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Mitarbeiter motivieren – mit und ohne Geld in der Kasse

In guten wie in schlechten Zeiten

Er kann schon mal "ein Kotzbrocken" sein, sagt Martin Schlingmann über sich selbst. Trotzdem setzen sich seine Mitarbeiter für den Betrieb ein – sogar dann, wenn es kriselt. Wie macht er das bloß?

Martin Schlingmann ist Schreinermeister. 1998 hat er die Schreinerei Schlingmann in Bad König (Hessen) gegründet, Schwerpunkte sind Innenausbau und Möbel, einschließlich Planung und Gestaltung.

Die wirtschaftliche Lage: Wie bei jedem Handwerker – mal läuft es gut, mal gibt es Probleme. Doch das spielt keine Rolle für den Chef, wenn es um das Thema Motivation geht. In seinem Betrieb steht der Mensch im Mittelpunkt – und das gilt auch für die Mitarbeiter.

Herr Schlingmann, in vielen Betrieben schieben die Mitarbeiter derzeit Überstunden ohne Ende. Da überlegt mancher Chef, ob er nicht zusätzlich etwas Geld springen lassen sollte. Sie auch? Ich halte nichts von Gehaltsextras. Die sind im ersten Moment wunderbar für beide Seiten: Am Anfang freut sich der Mitarbeiter. Und ich freue mich auch, weil sich der Mitarbeiter freut. Aber wenn er beim nächsten Mal nichts extra bekommt, entsteht das Gefühl, dass besondere Leistungen nicht mehr anerkannt werden. Ganz abgesehen davon sind solche Extras immer eine Bauchentscheidung – wie will man das gerecht machen?

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Auto und Meisterbrief auf Firmenkosten - auch ohne Eifersüchtelein

Also gibt es für Ihre Mitarbeiter überhaupt keine Extras?
Naja, manchmal geht das schon Hand in Hand mit den betrieblichen Interessen. In unserem Team arbeitet eine Innenarchitektin, die viele Kunden berät. Die Fahrten hat sie immer mit ihrem eigenen Wagen gemacht. Als wir ein neues Auto brauchten, habe ich ihr einen Firmenwagen vorgeschlagen. Das Jahr ist sehr gut für uns gelaufen und die Fahrten zu den Kunden bezahlen wir eh, also macht das für uns finanziell keinen großen Unterschied. Ich hatte an einen Caddy gedacht, sie wollte gerne einen Mini – also fährt sie jetzt einen Firmen-Mini.

Ein anderes Beispiel: Wir haben einen unserer Gesellen dazu ermutigt, den Meisterbrief zu machen und die Meisterschule bezahlt. Dafür hat er sich verpflichtet, mindestens fünf Jahre bei uns zu bleiben. Und wir haben schon darüber gesprochen, dass ich ihn mir als Nachfolger gut vorstellen kann.

Das sind sinnvolle Investitionen, von denen unsere Mitarbeiter auch persönlich etwas haben. Aber extra Geld gibt es nicht.

Gibt es da keine Eifersüchteleien?
Überhaupt nicht, wenn es gute Gründe für so eine Entscheidung gibt und offen darüber gesprochen wird. Zum Beispiel hat dieser Geselle die Meisterschule jetzt hinter sich. Nun soll er mehr Verantwortung übernehmen und Vorbild für die jüngsten Mitarbeiter sein. Da muss er hineinwachsen, er ist ja selbst erst 27. Darüber haben wir im Team gesprochen. Jeder weiß darüber Bescheid und alle unterstützen ihn dabei.

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Wenn die Mitarbeiter mitentscheiden

Meisterschule, Firmenwagen - das sind besondere Gelegenheiten, Ausnahmen. Aber wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter im Alltag?
Wir informieren unsere Mitarbeiter, binden sie in Entscheidungen ein und wir interessieren uns auch persönlich für jeden Einzelnen …

Mitarbeiter in Entscheidungen einbinden: Wie funktioniert das praktisch?
Wir haben zum Beispiel am Jahresanfang unseren Mitarbeitern eine kleine Aufgabe gegeben: Jeder sollte sich persönlich überlegen, was er für den Betrieb anschaffen würde, wenn er dafür 10.000 Euro zur Verfügung hätte. Eigentlich wollte ich ja in eine Absauganlage investieren. Aber daraus wird wohl erst einmal nichts, denn vier Mitarbeiter haben unabhängig voneinander eine neue Plattensäge vorgeschlagen. Das Schnittbild an der alten Plattensäge ist nicht immer 100-prozentig. Da ich nicht so oft an der Säge stehe, schien mir das nicht so problematisch. Aber wenn wir nun eine neue Plattensäge anschaffen, dann weiß ich: Alle sind zufrieden, haben mehr Spaß an der Arbeit und es ist eine sinnvolle Investition. Also werde ich diese Mitarbeiter auf die Messe mitnehmen und dann werden wir gemeinsam schauen, was finanziell möglich ist und bei uns reinpasst.

