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Mängel etwas "überakzentuiert"

Können sich Handwerksmeister gegen Anwälte wehren, die bewusst Mängelrügen „aufbauschen“ und Prozesse verschleppen? Ein Gespräch mit dem Richter Dr. Markus van den Hövel.

Können sich Handwerksmeister gegen Anwälte wehren, die bewusst Mängelrügen aufbauschen und Prozesse verschleppen? Ein Gespräch mit dem Richter Dr. Markus van den Hövel.

Dr. Markus van den Hövel ist Vorsitzender Richter am Landgericht Bochum und Vorsitzender einer Wirtschaftsstrafkammer. Seine Kammer hat einen Anwalt verurteilt, der in Bauprozessen ungerechtfertigte Mängelrügen erhoben, auf diese Weise Prozesse bewusst verschleppt und damit Betriebe um ihr Geld gebracht haben soll (wir berichteten). Im Gespräch mit handwerk.com beschreibt der Jurist, wie kompliziert und aufwändig die Beweisführung in solchen Fällen ist.

Herr van den Hövel, dass Anwälte Prozesse verschleppen und damit Betriebe um ihr Geld bringen, erleben Bauhandwerker nicht gerade selten. Die Betriebe müssen so ein Verhalten also nicht hinnehmen?

Dr. Markus van den Hövel: Es ist sehr schwierig, einen entsprechenden Beweis zu führen. Ein Anwalt vertritt nun einmal die Interessen seines Mandanten. Dass er im Einzelfall Mängel etwas sagen wir überakzentuiert, ist in der Praxis noch keine Frage für den Strafrichter. Zumal der Anwalt den Sachverhalt nicht nachprüfen muss, er kann sich grundsätzlich auf das verlassen, was ihm der Mandant mitteilt. Das ist der Normalfall. Der Anwalt schöpft dann lediglich das juristische Instrumentarium auf den ihm mitgeteilten Sachverhalt aus, den er aber selbst aus eigener Anschauung nicht kennt.

Was war das Besondere an dem Fall, den Sie verhandelt haben?

Van den Hövel: Dieser Anwalt war nach unserem Feststellungen selber Teil der Baufirma, die er vertreten hat. Er kannte die Sachverhalte, war also nicht der außenstehende Rechtsvertreter. Er wusste genau, dass es die Mängel in dieser Form nicht gab.

Aber das dürfte doch auch dem Anwalt klar sein, der beispielweise einen Bauträger vertritt und in kurzer Zeit mit zahllosen Subunternehmern streitet und massiv Mängel vorträgt, die an den Haaren herbeigezogen sind?

Van den Hövel: Dass ein Anwalt durch Fristverlängerungsanträge und andere Instrumente Zeit gewinnen will, ist nicht verboten. Das ist übliches anwaltliches Handeln. Letztlich ist es die Aufgabe des Gerichts, derartigen Anträgen stattzugeben oder aber abzulehnen. Praktisch müssten sie den Beweis führen, dass der Anwalt wider besseren Wissens Mängel behauptet. Die Verzögerung war im aktuellen Fall auch nicht der entscheidende Faktor. Die Prozesse waren formal ordnungsgemäß geführt worden. Der Vorwurf war, dass ein Anwalt sein Insiderwissen ausnutzt, um dann Handwerker bewusst in die Leere laufen zu lassen.

Der Prozess dürfte extrem aufwändig gewesen sein, oder?

Van den Hövel: Ja, die Schwierigkeit bestand darin, dass wir innerhalb des Strafprozesses erst einmal zahlreiche Quasi-Bauprozesse führen mussten. Zufällig war unsere Kammer jahrelang Baukammer. Wir mussten die Fälle zum Teil völlig neu aufrollen, haben die bisherigen Beteiligten gehört, die bisherigen Sachverständigen, aber auch neue Gutachten beauftragt. Wir mussten ja ermitteln, ob die Mängelrügen berechtigt waren oder nicht. Dann mussten wir feststellen, was der Angeklagte davon wusste. Das hat ein Jahr und einen Monat gedauert.

Das ist überraschend schnell. Unsere Leser klagen über Bauprozesse, die sich über sechs oder sieben Jahre hinziehen.

Van den Hövel: Das ist horrormäßig. Wenn ein Bauprozess straff geführt wird, muss er schneller fertig werden, in der Regel innerhalb eines Jahres auch mit Gutachtenauftrag. Für unsere Wirtschaftsstrafkammer ist jedenfalls ein ein Jahr andauernder Prozess schon sehr lang wir versuchen, deutlich schneller zu verhandeln. In über 90 Prozent aller Fälle gelingt das auch. In den meisten Fällen ist eine derart umfangreiche Beweisaufnahme nicht erforderlich.

(Das Gespräch führte Heiner Siefken)

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