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Kurzarbeit

Kurzarbeit als letzter Rettungsanker

Darf ein Firmenchef seine Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken, um seinen Betrieb mit Werkvertragsarbeitern zu retten?

Die Entrüstung war gross: Am Bau sind die Sitten inzwischen soweit verkommen, dass die Chefs uns nach Hause schicken und mit Fremdarbeitern die Aufträge abwickeln. Ein Bauarbeiter beklagte das Thema kürzlich während einer Veranstaltung des Landesverbandes der Industriegewerkschaft Bauen Agrar Umwelt (IG BAU). Nach Aussagen der Arbeitnehmerorganisation ist dieses Verfahren gängige Praxis auf vielen Baustellen zwischen Flensburg und Oberammergau.

handwerk.com fragte beim Zentralverband des Deutschen Baugewerbes und bei den Arbeitsämtern nach. Tatsächlich besteht die Möglichkeit, die eigene Belegschaft in die Kurzarbeit zu entlassen und mit per Werkvertrag angestellten, meist ausländischen Arbeitnehmern Aufträge abzuwickeln. Grundvoraussetzung: Ein Auftrag kann entweder aus wirtschaftlichen oder aus technischen Gründen nicht mit der Stammmannschaft geschultert werden.

Rechtliche Grundlage dafür bildet das so genannte Arbeitsförderungsgesetz, beziehungsweise seit dem 1. Januar 1998 das Sozialgesetzbuch III. Dort gestattet Paragraph 170 Absatz I Nummer 3 diesen Weg, wenn der Arbeitsausfall der Stammbelegschaft aus genannten Gründen unvermeidbar ist.

Schnelle Auswege aus der Krise

Geschaffen wurde die Möglichkeit, um Unternehmen über kurzzeitige Krisen hinwegzuhelfen, erläutert Jens Dirk Wohlfeil, Tarifrechtsexperte des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes. Der Kritik, dass es sich um eine elegante Möglichkeit handelt, sich seiner teuren Stammbelegschaft zu entledigen und mit ausländischen Werkvertragsarbeitnehmern Reibach zu machen, tritt Wohlfeil entgegen. Zum einen müsse die Stammbelegschaft von vornherein mitspielen. Im Klartext: Der Betriebsrat muss bereit sein, die Kurzarbeit mitzutragen, in kleineren Unternehmen sogar jeder einzelne Mitarbeiter. Zum anderen gibt es seitens der Arbeitsverwaltung strikte Kontrollen, ergänzt auch Gerhard Henze, Leiter des Referats Statistik beim Landesarbeitsamt Niedersachsen-Bremen. So müsse schon bei der Beantragung des Kurzarbeitergeldes für die Stammbelegschaft glaubhaft dargelegt werden, dass der Arbeitsausfall eben unvermeidbar ist.

Bereits in dieser Phase gebe es eine sehr genaue Prüfung, berichtet Michael Steffen, Leiter des Referats Geldleistungen beim Landesarbeitsamt Niedersachsen-Bremen. Gibt die Behörde hier grünes Licht, steht eine zweite Prüfung nach Abschluss der Maßnahme an. Die erfolge, wenn der Unternehmer, der die Kurzarbeit zunächst aus eigener Tasche bezahlen muss, die Abrechnung bei der Arbeitsverwaltung einreicht.

Kurzarbeit insgesamt zurückgegangen

Wie oft bespielsweise Bauunternehmer in den zurückliegenden Jahren auf dieses Verfahren zurückgegriffen haben, lässt sich nach Aussagen des Landesarbeitsamtes nur schwer beziffern. Zahlen zur Kurzarbeit würden generell erhoben, nicht aber gegliedert nach den jeweiligen Begleitumständen, berichtet Heinze. Insgesamt sei die Kurzarbeit am Bau im Bereich des Landesarbeitsamtes Niedersachsen/Bremen von 3337 Fällen im Dezember 2001 auf 2609 im Dezember vergangenen Jahres zurückgegangen.

Gleichzeitig seien aber auch die Beschäftigtenzahlen am Bau insgesamt deutlich gesunken, gibt Henze zu bedenken.

Konkretere Zahlen hat auch Michael Knoche, Pressesprecher der IG BAU, nicht zu bieten. Er geht allerdings davon aus, dass der beschriebene Weg bisher nur sehr selten beschritten wurde, da die rechtliche Möglichkeit nur wenigen bekannt sei. Dabei sei es mit Blick auf die Erhaltung der Arbeitsplätze durchaus ein geeigneter Ansatz. Allerdings gibt Knoche auch zu bedenken, dass die zugrunde liegenden Probleme vielfach hausgemacht sind.

Bezugszeit verlängert

Bundesregierung weitet Fristen für Kurzarbeitsgeld auf 18 Monate aus.

