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EU-Osterweiterung

Mit geschliffenen Umgangsformen punkten

Gutes Benehmen und geschliffene Umgangsformen helfen, gewinnbringende Geschäftskontakte in den neuen EU-Staaten aufzubauen. Aber aufgepasst: In den neuen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gelten viele feine Unterschiede.

Die Jahrzehnte hinter dem "Eisernen Vorhang" hätten fast vergessen lassen, dass davor fast zweitausend Jahre lang ein reger Geschäftsverkehr zwischen Westeuropa und Osteuropa herrschte. Schon vor Jahrhunderten verbanden die Handelswege der Hanse die Stadt Brügge in Belgien mit Nowgorod in Russland. Und vom Marktplatz der Stadt Tallin im Beitrittsland Estland gingen drei Straßen aus, von denen eine nach Bagdad, die andere nach Mitteleuropa und die dritte an den Atlantik führte. Diese traditionsreichen Verbindungen werden nun durch den Beitritt der zehn neuen Mitgliedsstaaten zur Europäischen Union zu neuem Leben erweckt.

Der persönliche Kontakt mit den neuen Mitgliedsländern wird immer wichtiger. Doch wer langfristige Partnerschaften aufbauen will, der sollte sich genau mit der dortigen Etikette auskennen. Auch wenn die meisten Beitrittskandidaten jahrzehntelang zum Ostblock gehörten, gelten dort oft ganz unterschiedliche Regeln. Wussten Sie etwa, dass die Herren in Ungarn die Damen noch mit einem Handkuss begrüßen, während sie ihnen in Litauen nicht einmal die Hand geben? "Kezét csókolom" heißt die richtige Formulierung zur Begrüßung ungarischer Damen, was dem österreichischen "Küss die Hand Madam" aus den Zeiten der gemeinsamen Monarchie entspricht.

In Estland kann es dafür aber schnell passieren, dass man zu einem Saunagang eingeladen wird. Das Angebot sollten Sie unbedingt annehmen, weil die als kühl und verschlossen bekannten Nordeuropäer dann endlich auftauen und man viele Themen leichter besprechen kann als auf offizieller Ebene.

Hochoffiziell ist auch die Anrede in Tschechien, wo man sich gern mit Titeln schmückt. Eine Person sollte stets mit ihrem akademischen Titel, wie Ingenieur, Doktor oder Professor, und ihrem Familiennamen angesprochen werden. Davor wird noch die Anrede Pan für "Herr" oder Paní für "Frau" gesetzt. Eine Ärztin begrüßt man also mit den Worten "Dobr? den, Paní Doktorko" und ihrem Familiennamen. Man sollte sich nicht unbedingt darauf verlassen, dass sowieso alle Tschechen deutsch sprechen. Gerade in geschäftlichen Verhandlungen sind die Grenzen der Sprachkenntnisse schnell erreicht, doch der Verhandlungspartner wird das nicht unbedingt zugeben wollen.

Nasse Bräuche und alte Rituale

Um dauerhaft gute Geschäfte zu machen, sollten deutsche Unternehmer also möglichst die Sprache ihres Partnerlandes und seine Traditionen kennen lernen. Sonst kann es passieren, dass sie in Polen am Ostermontag eine unangenehme Überraschung erleben: Am "Tag des Wassergießens" ("Smigus Dyngus") bleibt man lieber zu Haus, weil auf den Straßen die Jugendlichen alle vorbeilaufenden Passanten aus Eimern mit Wasser bespritzen.

Der nasse Brauch geht auf uralte vorchristliche Rituale zurück, genau wie der Kult um die Göttin Aphrodite, der sich einst von Zypern nach Griechenland ausbreitete. Das Beitrittsland mit den zahlreichen antiken Stätten pflegt seinen Ruf als "Insel der Götter", wozu natürlich auch Essen und Trinken in himmlischen Dimensionen gehören. Jedes Mahl besteht aus mehreren Gängen. Nehmen Sie lieber von allem wenig, als einen Gang auszulassen! Das würde den Gastgeber beleidigen.

In der ehemaligen britischen Kolonie herrscht aber auch die feine englische Art: Kein Dinner ohne festliche Abendgarderobe, schwarze oder dunkelblaue Anzüge sind im Business ein Muss. Ähnlich wie auf Malta, der anderen ehemaligen britischen Kolonie, die nun zur Europäischen Union gehört.

Eine einseitige Sicht auf die neuen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ist für gute Geschäftsbeziehungen also wenig förderlich. Besonders die baltischen Republiken Lettland, Estland und Litauen wollen nicht über einen Kamm geschoren werden, und die Slowaken haben die Vergleiche mit den Tschechen satt.

Geschäftsreisende, die solche Besonderheiten beachten, werden schnell positive Kontakte aufbauen, wobei zum Beispiel die Mittelstandsinitiative BusTEN mit Kooperationsbörsen, Brancheninformationen und Unternehmerreisen hilft. Als wichtigster Faktor erwies sich bei den bisher eingefädelten Kontakten, die neuen Partner als gleichberechtigt zu akzeptieren. Dazu gehört auch zu wissen, dass Slowenien das reichste neue Mitgliedsland der EU ist und genau wie Deutschland zu den Nettozahlern gehört. Slowenische Industrieprodukte, wie die Küchengeräte von "Gorenje", gehören zu den besten in Europa. Zeigen Sie ruhig einmal Anerkennung dafür!

Jürgen Schäfer

Der Autor: Jürgen Schäfer, Geschäftsführer Export und EG der Handwerkskammer Stuttgart, ist verantwortlicher Projektleiter von BusTEN, einer Initiative der Euro Info Centres (EIC). Anlässlich der EU-Erweiterung am 1. Mai 2004 hat sich das von der EU-Kommission geförderte Projekt zum Ziel gesetzt, kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) aus EU-Mitgliedsländern und den zehn Beitrittsländern bei der internationalen Markterschließung und grenzüberschreitenden Business-Kooperationen zu beraten. Weitere Infos unter: www.busten.com

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