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Interview mit einem Bauträger

Irgendwer ist immer billiger

Unzuverlässig! Lass bloß die Finger davon! Alles Abzocker! Die halbe Welt schimpft auf Bauträger – also haben wir einen gesucht, den wir mit den Vorwürfen konfrontieren können. Aber was ist eigentlich ein Bauträger? Und woran erkennen Betriebe die guten Exemplare der Spezies?

Albert Fischer ist seit 1990 Bauunternehmer im niedersächsischen Elze (Landkreis Hildesheim). Die Albert Fischer GmbH wickelt große Aufträge für die deutsche Bahn ab, baut und verkauft jährlich aber auch als Bauträger 40 Häuser mit dem dazugehörigen Grundstück.

Herr Fischer, Bauträgern wird vorgeworfen, dass sie Mängel sammeln und geradezu provozieren. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf? Schließlich treten Sie ja selbst als Bauträger auf.
Albert Fischer: Na ja, über Konkurrenten hört man das ja ab und zu. Aber es wäre absurd, wenn wir so arbeiten würden. Wir arbeiten mit Nachunternehmern zusammen, die schon langjährig für uns im Einsatz sind – und da ist keiner dabei, der sich über uns beschweren würde.

Dann sind Sie wahrscheinlich kein typischer Bauträger. Denn typischerweise lautet ein anderer Vorwurf von Bauhandwerkern, dass die Zusammenarbeit mit Bauträgern unerträglich ist.
Fischer: Bei Bauträgern gibt es sicherlich viele schwarze Schafe, aber auch ordentlich arbeitende Unternehmen. Wir selbst versuchen aber in unserer Rohbauabteilung, nicht für Bauträger zu arbeiten. Mein Abteilungsleiter im Hochbau sagt immer wieder „Lass die Finger davon“. Wir selbst beschäftigten 230 Mitarbeiter – für einen durchschnittlichen Bauträger ist das auch eher untypisch.

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"Betrieb geknebelt – Bauträger überlebt"

Was dagegen typisch wäre: Viele Bauträger deckeln Subunternehmer derartig, dass die Qualität der Arbeit zwangsläufig leidet.
Fischer: Wenn wir selbst in Konkurrenz zu anderen Bauträgern stehen, haben wir selten eine Chance über den Angebotspreis. Es gibt leider zu viele Bauträger, die nicht auskömmliche Angebote abgeben. Die Folge ist natürlich, dass diese Bauträger nur überleben können, wenn die Nachunternehmer entsprechend geknebelt werden. Der Unterschied zu uns ist wahrscheinlich, dass wir wesentliche Arbeiten selbst ausführen. Für jedes Detail werden Ausführungszeichnungen erstellt, damit es auf der Baustelle keine Unklarheiten gibt.

Der Maurermeister und Bausachverständige Klaus Engelke sagt, dass bei der Hälfte seiner Fälle Bauträger im Spiel sind. Und der Bausachverständige Dieter Ansorge hat in einem Interview mit uns kritisiert, dass sich Bauhandwerker vor allem bei Abdichtungen zu Pfusch hinreißen lassen würden.
Fischer: Die Logik ist mir nicht klar. Gerade wenn bei den Abdichtungsarbeiten gepfuscht wird, haben wir hinterher erhebliche Kosten, um die Mängel zu beseitigen. Wir können unsere Kunden nicht mit nassen Kellern allein lassen. Unsere Bauleiter müssen grundsätzlich vor dem Verfüllen des Einfamilienhauses die Abdichtung persönlich abnehmen, damit wir keine nassen Keller hinterlassen. Nachweislich haben wir in den letzten Jahren kein Haus mit einem nassen Keller abgeliefert.

Gut, aber um nochmal ein Klischee zu bedienen: Bauträger sind Kaufleute, aber keine Handwerker. Bauträger stellen den Profit über alles.
Fischer: Wenn ich das höre, kriege ich das kalte Grausen. Bei mir fängt gerade ein Bauleiter an, der bis jetzt als selbstständiger Bauleiter für einen Bauträger gearbeitet hat. Und der Mann sagt: „Ich konnte es mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren, was da vor sich geht.“

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"Strafe für geizige Nachunternehmer"

Sie bluten Ihre Subunternehmer also tatsächlich nicht bis zum Gehtnichtmehr aus? Kaum zu glauben.
Fischer: Mal angenommen, uns kostet ein Rohbau 80.000 Euro, dann könnten wir diesen Rohbau bei entsprechenden Verhandlungen mit Nachunternehmern auch für 60.000 Euro einkaufen. Viele Nachunternehmer lassen ihre Mitarbeiter weit unter dem Tariflohn arbeiten. Wir arbeiten sehr viel für öffentliche Auftraggeber und müssen bei diesen Angeboten garantieren, dass wir Tariflöhne zahlen. Unterschiede darf es nicht geben, auch unsere Nachunternehmer werden danach ausgesucht, dass sie ihre Mitarbeiter ordentlich bezahlen.

