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Elektromobilität

Klimagewinn oder Öko-Unsinn?

Grüne Mogelpackung? Oder eine Alternative für Ihren Fuhrpark? Unter diesen Bedingungen lohnen sich Elektroautos: Für die Umwelt, das Klima – und Ihr Unternehmen.

1996. Alles ist so schön unkompliziert. Umweltministerin Merkel erklärt Gorleben zur ersten Wahl für ein Atommüllendlager, Kernkraftwerke sind unerschütterlich sicher, Kohl ist seit Ewigkeiten Kanzler. In diesem Jahr, in dem Erneuerbare Energien in der Gesellschaft praktisch bedeutungslos sind, hat ein Dachdeckermeister eine Vision. Jörg Ewald installiert seine erste Photovoltaik-Anlage, er investiert Tausende D-Mark. Eine Risikoinvestition, die sich ausgezahlt hat. Seither hat EWALD Bedachungen Dutzende Solaranlagen auf den eigenen Dächern und für Kunden installiert.

Seit 2008 zählt das Unternehmen auch zu den Pionierkunden der Elektromobilität. Zwei elektrische Pritschenwagen, die EcoCarrier, tanken täglich frischen Solarstrom und bringen die Dachdecker zuverlässig zu ihren Einsatzorten. Wie die ersten Solarmodule waren auch die EcoCarrier ein Risikogeschäft, das sich für Jörg Ewald ausgezahlt hat.

„Steuern, Versicherung und das Auftanken sind unschlagbar günstig. Außerdem hat die Anschaffung einen unschätzbaren Werbeeffekt“, sagt Ewald. Durch ihre recht eigentümliche Form fallen die GFK-Karossen jedem Kunden sofort ins Auge. Und die wollen dann gleich genau wissen, wie sich so ein Elektroauto im Alltag schlägt.

Seite 2: Elektroantrieb ist für die Umwelt nicht immer erste Wahl. Was läuft da schief?

Vergleichstests: Elektroauto gegen konventionelle

Da einmal genauer nachzufragen, macht durchaus Sinn, schließlich hört man nicht nur Positives von der alternativen Antriebstechnik. Dass die Elektro-Autos wegen ihres Batteriespeichers teurer sind als herkömmliche Karossen mit Verbrennungsmotor ist kein Geheimnis. Ebenso wenig die geringere Reichweite. Doch gewichtige Stimmen stellen auch noch den ökologischen Nutzen der Strommobile in Frage.

Darunter auch der Ecotest des ADAC. Er bewertet die Umwelt- und Klimaverträglichkeit verschiedenster Automobile neuer und herkömmlicher Antriebsarten. Unter den fünf umweltfreundlichsten Karossen schafft es nur ein Elektroauto. Es belegt hinter zwei gasbetriebenen PKW und einem Hybridwagen aus Elektroantrieb und Benzinmotor, den vierten Platz. Schon auf Platz fünf liegt ein Diesel. Was läuft da schief?

Der Ecotest des ADAC beinhaltet zwei Annahmen, die es den Elektroautos schwer machen: Grundlage für den Test ist eine Ladung mit Strom aus dem aktuellen deutschen Strommix – also nur 22 Prozent Erneuerbare und 78 Prozent aus Kohle, Gas, Atomenergie und sonstigen Quellen. Außerdem fließen 30 Prozent Autobahnfahrt mit 130 km/h Richtgeschwindigkeit in den Test ein. Hier haben die Elektroautos den schlechtesten Wirkungsgrad, weil sie in der Regel nur ein Getriebe mit fester Übersetzung anstelle von mehreren Gängen haben.

Wer also täglich viel Autobahn fährt, ist mit einem Elektroauto schlecht bedient. Sie fahren meist nur 130 km/h Spitze und spielen ihre Stärken vor allem im Stadtverkehr aus. Die Verbrauchswerte für den effizientesten Stromer im ADAC Ecotest, den Renault Zoe Z.E. Life, liegen für 100 Kilometer bei 14 Kilowattstunden (kWh) Innerorts und 17 kWh Außerorts. Mit 28 kWh wird die Autobahnfahrt mit Tempo 130 deutlich energieintensiver.

Beste Ökobilanz: Wie Sie Elektrofahrzeuge optimal nutzen können, lesen Sie auf Seite 3.

Unschlagbar effizient

Preislich und energetisch kann der Wagen dennoch mithalten. Bei einem Strompreis von umgerechnet 27 Cent pro Kilowattstunde kosten 100 Kilometer Fahrt Innerorts, Außerorts und auf der Autobahn rund 3,80 Euro, 4,60 Euro und 7,50 Euro. Energetisch entsprechen die 28 Kilowattstunden auf der Autobahn dem Brennwert von 2,7 Liter Diesel – so sparsam ist kein Verbrennungsmotor unterwegs.

