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Mobilität der Zukunft

Herr Warncke fährt Bus

Autohaus-Geschäftsführer Wolf Warncke eckt ganz schön an. Weil er glaubt, dass sich Händler wie er in Mobilitätsanbieter verwandeln müssen. Und weil er nicht um jeden Preis dicke Autos verkaufen will.

Von Astrid Funck

Sein Vater habe immerzu geschimpft, wenn er als Student mit dem Bus fahren wollte, erzählt Wolf Warncke. Nimm doch ein Auto, habe er gerufen, und auf irgendeines gezeigt. Denn sie waren ja schließlich Autohändler und als solche im Ort bekannt.

Er fuhr trotzdem Bus, wenn er es für richtig hielt. Nach einer Lehre als Kfz-Mechaniker und dem Studium an den Fachhochschulen Hamburg und Wilhelmshaven stieg der Wirtschaftsingenieur 1992 in den väterlichen Betrieb ein: das Autohaus Warncke in Tarmstedt bei Bremen. Mittlerweile teilt er sich mit seinem Bruder die Geschäftsführung. Und immer noch fährt er Bus, obwohl sich einige seiner Mitbürger darüber lustig machen. Er kann da viele Geschichten erzählen. Einmal begrüßte der Fahrer ihn mit dem Ausruf: „Hoho, der Herr Warncke fährt Bus!“ Ganz laut, so dass alle um sie herum es hören konnten. „Na Herr Warncke, sind euch die Autos ausgegangen?“, fragte ihn daraufhin einer der Mitfahrenden.

Autos will der 50-Jährige auch weiterhin anbieten, er versucht nur, damit die eingefahrenen Straßen des Denkens zu verlassen. Passgenau und sparsam sollen sie sein. Und Teil eines Mobilitätskonzeptes. Das ist aus seiner Sicht die Zukunft: Der Autoverkäufer wird zum Mobilitätsanbieter. Aber warum, Herr Warncke? Und was genau tut ein Mobilitätsanbieter?

Wie sich Wolf Warncke seine Zukunft als Mobilitätsanbieter vorstellt, lesen Sie auf Seite 2.

Die Mobilitätskarte für alle Gelegenheiten

Autos als Statussymbol haben ihm zufolge für viele junge Menschen ausgedient. Sie wollen mobil und flexibel sein und suchen dafür nach einer intelligenten Lösung. Und um eine solche Lösung kreisen seine Gedanken: „Ich kann mir vorstellen, dass wir künftig statt Autos Mobilitätskarten verkaufen. Die Kunden können mit diesen Chipkarten verschiedene Verkehrsmittel nutzen: Bus und Bahn, Leihwagen, Taxis, E-Bikes, Fahrräder oder Mitfahrgelegenheiten. Je nach individuellem Bedarf.“ Die Mobilität werde dadurch bedürfnisgerechter, effizienter und umweltschonender.

Das bisherige System hält er für zu starr
„Autos braucht man vor allem dann, wenn man schnell irgendwohin muss und plötzlich eine größere Entfernung zu überbrücken hat“, sagt Wolf Warncke. „Oder wenn man etwas individuell transportieren muss.“ Das bisherige System des Besitzens eines oder zweier Autos sei jedoch viel zu starr und unflexibel. Er nennt Fälle, in denen er als Autoverkäufer an seine Grenzen gestoßen ist. Zum Beispiel, als ein Ehepaar sich getrennt hatte und aus einem Auto zwei werden mussten. Oder als ein Kunde Probleme mit der Hüfte bekam und ein Fahrzeug mit einem höheren Einstieg benötigte. Guter Rat sei da meist teuer. Die Lösung liege darin, die Autos mit anderen gemeinsam zu nutzen, statt sie zu besitzen. Die meisten Privatfahrzeuge sind dem Autohändler zufolge ohnehin nicht ausgelastet, sondern stehen die meiste Zeit herum.

Neues Verleihmobil für Gruppen
Einen ersten Schritt in Richtung Car-Sharing-Anbieter hat das Autohaus bereits getan: Seit Anfang des Jahres existiert dort ein „Verleihmobil“. Der VW Caddy ist in erster Linie für Vereine und soziale Institutionen aus Tarmstedt gedacht. Sie können sich den Siebensitzer kostenlos ausleihen, andere Kunden müssen dafür zahlen. Das Konzept stammt von der Firma „Regenbogen“ mit Sitz im rheinland-pfälzischen Landau. Um die Anschaffung zu finanzieren, hat sie 39 Sponsoren aus der Samtgemeinde angeworben, die auf dem Fahrzeug ihre Werbung platzieren dürfen. Buchung und Abwicklung laufen über das Servicebüro des Autohauses.

