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Viele Euro-Geldscheine in Mausefalle. Symbolfoto für Schulden und Schuldenfalle bei Krediten.

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Unternehmensfinanzierung

Ratenzahlungen weiter im Visier der Insolvenzverwalter

Änderungen im Insolvenzrecht sollten Auftragnehmern mehr Rechtssicherheit bei Ratenzahlungen bieten. Experten sagen nun: Insolvenzverwalter können weiterhin längst bezahlte Rechnungen vom Handwerker zurückfordern.

Auf einen Blick:

  • Insolvenzanfechtung bei Ratenzahlung? Insolvenzverwalter können bereits geleistete Zahlungen für erbrachte Leistungen anfechten, auch für mehrere Jahre rückwirkend, zum Beispiel bei Ratenzahlungen. Eine Gesetzesänderung soll den Auftragnehmern dabei mehr Rechtssicherheit bieten. Was hat sich tatsächlich geändert?
  • Verkürzter Anfechtungszeitraum: Der Anfechtungszeitraum wurde von 10 auf 4 Jahre verkürzt. In der Praxis waren schon bisher die letzten 4 Jahre vor dem Insolvenzantrag entscheidend.
  • Ratenzahlungen: Vereinbarungen über Ratenzahlungen gelten nun laut Insolvenzordnung nicht mehr als Indiz für eine anfechtbare Zahlung. Das hatte der Bundesgerichtshof genau so schon 2015 entschieden. Kommen weitere Indizien hinzu, kann eine Ratenzahlung auch weiterhin ein Anfechtungsgrund sein.
  • Zinsen: Eine echte Verbesserung für Auftragnehmer bietet eine neue Regelung zu den Zinsen auf angefochtene Zahlungen. Die 5 Prozent pro Jahr über dem Basiszins werden jetzt nicht mehr rückwirkend fällig.
  • Altfälle: Stichtag für das neue Recht ist der 5. April 2017. Für Insolvenzanträge vor diesem Datum gilt altes Recht – einschließlich der Zinsregelung.

Große Hoffnungen, ernüchterndes Ergebnis: Die jüngsten Änderungen im Insolvenzrecht bringen dem Handwerk nicht die erhofften Vorteile. Tatsächlich hat der Gesetzgeber die Insolvenzordnung nur angepasst – an die Rechtsprechung und an die gängige Praxis der Insolvenzverwalter. Mit einer Ausnahme.

Insolvenzanfechtung: Um was geht es?

Alle 26 Minuten ging im ersten Halbjahr 2017 ein Unternehmen in Deutschland in die Insolvenz. Schlimm genug für das Unternehmen und für seine Gläubiger.

Schlimm kann es auch für Auftragnehmer werden, die vorher bezahlt wurden: Der Insolvenzverwalter kann solche Zahlungen anfechten. Zurückzahlen muss der Auftragnehmer das Geld, wenn er damals wusste, dass der Kunde mehr oder weniger pleite ist.

Diese sogenannte Insolvenzanfechtung dient dem Gläubigerschutz. Doch die Anfechtung sorgt für Unsicherheit im Geschäftsverkehr. Diese Unsicherheit sollen die am 5. April 2017 in Kraft getretenen Änderungen der Insolvenzordnung beseitigen:

  • Verkürzter Anfechtungszeitraum: Nach altem Recht konnten Insolvenzverwalter Zahlungen anfechten, die bis zu 10 Jahre vor dem Insolvenzantrag geleistet wurden. Die Insolvenzordnung machte keinen Unterschied, ob die Zahlung für tatsächlich erbrachte Leistungen erfolgte oder Geld ohne Gegenleistung beiseite geschafft wurde. Durch die Reform wurde der Anfechtungszeitraum auf 4 Jahre verkürzt, wenn die Zahlung für eine tatsächlich erbrachte Leistung erfolgte.
  • Zahlungserleichterungen als Indiz: Eine Insolvenzanfechtung können Insolvenzverwalter oft nur auf Indizien stützen. Die geänderte Insolvenzordnung sagt nun klar, dass Vereinbarungen über Ratenzahlungen als Indiz nicht genügen.
  • Anfechtung nur bei Zahlungsunfähigkeit: Anfechtbar sind Zahlungen für tatsächliche Leistungen nur, wenn der Schuldner damals tatsächlich zahlungsunfähig war. Bisher genügte dafür schon die drohende Zahlungsunfähigkeit.

Was ändert sich bei der Anfechtung tatsächlich?

Wie schätzen Experten die Auswirkungen der geänderten Insolvenzordnung in der Praxis ein?