Ökologisch wie ökonomisch spielt das Elektromobil seine Stärken aber nur aus, wenn der Nutzer die Vorteile des alternativen Antriebs wirklich ausnutzen kann. Hier kann es für den Laien ganz schön undurchsichtig werden, denn der ökologische Nutzen von Elektrofahrzeugen hängt von unterschiedlichsten Faktoren ab, weiß Michael Held vom Fraunhofer Institut für Bauphysik. Held beschäftigt sich mit der Ökobilanz von Elektrofahrzeugen, beginnend beim Abbau ihrer Rohstoffe bis zum Recycling am Ende der Lebensdauer.

In der Herstellungsphase, sagt Held, hat das Elektromobil eine schlechtere Ökobilanz als herkömmliche Fahrzeuge: „ Bei den Antriebskomponenten ist der Einsatz von High-Tech Werkstoffen, wie Kobalt oder seltene Erden erforderlich. Die Gewinnung und Aufbereitung dieser Werkstoffe ist sehr aufwändig und das macht sich in der Ökobilanz bemerkbar.“

Die höhere Umweltbelastung in der Herstellungsphase muss der Elektroantrieb durch eine geringere Umweltbelastung in der Nutzungsphase kompensieren. Hierbei spielt die Laufleistung eine Rolle sowie die Herkunft des Ladestroms. Wer sein Auto beispielsweise mit dem deutschen Stromerzeugungsmix mit nur 22 Prozent Grünstromanteil lädt, kann – so Michael Helds vorsichtige Schätzung – bei einer Laufleistung von rund 30 bis 40 Kilometer am Tag, die Klimabilanz von Benzinfahrzeugen erreichen.

„Wird das Elektromobil statt mit herkömmlichem Strom mit zusätzlich installiertem Ökostrom geladen, lassen sich bei vergleichbaren Laufleistungen bereits heute deutliche Verbesserungen in der Klimabilanz erreichen“, sagt Held.

Seite 4: Vorsicht bei der Wahl des Ökostromanbieters. Nicht jeder ist wirklich grün.

Das Siegel macht den Unterschied

Idealerweise sollte der Strom für die Fahrzeuge direkt aus einer Photovoltaik-Anlage, einem Windrad oder der Biogasverstromung kommen. Da das in der Praxis jedoch nicht immer möglich ist, können auch bestimmte Ökostromtarife dafür sorgen, dass man wirklich grün unterwegs ist.

Die Tarife sollten mit dem Gütesiegel „OK-Power“ oder „Grüner Strom Label“ ausgezeichnet sein. Stromanbieter, die dieses Siegel tragen, verpflichten sich, zusätzliche Grünstromanlagen zu bauen. Wer also diesen zertifizierten Strom kauft, dessen Geld fließt auch in den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien.

Bei anderen Grünstromtarifen ist das nicht zwingend der Fall. Hier verschiebt der Anbieter nur bilanziell seine ohnehin vorhandenen Grünstrommengen zu den Kunden, die Ökostrom bestellen. Dafür steigt dann der Anteil konventioneller Energie bei den übrigen Kunden des Stromanbieters.

Seite 5: Jörg Ewald hat eine eigene Tankstelle – und eine Kabeltrommel...

Zuverlässig im täglichen Einsatz

Beim Hannoveraner Dachdeckermeister Jörg Ewald stellt sich diese Frage in der Regel gar nicht. Über 30 Kilowatt Solarleistung hat er auf dem Dach. Seine neueste Erweiterung besteht aus Dünnschichtsolarmodulen, die Richtung Osten und Westen ausgerichtet sind, um die Sonne in den Morgen- und Abendstunden effizient zu ernten. „In der Übergangszeit zwischen April und Oktober sollten unsere Anlagen ausreichen, um die beiden Elektromobile autark zu laden“, sagt Ewald.

Für das Betriebskonzept von EWALD Bedachungen als Anbieter von Photovoltaiktechnik und ökologischen Dachbepflanzungen ist die Elektromobilität die ideale Ergänzung. Und auch was die Alltagstauglichkeit angeht, zieht Ewald eine positive Bilanz. „Wir sind damit täglich unterwegs und legen am Tag etwa 40 Kilometer zurück.“ Eine Akkuladung reicht für eine Strecke von 80 Kilometern.

Doch was ist, wenn ein entfernterer Kunde besucht werden muss? Jörg Ewald deutet auf eine Kabeltrommel im Fußraum der Beifahrerseite des EcoCarrier. Sie gehört zur wichtigsten Ausstattung des EcoCarrier. „Wir schließen den Wagen dann einfach an der Haushaltssteckdose beim Kunden an“, sagt Ewald. Natürlich wird der Strom bezahlt, mit ein paar Euro für die Hilfsbereitschaft. Den Kunden gefällt’s.

(Denny Gille)

Interessiert am eigenen Grünstrom und alternativen Mobilitätskonzepten? Die passenden Artikel finden Sie hier:

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