihre Töchter. Die freigewordene Zeit möchte sie nutzen, um eine Coaching-Ausbildung zu machen, Familien noch intensiver psychologisch zu beraten und Meditationen anzuleiten. Und sie möchte Seminare zum Umgang mit dem Tod und mit trauernden Angehörigen geben − zum Beispiel für Führungskräfte in Unternehmen oder Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern.

Der Anblick der vielen Leichen – wie kommt sie damit klar? Die ersten beiden Unfallopfer, die habe sie nicht vergessen können, sagt die Unternehmerin. Doch dann habe sie gelernt, die Bilder hinter sich zu lassen und sich auf ihre Funktion zu konzentrieren. Sie spreche die Verstorbenen mit ihren Namen an und rede mit ihnen, beim Waschen, Ankleiden, Kämmen und Schminken. „Ich finde es ganz wichtig, dass wir respekt- und liebevoll mit den Toten umgehen – das ist unsere Aufgabe.“

(afu)

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