Wenn Sie Mitarbeiter informieren und in Entscheidungen einbinden – gibt das nicht endlose Diskussionen? Da bin ich radikal: Wir setzen uns nicht zusammen, um „mal miteinander zu reden“. Ich will nicht rumlabern, ich habe klare Ziele und stelle auch Forderungen. Aber das funktioniert, wenn jeder weiß, um was es geht. Ich mache zum Beispiel eine Jahreszielplanung für den Betrieb und für jeden Mitarbeiter. Mit der Planung setzen wir uns Anfang Januar zusammen und reden darüber: Welche Ziele haben wir im letzten Jahr erreicht, welche nicht, woran lag es? Und was haben wir in diesem Jahr vor? Es ist sehr wichtig, dass man den Mitarbeitern sagt, wenn es gut gelaufen ist, denn das ist ja auch ihr Verdienst. Und dass man ihnen sagt, was man von ihnen erwartet. Wenn das klar ist, ziehen alle mit.

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Ziehen auch alle mit, wenn es im Betrieb kriselt?

Das haben wir auch schon erlebt: Vor einigen Jahren lief es nicht so gut für uns. Wir brauchten dringend eine neue Kreissäge und hatten keinen Cent übrig – immer voll im Dispo. Darüber haben wir offen miteinander gesprochen. Und dann hat ein Mitarbeiter gesagt: „Ich hab Geld, ich kann dir einen Kredit geben.“ Das ist sehr außergewöhnlich und von alleine wäre ich nicht auf die Idee gekommen, einen Mitarbeiter um Geld zu bitten. Dieses Angebot hat uns sehr geholfen. Die neue Kreissäge hat uns einen Riesenschub gegeben – wirtschaftlich, aber auch in der Identifikation mit der Firma.

Also halten Sie mit Problemen nicht hinter dem Berg. Haben Sie keine Angst, dass sich ein Mitarbeiter in so einer Lage vielleicht lieber etwas anderes sucht?
Im Gegenteil: Als wir diese Probleme hatten, hatte mir unser Steuerberater empfohlen, die oberen Räume zu vermieten, um ein paar Einnahmen zu haben. Die Mitarbeiter wollten das nicht, die Räume hatten wir nämlich als Ausstellungsräume vorgesehen. Das war für das ganze Team wichtig. Also haben wir nicht vermietet und die Mitarbeiter haben die Ausstellungsräume in ihrer Freizeit, nach Feierabend und an den Wochenenden ausgebaut. Das haben sie ohne Bezahlung gemacht, weil diese Ausstellung auch ihr Traum war. Über Bezahlung hat da nie einer gesprochen, bis heute nicht.

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Manchmal muss sich der Chef eben entschuldigen

Darf jeder Chef so viel Engagement von seinem Team erwarten?
Das lässt sich nicht verallgemeinern, das ist typabhängig. Nicht jeder mag mit seinen Mitarbeitern so offen sprechen. Uns ist das wichtig und danach suchen wir auch unsere Mitarbeiter aus. Uns ist wichtiger, dass jemand ins Team passt, als seine fachliche Kompetenz. Was nützt es uns, wenn jemand fachlich top ist, aber nicht ins Team passt? Beim Fachlichen kann man leicht dazulernen, bei den sozialen Kompetenzen nicht.

Andere rasten im Stress schon mal aus oder geben den Kundendruck direkt weiter. Wie bleiben Sie ruhig?
Ich versuche es, aber das gelingt mir auch nicht immer. Montags morgen um 7 kann ich schon mal ein echter Kotzbrocken sein. Dann habe ich auch mal schlechte Laune und kann ungerecht sein. Aber dann entschuldige ich mich dafür. Und „Offenheit“ bedeutet auch, dass ich mit Kritik nicht hinter dem Berg halte, sondern Probleme offen, sachlich und direkt anspreche, wenn sie auftreten.

Wie weit spielt auch das Persönliche bei so einem Arbeitsklima eine Rolle?
Das ist sehr wichtig. Unsere Mitarbeiter sind uns auch persönlich wichtig, als Menschen. Ich weiß, wie die Mannschaft vom Marius am Samstag gespielt hat. Ich weiß, wie sauer die Freundin vom Cyrill ist, wenn er wieder bis 20 Uhr in der Firma arbeitet … Wenn unsere Mitarbeiter Sorgen haben, dann haben wir dafür Zeit und versuchen, ihnen zu helfen.

Wie verhindern Sie, dass solche persönlichen Gespräche ausarten und zu wenig Zeit für die Arbeit bleibt?
Da bin ich genauso radikal, wie bei den betrieblichen Themen: Die Arbeit muss fertig werden, und wenn die Zeit für die persönlichen Gespräche gerade nicht ausreicht, dann sage ich das. (Aber) wenn es ein wichtiges Thema ist, dann komme ich darauf später zurück. Aber damit kein falscher Eindruck entsteht: Wir fahren hier keinen Schmusekurs. Das ist schon knallharte Arbeit, und der Betrieb hat Vorrang.

Weitere Infos zum Thema:


(jw)












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