Welche Neuerungen dem Unternehmer als Nächstes vorschweben, lesen Sie auf Seite 3.

Autos nutzen statt kaufen

Als weitere Ausbaustufe schwebt Wolf Warncke eine neue Form der Mobilitätsrate vor: Als Berater definiert er mit den Kunden gemeinsam deren Bedarf. Was für ein Auto benötigt er oder sie für die Fahrt zur Arbeit? Darf's ein VW-Bus für den Urlaub sein? Oder ein Cabrio für die Wochenenden im Sommer? Und welche Kilometerzahlen sind jeweils anzusetzen? Daraus errechnet er eine Monatsrate. „Der nächste Schritt wird dann sein, dass die Kunden das mit verschiedenen öffentlichen Verkehrsmitteln kombinieren können.“

Verbesserungsbedarf im Bus- und Bahnverkehr
Um diesen Schritt zu durchdenken, fährt Wolf Warncke Bus und Bahn. Er sagt, für ihn sei es spannend zu sehen, wie die unterschiedlichen Verkehrsmittel zusammenarbeiten – oder auch nicht. Wenn er tagsüber in die Linie 630 von Zeven nach Bremen einsteigt, ist er mitunter der einzige Fahrgast. „Aber zur Feierabendzeit war der Bus einmal so voll, dass niemand mehr zusteigen konnte. Und der nächste fuhr in einer Stunde.“ So etwas versteht der Unternehmer nicht: „Das könnte doch heute alles per Computer und Bedarfsabfrage viel genauer auf die Kundenbedürfnisse abgestimmt sein.“

Doch was bleibt von den handwerklichen Leistungen übrig, wenn sich die Autohäuser zu Mobilitätsanbietern wandeln?

„Sie werden nach wie vor erforderlich, aber anders sein“, antwortet Wolf Warncke. „Alles, was sich auf vier Rädern dreht, ob das nun Busse sind, ob das nun Elektromobile sind: Da sind Bremsen, die verschleißen, da sind Reifen, die verschleißen. Die Schwerpunkte werden sich verlagern, aber die haben sich auch in den letzten 20 Jahren verändert. Mein Opa hat noch alle zweieinhalbtausend Kilometer Schmierdienst gemacht, da hat er immer mit der Fettspritze das Schmiermittel abgetragen. Das braucht heute kein Mensch mehr. Wenn er das vorhergesehen hätte, hätte er die Krise gekriegt. Genauso kriegt man heute die Krise, wenn kein Auspuff, kein Motor, keine Zündkerzen, kein Öl mehr zu wechseln sind. Aber das wird sich alles anpassen. Wir müssen nur sehen, dass wir da als ländliche Betriebe nicht total hinterherhinken vom Denken her.“

Worüber Wolf Warncke den Kopf schüttelt, lesen Sie auf Seite 4.

"Falsch verstandener Lifestyle"

Wolf Warncke geht und fährt jedenfalls voran. Für kürzere Strecken nimmt er auch gern mal das Fahrrad ­– und erntet dafür Kopfschütteln. Er wiederum schüttelt zum Beispiel über Fahrzeuge mit hohem Spritverbrauch den Kopf, „die für eine Afrikadurchquerung geeignet sind“. Das sei falsch verstandener Lifestyle: teuer und für die Umwelt eine Last.

Dass Busfahren auch für Autohändler lukrativ sein kann, hat Wolf Warncke bewiesen, als er sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Herford durchschlug. Weil er der einzige Fahrgast im Bus war, kam er mit dem Fahrer ins Gespräch, der gerade in einem Autoprospekt blätterte. „Er hat mir erzählt, dass sie ihn im örtlichen Autohaus als Kunden nicht ernst genommen hätten.“ Zurück in Tarmstedt, schickte Warncke ihm sogleich ein Angebot. „Er hat jetzt schon mehrere Autos bei uns gekauft“, sagt der Firmenchef und lächelt verschmitzt. Einmal, als er gerade in der Gegend unterwegs war, habe er den Busfahrer sogar schon besucht ­– mit dem Fahrrad.

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