Auf einen Blick:
- „Der will mich beklauen“: Den Diebstahl seines Rucksacks lässt dieser Handwerker nicht so einfach zu.
- Ein Passant filmt den Vorfall. Nur helfen tut er nicht. Stattdessen hagelt es haltlose Belehrungen!
- Eine Strafrechtlerin ordnet die Situation ein. Ihre erste Reaktion: Das „hat mich etwas erschreckt“.
Mit so wenig Unterstützung würde wohl niemand in einer Notsituation rechnen. Ein Video, das der „Bild“ zugespielt wurde, zeigt einen Mitarbeiter des SHK- und Tankschutzunternehmens HWT Hansen beim Ringen mit einem Dieb. Der hatte zuvor versucht, den Rucksack des Mitarbeiters zu stehlen.
Zu Beginn des Videos ist zu sehen, wie der Handwerker den Täter an der Jacke festhält. Plötzlich meldet sich der Filmende des Videos zu Wort und ruft dem Handwerker entgegen: „Hallo, lassen Sie ihn in Ruhe!“ Selbst als das Opfer ihm erklärt, „der will mich beklauen hier“, rückt der Filmende nicht von seiner Haltung ab. Er glaubt: Der Dieb müsse freigelassen werden und fordert das immer wieder ein.
Von Hilfe und Unterstützung für den Geschädigten ist keine Spur zu sehen. Auch nicht von den anderen Passanten, die an diesem Vormittag auf dem Bürgersteig in Bremen unterwegs sind.
Während das Ringen weitergeht, tritt der filmende Passant näher: „Das ist Freiheitsberaubung“, ruft er wiederholt. Mittlerweile haben Handwerker und Dieb beide Hände nur noch am Rucksack. Der Monteur erwidert mit sichtlicher Empörung zum filmenden Passanten: „Gucken Sie sich das an hier! Das sind alles meine Sachen!“ Dann erreicht die Szene ihr unglaubliches Ende: Der Dieb nutzt die entstandene Ablenkung, greift im Rucksack nach dem Portemonnaie des Handwerkers und flieht damit.
Chef über Passanten: „Das geht überhaupt nicht“
Johnny Hansen, der Chef des Mitarbeiters, zeigt sich von den Aufnahmen im Interview mit Bild empört. Er lobt zunächst seinen Mitarbeiter, dass er in der Stresssituation so besonnen reagiert habe. „Ich denke Mal, das hätte auch anders ausgehen können“, sagt er im Video.
Auf die Frage, was schiefgelaufen sei erklärt der Unternehmer kurz, wie es zu der Situation kam und schließt mit den Worten: „Den Rest sehen Sie ja selbst, was schiefgelaufen ist: Es gehen ja genug Leute vorbei. Und dass man dann filmt, anstatt zu helfen, das geht überhaupt nicht.“
Rechtliche Einordnung: „Der Handwerker hat alles richtig gemacht“
Die Empörung des Handwerksunternehmers kann die Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht, Sonka Mehner, gut nachvollziehen. „Dass da gar keine Passanten zu Gunsten des Geschädigten eingegriffen haben, hat mich etwas erschreckt“, sagt sie.
Mehner stellt klar: „Der Handwerker hat alles richtig gemacht. Natürlich greift in so einer Situation das vorläufige Festnahmerecht für jedermann.“ Die rechtliche Grundlage dafür schafft § 127 StPO. Danach hat jedermann das Recht, einen auf frischer Tat ertappten Täter vorläufig festzunehmen. Dazu genügt als Voraussetzung, dass der Täter der Flucht verdächtig ist. Damit ist klar: Anders als vom filmenden Passanten behauptet, begeht der Handwerker keine strafbare Freiheitsberaubung, wenn er den frisch ertappten Dieb festhält.
Filmen statt helfen: Das ist eine Straftat
Ganz anders schätzt die Strafrechtlerin dagegen die rechtliche Situation für den filmenden Passanten ein. Das Ringen um die Tasche könne sich auch schnell zu einem körperlichen Angriff gegen den Geschädigten erweitern. In diesem Fall könne das Nichteingreifen des filmenden Passanten als unterlassene Hilfeleistung zu bewerten sein. „Der Handwerker ist Opfer eines Angriffs gegen seine Person geworden“, sagt Sonka Mehner, „die unterlassene Hilfeleistung ist ein Straftatbestand, der unter Strafe stellt, wenn man in einer Notsituation wegsieht oder zusieht und nicht helfend eingreift.“
Für den Fall, dass der Filmende sein Video ohne Zustimmung des Handwerkers öffentlich gemacht hat, müsste er ebenso mit einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen. „So eine Veröffentlichung ohne das Einverständnis des Handwerkers würde dessen Persönlichkeitsrechte verletzen. Auch das ist ein Straftatbestand, der nach § 201a StGB als Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen sanktioniert wird.“
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