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Europäischer Gerichtshof zwingt Arbeitgeber zu noch mehr Bürokratie

Gefährliche Rechtsfalle bei Jobabsagen

Zwang zur Auskunft: Wenn Sie einem Bewerber absagen, müssen Sie Ihre Gründe nicht nennen. Doch vor Gericht könnte das schon als Zeichen von Diskriminierung gelten. Das hat der europäische Gerichtshof entschieden. Unsere Tipps: So formulieren Sie unverdächtige Absagen.

Wer sich für eine Stelle bewirbt, soll vom Arbeitgeber ausschließlich nach seiner Eignung beurteilt werden. Alter, Geschlecht, Herkunft oder Glauben dürfen bei der Besetzung einer Stellen keine Rolle spielen. So steht es im Allgemeinen Gleichstellungsgesetz.

Bislang war das für Unternehmen kein Problem: Neutrale Stellenausschreibungen, Zurückhaltung im Vorstellungsgespräch und eine freundliche, aber nichtssagende Absage - schon war man als Arbeitgeber nahezu unangreifbar.

Das hat sich bei der Absage nun geändert:  Nach einem Urteil des Europäische Gerichtshofs (EuGH) haben Bewerber zwar keinen Rechtsanspruch auf eine Begründung, warum sie einen Job nicht erhalten haben. Doch wenn sie nachfragen und ein Betrieb die Auskunft verweigert, könnte das vor Gericht als Hinweis gelten, dass hier doch die Diskriminierung im Spiel ist. In solchen Fällen sollen deutsche Arbeitsgerichte künftig genauer prüfen.

Gefahr: Umkehr der Beweislast!
Die Folge: "Verweigert ein Unternehmen die erbetene Auskunft, dann erhöht es damit die Gefahr, im Rechtsstreit beweisen zu müssen, dass es sich bei der Stellenbesetzung nicht um Diskriminierung gehandelt hat", warnt Rechtsanwalt Jobst-Hubertus Bauer, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltsverein. Durch die Verweigerung einer Auskunft kann es möglicherweise zur Umkehr der Beweislast kommen - denn normalerweise muss der abgelehnte Bewerber nachweisen, dass es sich um Diskriminierung handelt.

Verpflichtet sind Betriebe zur Auskunft also nicht. Doch auf Nachfrage sollten Sie eine Auskunft erteilen, rät Bauer, "um zu verhindern, dass man in einen überflüssigen Rechtsstreit hineingezogen wird".

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1. Geben Sie bei Absagen nie von sich aus eine Begründung an!

Halten Sie Absagen ganz neutral, zum Beispiel so: "Vielen Dank für Ihre Bewerbung. Wir haben uns für einen anderen Bewerber entschieden." Geben Sie bei einer Absage jedoch nie eine Begründung mit an.

So vermeiden Sie von vornherein in den meisten Fällen Probleme, denn "die meisten Bewerber werden nicht nachfragen", weiß Bauer.

Doch wie antworten Sie denjenigen, die eine Auskunft verlangen?

In solchen Fällen unterscheidet Bauer zwischen den Bewerbern, die sofort eine Absage bekommen haben, und denjenigen, denen Sie nach einem Vorstellungsgespräch absagen wollen.

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2. Richtig absagen ohne Vorstellungsgespräch

Gleich aussortiert? "Solchen Bewerbern muss man eine vernünftige, begründete Antwort geben, wenn sie nachfragen", rät Bauer - aber auch erst dann und nicht gleich schon in der Absage.

Möglichst konkret auf den Fall bezogen sollte die Antwort auf die Nachfrage sein, zum Beispiel:

  • Ihre Vorkenntnisse haben nicht ausgereicht.
  • Ihr beruflicher Werdegang hat uns nicht überzeugt.
  • Wir haben aufgrund der eingegangenen Bewerbungsunterlagen Kandidaten mit mehr Erfahrung / besseren Noten eingeladen.
Wichtig

: Keinesfalls sollten Sie einen abgelehnten Bewerber detailliert informieren, wer und aus welchen Gründen die Stelle bekommen hat. Sie müssen keine Angaben zum Namen, Geschlecht, Alter, Herkunft oder Noten des neuen Mitarbeiters machen. Sie dürfen das auch nicht, betont Bauer: "Das würde gegen den Datenschutz verstoßen."



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3. Richtig absagen nach dem Vorstellungsgespräch

Auch Kandidaten, denen Sie nach dem Vorstellungsgespräch absagen, sollten Sie nur auf Nachfrage eine Begründung geben.

In solchen Fällen wird die Begründung anhand objektiver Kriterien oft schwerer fallen, weiß Bauer: "Die Einladung erfolgt noch aufgrund von Noten und dem Eindruck der Unterlagen. Aber die Auswahl nach dem Vorstellungsgespräch ist letztlich immer eine Bauchentscheidung. Dann ist der persönliche Eindruck entscheidend, wem zugetraut wird, der Aufgabe gewachsen ist."

Das ist rechtlich so auch in Ordnung. "Die Auswahl muss man dann nicht mehr anhand von objektiven Kriterien wie zum Beispiel Noten begründen", betont der Experte.

Darum rät Bauer bei Nachfragen zu folgender Begründung: "Letztlich haben wir uns für einen Bewerber entschieden, der auf uns insgesamt einen überzeugenderen Eindruck gemacht hat."

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4. Das sollten Sie für alle Fälle dokumentieren!

In jedem Fall rät Bauer dazu, sich in Bewerbungsverfahren immer abzusichern, damit Sie später in einem möglichen Rechtsstreit ihre Entscheidung selbst noch nachvollziehen und entsprechend argumentieren können. Das bedeutet:

  • Halten Sie die entscheidenden Kriterien bei der Vorauswahl zum Vorstellungsgespräch kurz schriftlich fest, zum Beispiel: welche Noten, Berufserfahrungen, Zusatzqualifikationen etc. waren entscheidend für die Einladungen.
  • Notieren Sie kurz und formlos Ergebnisse und Eindrücke der Vorstellungsgespräche der abgelehnten Bewerber, zum Beispiel "Herr X hat auf mich einen ausgesprochen mürrischen, unsicheren und unfreundlichen Eindruck gemacht."
  • Bewahren Sie diese Vermerke 5 Jahre auf.

Weitere Infos zum Thema Rechtsfallen bei Neueinstellungen:
auf anderen Websites: (jw)

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