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Ausnahme-Urteil

Kunde stürzt vom Gerüst – wer haftet?

Skurriler geht’s kaum: Ein Kunde schraubt am Baugerüst herum, stürzt angeblich ab und verlangt Schadensersatz. Augenzeugen gibt es für den Sturz nicht – trotzdem klagt sich der Kunde durch die Instanzen.

Der Fall: Ein Subunternehmer soll an einem Einfamilienhaus Putzarbeiten nachbessern. Der Kunde klettert auf das Gerüst, weil er Fotos von weiteren Mängeln machen will. Der Gerüstbelag schlägt hoch, der Bauherr stürzt 2,5 Meter in die Tiefe – auf eine Mülltonne.

Die Folgen: Brüche an Sprunggelenk und Außenknöchel, ein Monat Krankenhausaufenthalt, rund zweieinhalb Jahre Arbeitsunfähigkeit.

Der Handwerker erfährt von dem angeblichen Unfall – Augenzeugen gibt es jedenfalls nicht – erst 18 Monate später, obwohl er seitdem jede Menge Termine mit dem Kunden hat. Dafür will der Auftraggeber nun Schadensersatz und Schmerzensgeld. Es geht um rund 50.000 Euro.

Auf der anderen Seite steht der Subunternehmer, der nachweislich beim Gerüst die Abhebesicherung vergessen hatte.

Schwere Entscheidung: Warum die Gerichte in diesem Fall ein Ausnahme-Urteil fällten,
lesen Sie auf der nächsten Seite.

Das Urteil: Vor dem Landgericht scheitert der Kunde. Und auch das Oberlandesgericht (OLG) Hamm weist die Klage ab (Urteil vom 15. März 2012, Az. 17 U 103/11). Aber nicht etwa, weil der ganze Vorgang ungeklärt war und es keine Augenzeugen gibt. Und trotz der Tatsache, dass der Handwerker beim Bau des Gerüsts selbst gegen die Unfallverhütungsvorschriften verstoßen hatte.

Ausschlaggebend war vielmehr, dass der Bauherr vor dem Unfall mehrere Verstrebungen aus dem Gerüst entfernt hatte, weil sie ihm im Weg waren.

In der Regel gehen Prozesse in solchen Fällen zulasten des Handwerkers aus. Der Anscheinsbeweis genügt, also ein Unfall nach einem Verstoß gegen Sicherheitsvorschriften. Einzige Ausnahme: Wenn eine andere, ernstzunehmende Unfallursache infrage kommt, genügt der Anscheinsbeweis nicht.

In diesem Fall hatte der Sachverständige schwere Zweifel an der Unfallursache: Ohne Frage habe der Handwerker das Gerüst unsachgemäß aufgestellt. Es sei jedoch sehr wahrscheinlich, dass der Unfall nicht passiert wäre, wenn der Bauherr die Streben nicht entfernt hätte. "Durch die hierdurch verursachte Instabilität sei es zu Schwingungen des Gerüsts und des Gerüstbelags gekommen, die den Sturz des Klägers herbeigeführt hätten."

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(jw)

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