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Foto: handwerk.com

Einsatz in London

Handwerk im Ausland: Ein lohnendes Pflaster

Aufregung und Abenteuer: Ein Heizungsbauer hat bei einem Auftrag in London erlebt, dass deutsche Standards bei Heizung, Isolation und Wasserleitungen auf der Insel gänzlich unbekannt sind. Und eine Geschäftsidee hat er von dort mitgebracht.

von Birgit Wessel

Ein alter Schulfreund von Malte Standvoß wollte sein abrissreifes Londoner Haus komplett sanieren. Aber nicht nach englischem Standard. Deshalb beauftragte der Fotograf verschiedene Firmen aus Niedersachsen. Der Installateur- und Heizungsbauermeister Standvoß aus der Wedemark sagte sofort zu.

Ankunft unter Staunen
"Unserem Wagen haben in London viele hinterher geschaut", berichtet Standvoß. Fahrzeugbeschriftung sei bei den ortsansässigen Firmen nämlich unüblich, eine Firmenkultur wie in Deutschland gebe es dort nicht, sagt er.

Vor diesem Hintergrund bekommt das Foto des leuchtend gelben Firmentransporters auf der Tower Bridge eine besondere Bedeutung. "Für diese Aufnahme zur Hauptverkehrszeit konnte mein Freund die Brücke kurzzeitig sperren lassen, das war gar kein Problem." Diese Unkompliziertheit begeistert den Handwerker.

Aufregend für seine Mitarbeiter sollte jedoch vor allem das rückschrittliche handwerkliche Niveau auf der Insel werden. "Die Zustände sind teilweise mittelalterlich", sagt Standvoß.

Arbeit mit Hindernissen
Am Haus des Freundes war der Betrieb zuständig für die Installation einer Fußbodenheizung, die Wasser-, Abwasser und Heizungsleitungen sowie den Wasseranschluss zur Straße, wo es eine Bleileitung zu ersetzen galt. "Hier hatte zuvor die Stadt rumgepfuscht", Sie habe beim Verlegen der Leitung eine Undichte fabriziert. Auf Nachfrage des Hauseigentümers kein Einsehen: "Wir kommen nicht mehr, das ist schon in Ordnung so", habe es geheißen. Standvoß kann es noch immer kaum glauben.

Mischarmaturen, Fußbodenheizungen und Unterputzkästen seien in England noch so gut wie unbekannt, Isolierung weitgehend ein Fremdwort. Deshalb habe das Team vorsorglich viel Material mitgebracht. "Für die Wasserleitung hat die Isolierung dann aber nicht mehr gereicht", berichtet Standvoß. Die hätten seine Leute deshalb mit Schafwolle umwickelt und nur einen leichten Korrosionsschutz darüber gezogen. Unbekannt seien in England auch Rigipswände in Feuchträumen. Improvisierend hätte das Unternehmen Trockenbauwände eingebaut und sich mangels Blechprofilen auf Holzständerbauweise verlegt.

Probleme gab es schließlich auch mit Rohren: Die vor Ort gekauften vermeintlich vertrauten Rohre – schließlich waren Presssystem, Hersteller und Außendurchmesser identisch – waren im Innendurchmesser vier Millimeter schmaler als gewohnt. "Unser Monteur konnte sie nicht biegen", sagt Standvoß. Deshalb musste das Team die Rohre gerade verlegen – wie in England üblich.

Ärgernis vor der Abreise
Am vorletzten Tag des 14-tägigen Einsatzes ein Wermutstropfen: Der Transporter wurde aufgebrochen und Kupferformteile im Wert von etwa 900 Euro geklaut.

Würde Standvoß dennoch wieder in England tätig werden? Die Antwort ist ein klares Ja. "Es war ein toller Einsatz, meine Mitarbeiter schwärmen von dieser Zeit", betont Standvoß. Und mit einer Filiale könne er möglicherweise richtig viel Geld verdienen, überlegt er.

Warum Deutsche Handwerker im europäischen Ausland besonders gefragt sind, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Made in Germany ist gefragt

"Handwerk aus Deutschland wird international sehr geschätzt. ­Qualität, Schnelligkeit und Zuverlässigkeit sind nach wie vor beliebt", sagt Eva Schmoly vom Norddeutschen Handwerk ­International (NHI).

Besonders in den Bereichen Energieeffizienz, Solartechnik, Renovierung, Sanierung und in der Medizintechnik habe Deutschland beim Know-how die Nase vorn. "Handwerksbetriebe haben gute Chancen auf Aufträge im Ausland", betont Schmoly.

Aktuelle Zahlen des Zentralverbands des Deutschen Handwerks zum Thema Export:

Quantität: Mehr als 50 000 Handwerksbetriebe exportieren ihre Waren und Dienstleistungen. Der Exportumsatz liegt bei 14 Milliarden Euro jährlich, die Exportquote bei 3,5 Prozent.

Richtung: Absatzmärkte sind Österreich, die Schweiz, die Benelux-Länder, Frankreich, das Vereinigte Königreich, Irland, Dänemark und zunehmend die anderen skandinavischen Länder sowie Polen und Tschechien.

Reichweite: Mehr als 70 Prozent stehen in Geschäftsbeziehungen mit den ersten 15 EU-Ländern, ein Drittel mit den EU-Beitrittsstaaten in Mitteleuropa und knapp 30 Prozent mit dem übrigen Europa. Rund zehn Prozent sind in außereuropäischen Ländern aktiv.

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