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Katastrophal kreativ

Lächelstress und andere Lächerlichkeiten

Normen, Regeln, Vorschriften – das alles kann hierzulande nerven. Da ist der Blick über die Grenze in Sachen Bürokratie geradezu erheiternd.

Er ist Tischlermeister in Linz. Er ist kein Nörgler. Aber er hat nachgezählt. 27 Prüfungen öffentlicher Organe muss Harald Simeoni „regelmäßig über sich ergehen lassen oder selbst durchführen“, berichtet das Internetportal nachrichten.at.

Ordnungsvorschriften, Gesetzesvorgaben, Aufzeichnungs- und Meldepflichten: Der Aufwand sei übel. Übler als je zuvor.

Simeoni beschäftigt 12 Mitarbeiter. Er legt Wert auf die Feststellung, dass er im Prinzip gut mit den Behörden in Österreich auskommt. Bei Problemen würden Nachfristen gesetzt, Strafen habe er noch keine zahlen müssen. Was ihn aber die „Fülle an Auflagen“ jährlich kostet, hat er jetzt ausgerechnet. 114 Stunden Arbeit. Also drei komplette Arbeitswochen. In Geld ausgedrückt: 8300 Euro.

Nächste Seite: Hilfe, habe ich wirklich jede Vorschrift umgesetzt? Auch die Unsinnigen?

Dafür gibt es keine Liste

Und Simeoni bezahlt noch in einer anderen Währung für die Gesetze. Und die heißt: mieses Grundgefühl. Hat er tatsächlich auf alles geachtet, hat er jede Vorschrift umgesetzt? Eine Liste, die er abhaken könnte, gibt es nicht. Der Mann steht – und das klingt im Österreichischen geradezu charmant – ständig mit „einem Bein im Kriminal“. Denn zu allem Unglück würden sich die einzelnen Vorschriften laufend ändern.

Besonders nervig sind für Simeoni die „unsinnigen“ Auflagen. Ein Beispiel: Laut österreichischem Kraftfahrgesetz muss der Tischlermeister „zwei bis drei Mal im Jahr bei allen Mitarbeitern, die mit Firmenfahrzeugen unterwegs sind, den Führerschein prüfen, eine Kopie machen und diese aufbewahren“.

Übrigens: Gerade hatte Simeoni gemeinsam mit seiner Kammer die 27 Auflagen gezählt, „da kam die 28. hinzu“, schreibt nachrichten.at. Die Unfallversicherungsanstalt habe einen psychologischen Fragebogen angekündigt. Seit Jahresbeginn müsse „jeder Beschäftige seine Befindlichkeit äußern“, die Maßnahme werde gerade umgesetzt.

Nächste Seite: Das gequälte Lächeln beim „Lächelstress“.

Dafür gibt es ein Gesetz

Schon jetzt werde beispielsweise erhoben, ob Mitarbeiter "unter Lächelstress leiden", ob sie es als Druck empfinden, freundlich zu sein. Wer fragt eigentlich Unternehmer, welchen Druck es bedeutet, bei solchen Fragen gelassen zu bleiben – und zu lächeln.

Hier eine kleine Auswahl der Gesetze, die den Kollegen in Österreich unter anderem betreffen: Arbeitsinspektionsgesetz, Arbeitsmittelverordnung, Arbeitsstättenverordnung, Elektroschutzverordnung, Feuerpolizeigesetz, Feuerpolizeiverordnung, Gewerbeordnung, Grenzwerteverordnung, Luftreinhalte- und Energietechnikgesetz, Verordnung zur Gesundheitsüberwachung am Arbeitsplatz, Verordnung über Lärm und Vibration, über explosionsfähige Atmosphären, VOC-Anlagenverordnung...

...interessant sind einige der Leserkommentare zum nachrichten.at-Artikel. Ein Kollege merkt, dass "eine Lösung" der Bürokratieprobleme der Ein-Mann-Betrieb sei: "Wer alleine arbeitet, kann schon einmal sämtliche Mitarbeiterauflagen unter den Tisch fallen lassen." Ein anderer Leser erinnert wiederum daran, dass nicht alle Vorschriften unsinnig sind, gerade im Sicherheitsbereich: "In Österreich ereignen sich jährlich cirka 110.000 Arbeitsunfälle.“ Mehr als 50.000 davon würden einen Krankenstand von mehr als 3 Tagen verursachen. Die innerbetrieblichen Führerscheinkontrollen seien trotzdem ein Blödsinn.

Habe Sie einmal die Vorschriften gezählt, die Ihr Betrieb erfüllen muss. Und welche Auflage in Deutschland nervt Sie besonders? Wir sind gespannt, schreiben Sie uns!


(sfk)

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