Machen Sie mal Ihren Kiefer locker!

Sich durchbeißen, auch mal einen Tag zerknirscht sein, das gehört zum Berufsprofil von Handwerkschefs. Wen wundert es wenn mancher über Nacht mit den Zähnen knirscht? Die Folgen sind Ehekrach und schmerzhafte Zahnerkrankungen. Wo der Zahnschmelz weggeschmirgelt ist, reagiert der Zahn empfindlich auf alle möglichen Reize.Schmerzhaftes Zähneknirschen

An der Universität Münster haben sich Zahnärzte mit Physiotherapeuten zusammengetan, um verspannte Kiefer rechtzeitig wieder zu lockern. Denn Ursache von Zähneknirschen ist oft Stress, selten auch Fehlstellungen im Gebiss. Dr. Anne Wolowski und Physiotherapeutin Joanne Böckmann von der Zahnheilkunde-Ambulanz der Uniklinik geben ihre besten Infos und Tipps an Sie weiter.

Meistens sind Lebenspartner die ersten, die Zähneknirschen bemerken, weil die fiesen Schleifgeräusche ihnen den Schlaf rauben. Die Knirscher selbst bemerken die Folgen ihres nächtlichen Tuns an Kieferschmerzen am Morgen danach. Wer selbst schon Schlifffacetten an seinen Zähnen sieht, sollte sofort zum Arzt gehen. "Es gibt Patienten, die haben alles bis zum Zahnfleisch weggeknirscht", erzählt Dr. Wolowski. Selbst weniger exzessives Knirschen macht auf Dauer die Zähne kaputt.

Selten sind Fehlstellungen im Gebiss oder Unebenheiten an Zähnen oder Kronen der Grund fürs Zähneknirschen. Das finden Zahnärzte heraus und beseitigen sie.

Ist das Problem so nicht zu lösen, verschreiben sie meistens dünne Plastikschienen für die Nacht. Sie verhindern das unbewusste Wegschmirgeln des Zahnschmelzes. Der Ursache des Knirschens kommen diese Schienen allerdings nicht auf die Spur. Und das ist häufig Stress. Darum setzen die Forscher aus Münster auf Entspannungstechniken.

Der Grund: Wer genau weiß, wie sich ein entspannter Kiefer anfühlt, kann auch in Stresssituationen leichter umschalten und lockerlassen. Nur so lassen sich Verspannungen im Kiefer und auch im Nacken vermeiden. Den Muskeln macht das "Bodybuilding" über Nacht sonst nichts aus, sagt Anne Wolowski.

Festen Kontakt haben beide Kiefer im Normalfall nur eine halbe Stunde am Tag, sagt die Zahnärztin. Wer selbst einmal beobachtet hat, was seine Gesichtsmuskeln machen, wenn er mit 200 Stundenkilometern über die Autobahn rast, weiß auch, wie ein festgebissener Kiefer sich anfühlt.

Eine entspannte Kiefermuskulatur beginnt vor allem mit einer korrekten Kopfhaltung. Die Lippen liegen locker aufeinander, der Unterkiefer hängt in Ruhelage. Um diese Muskulatur zu entspannen, helfen ein paar Übungen, die Physiotherapeuten speziell für Zähneknirschen entwickelt haben.

• Übung 1: Spatel mittig auf Oberlippe, Unterlippe und Kinn legen; Mund öffnen, das Kinn entfernt sich leicht vom Spatel. Öffnen Sie langsam und kontrolliert den Mund, dabei darf der Unterkiefer nicht zur Seite abweichen. Das Ziel ist eine kontrollierte und geräuschfreie Mundöffnung zu erreichen, auch wenn eine maximale Öffnung dadurch vielleicht nicht möglich ist.
• Übung 2: Mit leichter Kraft Unterkiefer gegen den Widerstand der Hand drücken, als sollte der Mund geöffnet werden; dabei keine Bewegung ausführen. Die Übung heißt "Gewohnheitsumkehr", da sie immer dann eingesetzt wird, wenn unwillkürlich die entgegengesetzte Bewegung (Zähnepressen) stattgefunden hat.
• Übung 3: Auch Gähnen kann gut tun, wenn man sich mal so richtig festgebissen hat. Beachten sollte man aber, dass der Mund relativ gerade/symmetrisch geöffnet wird, um die Kiefergelenke zu schonen. Das dehnt Ihre verkrampfte Gesichtsmuskulatur.

Manche Patienten können Ihren Stress schlecht abstellen und haben vollständig das Gefühl dafür verloren, wie sich ein entspannter Kiefer anfühlt. Die Knirscher-Schiene löst nur einen Teil ihrer Zahnprobleme. Joanne Böckmann von der Zahnklinik Münster hat ein Konzept erarbeitet, welches es ermöglicht, Kaumuskelverspannungen mit Hilfe eines "Biofeedbackgerätes" darzustellen.

Der Vorteil: Diese Methode ist schmerzfrei und hilft in wenigen Sitzungen, ein richtiges Gefühl zu entwickeln. Sensoren übertragen die Signale ihrer Muskulatur auf einen Bildschirm. Dort kann der Patient eins zu eins nachvollziehen, welche Haltung locker ist (z.B. Smiley als Belohnung) und welche angespannt (keine Belohnung). Zusätzlich lernen Betroffene Übungen mit deren Hilfe sie Anspannungen entgegenwirken. Das Ziel dieser etwa einstündigen Sitzungen: Kontrolle übers Loslassen gewinnen.