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Arbeitsrecht

Mindestlöhne sind längst Alltag

Die aktuelle Diskussion über gesetzliche Mindestlöhne erhitzt die Gemüter. Übersehen wird dabei leicht, dass es zahlreiche Gesetze gibt, die Arbeitgeber bereits jetzt verpflichten, einen "Mindestlohn" zu zahlen.

Allgemein verbindliche Tarifverträge

Die von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften in einem Tarifvertrag geregelten Arbeitsbedingungen gelten grundsätzlich nur für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die in einem solchen Verband organisiert sind. Ist ein Arbeitgeber oder ein Mitarbeiter nicht in einem solchen Verband organisiert, ist der Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt, den Arbeitnehmer unter Tarif zu bezahlen.

Doch es gibt eine wichtige Ausnahme, von der viele Arbeitnehmer ohne Gewerkschaftsausweis profitieren: Der Bundesarbeitsminister oder ein entsprechender Landesminister kann einen Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklären. Dann gelten die tariflichen Arbeitsbedingungen einschließlich Tariflohn auch für nicht organisierte Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Eine Liste mit den gegenwärtig für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträgen findet man auf der

Homepage des Ministeriums.

Übliche Vergütung

Sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Höhe des Lohns nicht geregelt haben, so bestimmt Paragraf 612 Abs. 2 BGB, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die "übliche Vergütung" schuldet. In solchen Fällen schuldet der Arbeitgeber gemäß Rechtssprechung grundsätzlich die tarifvertragliche Vergütung. Das gilt auch dann, wenn weder der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer Mitglied eines Arbeitgeberverbandes beziehungsweise einer Gewerkschaft ist.

Sittenwidrige Vergütung

Gemäß Paragraf 138 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Auch die Vereinbarung eines zu niedrigen Entgeltes kann sittenwidrig sein. Wann das der Fall ist, kann nur im Einzelfall beurteilt werden. Dennoch lässt sich aus den bisher ergangenen Urteilen der Arbeitsgerichte ein eindeutiger Trend erkennen: Eine sittenwidrige und nichtige Vergütung liegt regelmäßig dann vor, wenn die vereinbarte Vergütung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den geltenden Tariflohn um mehr als ein Drittel unterschreitet. In solchen Fällen schuldet der Arbeitgeber nicht nur die gerade noch zulässige Vergütung, sondern die übliche Vergütung und somit den vollen Tariflohn.

Mindestarbeitsbedingungsgesetz

Das viel geforderte Gesetz zur Festlegung eines Mindestlohnes besteht genau genommen bereits seit dem Jahre 1952. Danach kann der Bundesarbeitsminister unter bestimmten Voraussetzungen die unterste Grenze der Entgelte und sonstigen Arbeitsbedingungen in einem Wirtschaftszweig oder einer Beschäftigungsart festlegen. Da das Gesetz bisher erst zweimal angewandt wurde, ist es schwer zu sagen, wie hoch ein gemäß dem Mindestarbeitsbedingungsgesetz festgesetzter Mindestlohn wohl ausfallen dürfte. Es ist jedoch davon auszugehen, dass ein gemäß dem Mindestarbeitsbedingungsgesetz festgesetzter Lohn über dem Sozialhilfeniveau liegen wird.

Neben den in diesem Beitrag dargestellten gesetzlichen Vorschriften bestehen eine Reihe weiterer Gesetze, die teilweise nur für bestimmte Berufs- oder Beschäftigtengruppen gelten, aber im Ergebnis einen verbindlichen Mindestlohn normieren.

Autor: Dr. Utz Andelewski

Dr. Utz Andelewski ist Rechtsanwalt der Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft in Berlin und Verfasser des Buchs "Staatliche Mindestarbeitsbedingungen".

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