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Wenn der Chef krank wird

Krankengeld: Im Extremfall gibt es nichts

Riskante Vorsorge statt Risikovorsorge: Mit Krankengeld oder Krankentagegeld sind Selbstständige nicht so abgesichert, wie sie vielleicht denken. Was die Kasse im Ernstfall zahlt, hängt nicht von den Beiträgen ab.

Gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer wissen, womit sie bei Krankheit rechnen können: Sechs Wochen Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber. Danach springt die Krankenversicherung ein, mit etwas weniger als dem Nettolohn. Selbstständige haben diese Sicherheit nicht. Der finanzielle Ausgleich durch die Krankenversicherung ist nach oben gedeckelt – und nach unten offen. Im Extremfall zahlt die Krankenversicherung: nichts. Wie kann das sein?

Die Angebote: Was leisten die Kassen?
Krankentagegeld heißt die Zahlung bei den privaten Krankenversicherungen, Krankengeld bei den gesetzlichen Kassen. Diese Leistung erhalten Selbstständige aber nicht automatisch, sondern müssen sie zusätzlich mit ihrer Kasse vereinbaren und dafür zahlen.

Krankengeld: Selbstständige können sich freiwillig in der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) versichern.

  • Anspruch auf Krankengeld haben sie nur, wenn sie diese Leistung ausdrücklich hinzu wählen. Ohne Krankengeld zahlen sie den „ermäßigten“ Beitragssatz, mit Krankengeld den höheren „allgemeinen“ Beitragssatz.
  • Der Beitrag richtet sich nach dem Einkommen gemäß Einkommenssteuerbescheid, mindes­tens aber nach dem Mindestbeitrag der Kasse. Nach oben begrenzt wird der Beitrag durch die gesetzliche Beitragsbemessungsgrenze von monatlich 4237,50 Euro.
  • Die Höhe des Krankengeldes richtet sich ebenfalls nach dem Einkommen gemäß Einkommenssteuerbescheid. Auch sie ist gedeckelt: auf 70 Prozent des Bruttoeinkommens oder 90 Prozent des Nettoeinkommens (maximal jedoch der Beitragsbemessungsgrenze).
  • Der Bezug von Krankengeld ist auf maximal 78 Wochen begrenzt.
Krankentagegeld:

 Diese Leistung bieten die Privaten Krankenversicherungen (PKV) an.

  • Abschließen können solche Policen sowohl Privatversicherte wie auch Mitglieder der GKV.
  • Die Höhe des Krankentagegeldes können Versicherungsnehmer frei verhandeln.
  • Die Beitragshöhe richtet sich nach der vereinbarten Höhe des Krankengeldes und dem Gesundheitszustand des Versicherten.
  • Der Bezug von Krankentagegeld ist zeitlich nicht begrenzt, endet aber mit Eintritt einer Berufsunfähigkeit.
Deckelung: Ein Verbot schmälert die Auszahlung

Mit so einer Zusatzversicherung sind Zahlungen bei Krankheit jedoch keineswegs gesichert. Denn Krankengeld und Krankentagegeld haben eines gemeinsam: Sie werden zusätzlich durch das sogenannte Bereicherungsverbot des Versicherungsvertragsgesetzes gedeckelt.



Demnach dürfen Versicherte bei Krankheit nicht mehr Geld erhalten, als sie im gesunden Zustand verdienen würden. Dieses Bereicherungsverbot soll die Kassen vor Missbrauch schützen.



Die Folgen: Kein Gewinn, kein Krankengeld

Für Selbstständige kann das gravierende Folgen haben: Je geringer der Gewinn nach Steuern in den letzten zwölf Monaten vor der Krankheit war, desto geringer fallen die Ausgleichszahlungen aus. Bei der Zahlung orientieren sich die Kassen in der Regel am letzten Einkommenssteuerbescheid. Kein Gewinn = kein Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit = keine Zahlung bei Krankheit.



Das private Krankentagegeld ist davon nicht ausgenommen, im Gegenteil: Auch wenn der Zahlungsanspruch im Sinne der Vertragsfreiheit frei ausgehandelt wurde, greift das Bereicherungsverbot. Das geht sogar so weit, dass mögliche Krankengeldzahlungen der GKV auf das Krankentagegeld der PKV angerechnet würden, falls sich ein GKV-Mitglied doppelt abgesichert hat.



Als „ziemlich absurd“ bezeichnet Michael Jander vom Bund versicherter Unternehmer diese Regelungen. „Hier hängt die Leistung der Versicherung nicht davon ab, ob man krank ist und vorher seine Beiträge gezahlt hat, sondern von Faktoren, die damit überhaupt nichts zu tun haben“, sagt der Versicherungsberater. Ein Selbstständiger macht in einem Jahr Verluste, sei es durch umfangreiche Investitionen oder weil ein Großkunde Insolvenz anmeldet? Wird der Unternehmer danach auch noch krank, dann hat er Pech gehabt.



Verhandeln – ohne Erfolgsgarantie

Jander rät zu Verhandlungen:

  • Der Verlust ist durch einen Sondereinfluss entstanden? „Dann sollte man in Absprache mit der Kasse versuchen, den Berechnungszeitraum zu verlängern.
  • Vor zwei Jahren hat das Unternehmen einen Verlust erzielt, danach wieder Gewinn gemacht, doch für das Gewinnjahr liegt noch kein Bescheid vor? „Dann sollte man die BWA und Berechnungen des Steuerberaters vorlegen.“
  • In jedem Fall sollten Betroffene „weit ausholen und den Sachverhalt detailliert schildern“.

Eine Erfolgsgarantie gebe es allerdings nicht, räumt der Experte ein. Denn die Kassen kämpfen nach Janders Erfahrung mit harten Bandagen. „Je teurer es für den Versicherer wird, desto stärker kämpfen sie dagegen an.“ Schlimmstenfalls bleibe nur der Klageweg. „Dafür sollte man sich einen Fach­anwalt für Sozialrecht oder für Versicherungsrecht suchen und unbedingt vorher fragen, wie oft er schon solche Fälle vertreten hat.“





(jw)

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