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Widerrufsrecht und Unternehmerpflicht

"Mit Haustürverkäufern in einer Schublade"

Es sei schlecht für den Ruf und die Kundenbeziehung: Am Widerrufsrecht lässt Tischlermeister Jochen Quathamer kein gutes Haar. Anwenden muss er es dennoch – und hat dafür eine unbürokratische Lösung gefunden.

 „Das tut dem Handwerk nicht gut, dass wir auf einmal mit Haustürverkäufern und windigen Online-Händlern in eine Schublade gesteckt werden“, sagt Jochen Quathamer. Der Mitinhaber der Tischlerei Neuhaus in Oldenburg meint das geänderte Widerrufsrecht für Verbraucherverträge: Bei Verträgen, die außerhalb der eigenen Geschäftsräume abgeschlossen werden, drohen Widerruf und jede Menge Formularkram (wir berichteten). Es sei denn, dass eine der Ausnahmeregelungen greift.

Auf diese Weise will der Gesetzgeber die Verbraucher vor dubiosen Anbietern schützen. Doch dabei ist er über das Ziel hinausgeschossen, findet Jochen Quathamer. „Hier in der Region kennt jeder jeden. Wir haben einen Ruf zu verlieren. Da schwärmen wir doch nicht aus, um irgendwelche Verbraucher über den Tisch zu ziehen.“

Normalerweise können Privatkunden innerhalb von 14 Tagen und ohne Angabe von Gründen widerrufen. Vorausgesetzt, dass die Unternehmen sie vorher schriftlich über ihre Widerrufsrechte aufgeklärt haben. Falls die Betriebe das versäumen, erlischt das Widerrufsrecht erst nach 12 Monaten und 14 Tagen. Aufgrund des Widerrufs erhält der Verbraucher sein Geld zurück. Und der Handwerker? Wenn Jochen Quathamer zum Beispiel eine maßgefertigte Treppen eingebaut hat, bekommt er sie keineswegs zurück, weil sie „wesentlicher Bestandteil des Gebäudes“ geworden ist. Er hat also das Nachsehen.

Wie der Tischlermeister die Widerufsfalle umgeht, erfahren Sie auf Seite 2.

Keine Formulare, kein nachträglicher Ärger

Der Tischlermeister hat ein Seminar der Landesvereinigung Bauwirtschaft Niedersachsen zum Thema Widerrufsrecht besucht. Und daraus so seine Schlüsse gezogen. „Wir bekommen viele Anfragen per E-Mail“, erzählt er. Manche meldeten sich auf Empfehlung, manche auch blind. Quathamer vermeidet es, ihnen darauf direkt mit einem Angebot zu antworten. Dann käme nämlich ein Fernabsatzvertrag zustande, weil kein persönlicher Kontakt dazwischen lag. Bei Fernabsatzverträgen gilt wie bei außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Verträgen das Widerrufsrecht – inklusive der damit verbunden Aufklärungspflichten.

Stattdessen ruft Jochen Quathamer die Kunden an und vereinbart einen Termin bei ihnen vor Ort oder im Betrieb. Nach dem Termin lässt er einen Tag verstreichen. „Dann erstellen wir nach alter Schule ein schriftliches Angebot“. Dadurch ist er auf der sicheren Seite, das Widerrufsrecht greift nicht und er benötigt auch keine Formulare für die Widerrufsbelehrung.

Diese Formulare hält er für einen „völlig unnötigen Bürokratiewahnsinn“. Außerdem können sie aus seiner Sicht sogar ein Wettbewerbsnachteil sein: „Auch das Verhältnis zu den Kunden kann darunter leiden, wenn ich mit fünf Zetteln ankomme und sie erst einmal alles lesen und unterschreiben sollen. Da fragen die sich ja vielleicht auch: Was denkt dieser Handwerker eigentlich von mir?“

(afu)

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