Kürzerer Anfechtungszeitraum: Für Insolvenzverwalter Andreas Ringstmeier aus Köln ändert sich dadurch wenig. „Insolvenzverwalter sehen das nicht so dramatisch“, sagt der Fachanwalt für Insolvenzrecht. Am wichtigsten seien die letzten beiden Jahre vor dem Insolvenzantrag. „Aber was mehr als 4 Jahre zurückliegt – darum haben wir uns nur gekümmert, wenn es um offensichtlich krumme Geschäfte ging.“ Der verkürzte Anfechtungszeitraum sei zwar eine Verbesserung, sagt Christine Mansius, Fachanwältin für Insolvenzrecht aus dem niedersächsischen Alfeld (Leine). Doch ein Rückgriff über die vollen 10 Jahre sei schon vorher eher die Ausnahme: „Der typische Insolvenzbetrieb hat ja gerade das Problem, dass es keine geordneten Unterlagen gibt.“ Daher seien Anfechtungsgründe nach 10 Jahren schwer nachweisbar.

Ratenzahlungen: Dass Ratenzahlungen nun kein Anfechtungsgrund mehr sind, sieht Ringstmeier gelassen: „Das war doch schon vor der Gesetzesänderung Stand der Rechtsprechung.“ Tatsächlich hatte der Bundesgerichtshof (BGH) schon 2015 entschieden, dass Ratenzahlungsvereinbarungen für sich genommen noch kein Indiz für eine drohende oder tatsächliche Zahlungsunfähigkeit sind. (Urteil vom 16. April 2015, Az. IX ZR 6/14). „Das hat der Gesetzgeber also nur bestätigt“, sagt Ringstmeier.

Ratenzahlungen bleiben bei Insolvenz des Auftraggebers heikel

Für sich genommen sind Ratenzahlungen also kein ausreichendes Indiz für eine Insolvenzanfechtung. Kommen andere Indizien hinzu, kann die Sache anders aussehen.

„Es kommt auf die Gesamtschau der Umstände an, unter denen die Ratenzahlung vereinbart wurde“, sagt Andreas Ringstmeier:

  • Bittet der Schuldner ohne Angabe von Gründen um Ratenzahlung? Dann ist der Gläubiger auf der sicheren Seite. Ein kurzfristiger finanzieller Engpass sagt noch nichts über Zahlungsunfähigkeit aus.
  • Teilt der Schuldner dem Gläubiger jedoch mit, dass er aus wirtschaftlichen Gründen derzeit nicht in der Lage ist, den vollen Preis sofort zu zahlen, dann ist das ein Zeichen für Zahlungsunfähigkeit.

Selbst ohne Begründung durch den Schuldner gebe es Indizien, um eine Ratenzahlung anzufechten, betont der Experte:

  • Der Schuldner hat erst um Ratenzahlung gebeten, als der Gerichtsvollzieher schon vor der Tür stand.
  • Über die Zahlungsprobleme des Schuldners berichteten damals schon die Medien.
  • Der Gläubiger wusste, dass der Schuldner seine Arbeitnehmer nicht bezahlt hatte. „So etwas erfährt der Insolvenzverwalter oft genug von den Mitarbeitern des Schuldners“, berichtet Ringstmeier

„Man muss als Handwerker also genauso vorsichtig sein wie bisher – auch, wenn man sich auf Ratenzahlungen einlässt“, warnt der Jurist.

Echte Entlastung: Zinsen nur noch bei Verzug

Eine Verbesserung schafft die geänderte Insolvenzordnung allerdings: Bei einer Insolvenzanfechtung fallen Zinsen an – fünf Prozent über dem Basiszinssatz, pro Jahr, berichtet Christine Mansius. Nach altem Recht tickte die Zins-Uhr vom Tag der Insolvenzeröffnung an – ohne dass der Auftragnehmer davon wusste oder etwas dagegen unternehmen konnte.

Nach neuem Recht fallen die Zinsen erst ab dem Zeitpunkt an, ab dem der Zahlungspflichtige im Verzug ist. Wenn also der Insolvenzverwalter schon gemahnt oder eine Frist gesetzt hat, die verstrichen ist. „Das ist ein echte Verbesserung für die Betroffenen“, betont die Expertin.

Vor der Gesetzesänderung konnten sich leicht Zinsen über viele Jahre anhäufen. Denn anfechten kann ein Insolvenzverwalter Zahlungen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, doch dann hat er drei Jahre Zeit, so lange dauert die gesetzliche Verjährungsfrist. So mancher Insolvenzverwalter habe das genutzt und Zahlungen erst zum letztmöglichen Zeitpunkt vor ihrer Verjährung angefochten, „um dann mit der hohen Zinsforderung im Rahmen von Vergleichsverhandlungen ein weiteres As im Ärmel zu haben“, berichtet Mansius.

Was ist mit Altfällen?

Alle Änderungen der Insolvenzordnung gelten allerdings erst seit dem 5. April 2017. Was das bedeutet, erklärt Andreas Ringstmeier: „Der Anfechtungszeitraum beginnt immer mit dem Tag der Insolvenzeröffnung. Wurde das Insolvenzverfahren am 5. April oder später eröffnet, dann gilt das neue Recht.“

Für Insolvenzverfahren, die noch vor dem 5. April 2017 eröffnet wurden, bleibt es bei den alten Regeln: Für solche „Altfälle“ gibt es also keinen verkürzten Anfechtungszeitraum – und auch die Zinsen werden über den gesamten Zeitraum fällig, auch ohne Verzug.

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