Und wie stellen Sie das sicher?
Unsere Nachunternehmer müssen in den Nachunternehmerverträgen unterschreiben, dass sie ihre Mitarbeiter ordnungsgemäß und nicht unter Mindestlohn bezahlen. In unseren Nachunternehmerverträgen ist sogar eine Strafe eingearbeitet, falls sich herausstellen sollte, dass die Nachunternehmer gegen das Tariftreuegesetz verstoßen.

Noch ein Klischee über Bauträger gefällig?
Fischer (lacht): Immer her damit!

Die Dachdeckermeisterin Melanie Bernhardt arbeitet unter anderem nicht mehr für Bauträger, weil die Vorarbeiten, die Zimmerleute hinterlassen hatten, einfach nur miserabel waren.
Fischer: Wissen Sie, wir bauen im Jahr vielleicht 40 Einfamilienhäuser. Mehr will ich auch nicht. Ich will keine Massenware. In der Regel beschäftigen wir drei verschiedene Zimmereien und entsprechend auch nur drei Dachdeckerfirmen. Alle Firmen arbeiten teilweise schon 10 Jahre für uns. Wenn wir uns natürlich ständig andere Nachunternehmer suchen und im Preis immer weiter runterknebeln würden, würde jeder nur sein Gewerk herstellen, ohne an die Nachfolgegewerke zu denken.

Nächste Seite: Daran erkennen Bauhandwerker die guten Bauträger.

"Kunden laden mich zum Kaffe ein"

Können Sie Bauhandwerkern verraten, woran sie einen guten Bauträger erkennen. Worauf müssen Subunternehmer achten?
Fischer: Subunternehmer sollten sich genau über Bauträger erkundigen. Welche Absichten hat ein Bauträger, beschäftigen die Bauträger auch eigenes gewerbliches Personal? Bilden Bauträger Nachwuchskräfte aus? Bauhandwerker sollten fragen, mit welchen anderen Nachunternehmern der Bauträger baut und sich eventuell dort einmal erkundigen.

Kommen eigentlich auch Kunden mit Dumping-Angeboten von Bauträgern zu Ihnen?
Fischer: Ja, aber wir können nicht die Billigsten sein, damit kann ich mich nicht messen. Wenn bei uns Leute mit solchen Angeboten in der Tasche auflaufen, dann sagen meine Verkäufer: „Wissen Sie was, entweder Sie wollen ein Haus, bei dem Sie vorher Ihren Preis kennen. Oder Sie wollen sich hinterher mit dem Billigheimer xy herumärgern. Für diese Preise können und wollen wir nicht arbeiten.“ Später stellt sich dann oft heraus, dass letztlich der Kunde durch Nachträge mehr bezahlt, als wir angeboten hatten.

Das klingt fast alles zu positiv, Beschwerden wird’s ja wohl auch bei Ihnen geben.
Fischer: Bei 40 Häusern im Jahr kann das passieren, ja. Aktuell ist ein Kunde in Berlin nicht zufrieden. Aber auch der Kunde bekommt ein perfektes Haus, nur leider später als geplant. Aber dazu stehe ich, da haben wir Fehler gemacht. Die Masse unserer Kunden ist zufrieden.
In unserem Heimatdorf habe ich ein Baugebiet mit 25 Häusern erschlossen, da kann ich spazieren gehen, jeder freut sich, wenn ich vorbeikomme und lädt mich auch mal zum Kaffee ein.

Nächste Seite: Das Wort „Bauträger“ ist derart negativ – gibt’s einen besseren Begriff?

"Wir sind wohl doch kein Bauträger"

Es gibt andererseits Bauträger, die in bestimmten Wohngebieten nicht mehr aus dem Auto aussteigen können. Vielleicht sollte die Branche einen neuen Begriff kreieren. Bauträger ist doch nur noch negativ besetzt.
Fischer: Ja, wir fühlen uns da auch nicht zugehörig. Wir sind ein Bauunternehmen. Wir haben auch eigene Grundstücke, die wir mit einem Haus darauf verkaufen. Das ist ein Bauträgersystem, das auch steuerlich so gehandhabt werden muss. Bauträger nennen sich viele Firmen, die eigentlich nur Ingenieurbüros sind, Aufträge hereinnehmen und an Nachunternehmer weiter vergeben.

Bauträger nennen sich doch aber auch alle, die Aufträge annehmen, Nachunternehmer suchen und irgendwo Häuser bauen, auch auf fremden Grundstücken.
Fischer: Das hat aber nichts mit einem Bauträgermodell zu tun, das vom Finanzamt anerkannt wird. Ein neuer Begriff für das Wort Bauträger? Keine Ahnung – aber die Idee ist gut. Darüber werde ich nachdenken. Wir sind ein Bauunternehmen und kein Bauträger!

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(sfk)

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