Die Kommunen minimieren zusehends die Bewerbungsfristen für öffentliche Aufträge. Die Folge: Betriebe müssen Millionenobjekte übereilt durchkalkulieren. Experten vermuten, dass die Behörden über den Termindruck bestimmte Unternehmen bei der Vergabe bevorzugen.
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Die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) gibt klar vor, dass für die öffentliche Vergabe - von Ausnahmefällen abgesehen - Mindestfristen von zehn Kalendertagen gelten. "Diesen Standard haben die Behörden außer Kraft gesetzt", sagt Gerhard Stelter, Geschäftsführer des Fenster- und Türenwerkes Polar.
Das Unternehmen in Morsum (Niedersachsen) arbeitet regelmäßig für die öffentliche Hand, stattet vor allem Schulen und Verwaltungsgebäude mit seinen Produkten aus. Stelter: "Seit einem Jahr bleiben uns teilweise nur noch drei bis vier Kalendertage für ein Angebot. Wenn man sich für einen 500.000 Euro-Auftrag bewirbt, ist diese Zeit viel zu kurz."
Die Verkürzung der Fristen sei ein naheliegendes Mittel, um den Bieterkreis einzugrenzen, sagt Elmar Esser, Leiter der Rechtsabteilung des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes (ZDB). Bei dem hohen Druck, dem das Bauhandwerk ohnehin ausgesetzt ist, fehle es vielen Betrieben ganz einfach an Möglichkeiten, um von heute auf morgen fehlerfreie Angebote abzugeben: "Wir stoßen immer wieder darauf, dass eine Vergabe exakt auf ein Unternehmen zugeschnitten ist, das sich eine Behörde vorher ausgeguckt hatte."
Könnte in solchen Fällen Bestechlichkeit im Spiel sein? Auf diese Frage antwortet Esser diplomatisch: "Es steigen Rauchwolken auf, die darauf hindeuten, dass es zu Manipulationen kommt."
Mangel an planerischer Kompetenz
Doch nicht nur die Fristen, sondern auch ungenaue Ausschreibungsunterlagen machen den Betrieben das Leben schwer. "Die planerische Kompetenz der öffentlichen Hand ist Vergangenheit. Die Kommunen sind pleite, deshalb sind fachkompetente Stellen gestrichen worden", sagt Matthias Wächter, Geschäftsführer des Landesinnungsverbandes des Tischlerhandwerks Niedersachsen/Bremen.
Auch diese Aussage kann Polar-Geschäftsführer Stelter unterschreiben: "Da kümmern sich Verwaltungsbeamte um Ausschreibungen, von denen sie keine Ahnung haben. Deshalb erstellen dann die Architekten die Leistungsverzeichnisse - aber die kämpfen selbst ums Überleben, können kaum Zeit in eine exakte Planung investieren." Die Folge: Die Betriebe müssen in ihren Angeboten einen Teil der planerischen Feinheiten gleich mit übernehmen.
Welche Möglichkeiten haben Betriebe, die kurze Fristen oder fehlerhafte Ausschreibungsunterlagen nicht länger hinnehmen wollen? "Ein Einspruch gegen die Ausschreibung kann - wenn das in der Kürze der Zeit noch möglich ist - schon sinnvoll sein", sagt Esser. Zudem dürfe es die Rechnungsprüfungsämter der einzelnen Kommunen interessieren, wenn Behörden die Zahl der Bieter "ohne Not künstlich" einschränken: "Das widerspricht ganz klar der Verpflichtung zur wirtschaftlichen Haushaltsführung."
Lahme Landesbehörden
Der Schulverband Bad Segeberg (Schleswig-Holstein) ist eine der Behörden, denen Betriebe vorwerfen, dass sie mit unnötig kurzen Vergabefristen agieren.
Auf Nachfrage von handwerk.com gibt der Geschäftsstellenleiter des Schulverbandes, Karsten Immans, den Schwarzen Peter an die Landesverwaltung weiter: "Die vorgeschriebenen zehn Kalendertage halten wir immer ein, normalerweise ist die Frist sogar länger. Bevor wir ein Projekt ausschreiben können, müssen wir allerdings die Förderzusage vom Land abwarten."
Und die komme in der Regel zu spät, um verlängerte Angebotsfristen einzuräumen: "Die Terminprojektpläne sind ohnehin extrem knapp gefasst - an den Schulen können wir für Baumaßnahmen eben nur die Sommerferien nutzen."
Dass die öffentliche Hand die Termine verkürze, um den Bieterkreis künstlich einzgrenzen, lässt Immanns ebenfalls nicht gelten: "Das können wir durch die Vergabeprotokolle widerlegen. Da können sie bei jedem Projekt sehen, dass mehrere Betriebe wertbare Angebote abgegeben haben."