Handwerker und Insolvenzverwalter leiden unter denselben Problemen, sagt der Insolvenzrichter Günter Struck im Interview mit handwerk.com.
Die Reaktionen auf die Berichterstattung über die Arbeit von Insolvenzverwaltern reißen nicht ab. Was auf
Seiten der Justiz für großen Unmut gesorgt hat: Betriebsinhaber hatten dem Norddeutschen Handwerk
geschildert, dass ihre Anwälte ihnen davon abraten würden, gegen unliebsame Insolvenzverwalter zu klagen.
Die Advokaten hätten dies mit vermuteten Seilschaften im Justizapparat begründet. Ein Anwalt, der so eine
Empfehlung abgibt, den halte ich für unseriös, sagt der Osnabrücker Insolvenzrichter Günter Struck.
Um mit den diversen Missverständnissen auf Seiten der Betriebe aufzuräumen, gewähren er und zwei
weitere Mitarbeiter der Insolenzabteilung die Rechtspfleger Hilde Keller und Michael Walter Einblicke in
den Ablauf eines Insolvenzverfahrens.
Können Sie den Unmut von Betrieben gegenüber Insolvenzverwaltern nachvollziehen?
Struck:Dass ein Handwerker für seine Arbeit regulär bezahlt werden will, kann ich natürlich verstehen. Und
dass jemand nicht gut gelaunt ist, wenn er als Gläubiger durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sein
Geld zum großen Teil wenn nicht gar völlig verloren hat, ist wohl eindeutig. Dies aber mit diffusen Gefühlen
beim Insolvenzgericht oder beim Insolvenzverwalter festzumachen, halte ich für sachfremd.
Nach welchen Kriterien wählt ein Insolvenzgericht eigentlich einen Insolvenzverwalter aus?
Struck: Das Gesetz gibt das exakt vor. Ein Verwalter wird von uns nach seiner Eignung, nach seiner
Sachkunde die natürlich auch betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte umfasst und nach seiner Unabhä
ngigkeit gegenüber Gläubigern und Schuldnern bestimmt. In Osnabrück arbeiten wir mit etwa 50
Insolvenzververwaltern zusammen. Neue Bewerber werden in kleineren Verfahren getestet. Die Überlegung ist
immer: Welcher Verwalter ist für einen bestimmten Betrieb am ehesten geeignet?
Vorschläge der Betriebe bleiben unberücksichtigt?
Struck: Auch das regelt das Gesetz: Danach muss ein Verwalter gegenüber Schuldnern und Gläubigern
unabhängig sein. Deshalb sind wir bei Vorschlägen skeptisch, weil leicht der Verdacht auftaucht, dass der
Verwalter der einen oder anderen Seite zu nahe steht.
Dass Insolvenzverwalter zu viele Fälle bearbeiten und der einzelne Fall deshalb untergeht, wird
gleichermaßen von Schuldnern und Gläubigern beklagt.
Walter: Das können wir über vorgegebene Fristen und über die Berichte kontrollieren, die regelmäßig
abgegeben werden müssen ...
Keller: ... aber Klagen von Schuldnern oder Gläubigern kommen äußerst selten vor. Wenn die Betriebe wirklich
so unzufrieden sind, wie das Ihre Leser darstellen, dann wundert es mich nur, dass das so selten bei uns
ankommt. Ganz ehrlich: Das Gläubigerinteresse im Handwerk tendiert gegen null.
Struck: Wenn mir bekannt würde, dass ein Verwalter überlastet ist und mit seinen Aufgaben nicht sorgfältig
umgehen kann, dann wäre das eindeutig ein Grund, ihn nicht mehr einzusetzen.
Gilt das auch, wenn sich die Verfahren unnötig lange hinziehen? Wenn Sie sechs oder sieben Jahre
dauern?
Struck: Sechs oder sieben Jahre sind nun wirklich die Ausnahme. Wenn die Verfahrensdauer von der Eröffnung bis zur Schlussverteilung sehr lang ist, lässt sich das meistens dadurch erklären, dass die Masse
vollständig verwertet sein muss, bevor man die Akte schließen kann. Häufig geht es darum, Außenstände des
Schuldners geltend zu machen wozu wiederum Gerichtsverfahren notwendig sind, die über mehrere
Instanzen gehen können.
Keller: Nach dem erfolgreichen Urteil muss das Geld noch eingetrieben werden. Wenn dort Grundstücke im
Grundvermögen enthalten sind, muss das in Zwangsversteigerungsverfahren verwertet werden, die sich
ebenfalls hinziehen können.
Aber welche Möglichkeiten haben Betriebe, deren Zweifel an der Arbeit eines Verwalters begründet sind?
Walter:Der Verwalter steht gegenüber den Gläubigern in der Haftung. Und wenn die Verwertung zu lange
dauert, dann begründet das einen Haftungsfall. Das gilt auch für unternehmerische Entscheidungen.
Struck:Übrigens spricht dieser Punkt ebenfalls gegen die angeblichen Seilschaften: Wenn es bei einem
Schadensersatzanspruch um mehr als 5000 Euro geht, ist das Landgericht zuständig und nicht mehr das
Amtsgericht, das den Insolvenzverwalter eingesetzt hat. Über Haftungsansprüche gegen den
Insolvenzverwalter entscheiden also nicht die Insolvenzrichter, sondern die Zivilgerichte.
Und wie könnten Insolvenzverfahren beschleunigt werden?
Struck:Die Gerichte müssen personell besser ausgestattet werden. Angesichts der jüngsten Kürzungen wir
haben seit einem Jahr einen Einstellungsstopp werden die Verfahren künftig eher länger dauern. Die
Verbesserung des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen liegt ebenfalls in unserem Interesse. Da
leidet ein Insolvenzverwalter in einem Verfahren unter den selben Problemen wie ein Handwerker.
(Das Gespräch führte Heiner Siefken)
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Die Masse bleibt geschlossen