Jochen Gaues konnte nicht ahnen, dass er sich strafbar machen würde, als er vor einem knappen Jahr an einem neuen Rezept für seine Leckereien tüftelte. Das verabscheuungswürdige Vergehen des Bäckermeisters: Er hat Mandelhörnchen mit neuen Zutaten aufgepeppt und die Kreation Mandelbogen mit Persipan getauft. So konnte es jeder Kunde auf großen Schildern und in großen Buchstaben in den Verkaufsvitrinen der 13 Gaues-Filialen nachlesen.
Den Lebensmittelprüfern des Ordnungsamtes, die den Einzelhandel regelmäßig in Stippvisiten beehren, ist die Wortschöpfung sauer aufgestoßen. Sie hielten sich an die Bäckerfaustregel: Wo Mandel draufsteht, darf nur Marzipan drinsein. Was solls, dann nennen wir das Ganze eben Gaues-Bogen, sagte sich Sabine Gaues, die Geschäftsführerin der Bäckerei.
Verkäuferinnen vorgeladen
Zu spät. Die Anzeige war bereits notiert. Man kennt das aus jeder besseren Krimiserie im Fernsehen: Zunächst werden die Zeugen vernommen. In diesem speziellen Fall mussten die Bäckereifachverkäuferinnen der Gaues-Filiale, in der das Hörnchen Delicti entdeckt worden war, auf der Polizeiwache aussagen.
Die Polizisten wussten kaum, was sie uns fragen sollen, erinnert sich Sabine Gaues. Und weil sich die Beamten ohnehin lieber mit richtigen Straftaten und nicht mit solchem Humbug befassen wollten, glitt die Situation schnell ins Groteske ab.
Was wohl in den Vernehmungsprotokollen steht? Dass Gaues Kunden ganz versessen sind auf die Ex-Mandelhörnchen? Dass der Geschmack durch das Persipan viel intensiver geworden ist? Dass sich der Kilopreis der Rohstoffe Marzipan und Persipan kaum unterscheidet?
Das ganze Land wird lachen
Das Ehepaar Gaues hätte ein Bußgeld mild lächelnd akzeptiert: Die Beamten hätten uns einen Bescheid über soundsoviel Euro schicken sollen alles wäre in bester Ordnung gewesen. Jetzt sind auch noch Juristen mit der Geschichte beschäftigt, und wir warten täglich auf Post von der Staatsanwaltschaft. Das geht eindeutig zu weit, oder?
Wir haben diese Frage an die hannoverschen Justizbehörden weitergereicht. Die Fehlbezeichnung ist keine Ordnungswidrigkeit, sondern ein Verstoß gegen das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz und damit eine Straftat, antwortet die Staatsanwältin Jutta Rosendahl. Das Ordnungsamt sei verpflichtet, Straftaten anzuzeigen. Im konkreten Vorwurf sehe das Gesetz eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vor. Saftige Geldstrafen wegen Verstößen gegen das Lebensmittelgesetz sind nach Auskunft der Staatsanwältin keine Seltenheit, allerdings "üblicherweise bei ekelerregenden Umständen und hygienischen Missständen".
Einen schalen Nachgeschmack hinterlässt die Hörnchenaffäre auch bei Sabine und Jochen Gaues. Der Grund: Die Eheleute haben den Firmensitz ihrer Bäckerei erst im vergangenen August vom Landkreis Hannover in die Stadt Hannover verlegt. Nach dem ganzen Wirbel befürchten die beiden weitere Probleme im täglichen Umgang mit den Behörden für sich und für ihre insgesamt 127 Mitarbeiter.
In der Hannoverschen Allgemeine Zeitung hat ein städtischer CDU-Politiker das Persipan-Problem wie folgt kommentiert: Das ganze Land wird über uns lachen. Das allerdings könnte bereits passiert sein.
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