Auf bis zu 18 Monate hat Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement in diesen Tagen durch Rechtsverordnung die Höchstbezugsfrist für das so genannte konjunkturelle Kurzarbeitergeld verlängert. Dadurch werde vorzeitig die bis zum 31. März geltende Verordnung, die eine Höchstbezugsdauer von 15 Monaten vorsah, abgelöst, teilte das Wirtschaftsministerium mit. Befristet ist die neue Regelung vorerst bis zum Jahresende.

Die Rechtsverordnung unterstützt Betriebe bei der Bewältigung der gegenwärtig schwierigen konjunkturellen Lage. Erfasst werden nach Angaben des Ministeriums auch die Fälle, bei denen die 15-monatige Bezugsfrist am 31. Dezember 2002 beendet war. Mit dieser Regelung können Beschäftigungsverhältnisse auch bei zeitweiligen Auftragsrückgängen und Arbeitsausfällen länger aufrecht erhalten und Entlassungen vermieden werden, betonte Clement.

Mit der Rechtsverordnung werde außerdem die bereits bestehende Regelung über die auf 24 Monate verlängerte Bezugsfrist für das so genannte strukturelle Kurzarbeitergeld (Kurzarbeitergeld in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit) fortgeführt.

Die Verordnung über die Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld wird in Kürze im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und tritt rückwirkend zum 1. Januar 2003 in Kraft.

Expertentipp: Bessere Wettbewerbsposition mit Nachunternehmern

Handwerksbetriebe erleben es in zunehmendem Maße, dass ihnen bei der Auftragsvergabe der Zuschlag nicht erteilt wird, weil ein anderer Anbieter zu deutlich günstigeren Preisen kalkulieren kann.

Personalkosten als Wettbewerbsnachteil

Oftmals liegt die Ursache hierfür in deutlich niedrigeren Personalkosten, die Mitbewerber in dem immer härteren Wettbewerb um Handwerksaufträge zu ihren Gunsten einsetzen können. Gerade die tarifgebundenen Unternehmen haben daher bei ordentlicher Kalkulation unter Berücksichtigung tariflicher Löhne zunehmend keine Chance mehr, kostendeckende Aufträge zu bekommen.

Senkung der Personalkosten durch Nachunternehmereinsatz

Eine Möglichkeit, den Anteil der Personalkosten bei der Auftragskalkulation deutlich zu senken und damit die eigene Wettbewerbsposition zu verbessern, ergibt sich jedoch aus dem Einsatz von Nachunternehmern. Neben der (im Baugewerbe grundsätzlich verbotenen) Arbeitnehmerüberlassung kommt hierbei insbesondere der Einsatz von Subunternehmern in Frage. Werden zum Beispiel Werkvertragsarbeitnehmer aus den mittel- und osteuropäischen Staaten zur Ausführung von Werkleistungen verpflichtet, kann der Handwerksbetrieb durch eine Mischkalkulation von Stammarbeitnehmer- und Subunternehmerkosten bei der Angebotskalkulation seine Wettbewerbsposition deutlich verbessern.

Kurzarbeit der Stammbelegschaft

Macht der Handwerksbetrieb von der Möglichkeit des Nachunternehmereinsatzes Gebrauch, so stellt sich die Frage, ob diejenigen Arbeitnehmer der Stammbelegschaft, die nicht zur Ausführung des Auftrags benötigt werden, in Kurzarbeit geschickt werden können. Kurzarbeitergeld wird nur dann gewährt, wenn der Arbeitsausfall unvermeidbar ist. Dies ist insbesondere bei Auftragsmangel gegeben. Ein Sonderfall liegt jedoch vor, wenn zwar ein Auftrag erteilt wurde, der Zuschlag jedoch nur aufgrund der Mischkalkulation erfolgte.

Kurzarbeit bei Nachunternehmereinsatz

Kann der Betrieb nachweisen, dass er den Auftrag ohne die Kalkulation mit dem Einsatz des Subunternehmers aus Gründen der fehlenden Wettbewerbsfähigkeit erst gar nicht erhalten hätte, so liegt ein Fall der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit vor. Hätte er den Auftrag nicht bekommen, wäre es ohnehin klar gewesen, dass die Stammbelegschaft in Kurzarbeit geschickt werden müsste. Durch die Mischkalkulation ist es jedoch zumindest gelungen, den Auftrag zu erhalten und diesen dann kostendeckend abzuarbeiten. Daher erkennt das Arbeitsamt in diesen Fällen die Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls an. Bei der Mischkalkulation ist aber zu bedenken, dass der Arbeitgeber für diejenigen Stammarbeitnehmer, die in Kurzarbeit geschickt werden, zusätzliche Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen hat.

Jens Wohlfeil

ist Rechtsanwalt und Mitarbeiter des Geschäftsbereiches Sozial- und Tarifpolitik im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, Berlin, http://www.zdb.de

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Voraussetzung für Kurzarbeit: Ab dem 1. Juli muss wieder mindestens ein Drittel der Beschäftigten von Entgeltausfall betroffen sein.

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