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Recht

Müssen Kunden für Azubis zahlen?

21 Euro für den Auszubildenden – das will die Kundin nicht zahlen. Er hat nur rumgestanden, sagt sie. Der Lehrling war eine echte Hilfe, sagt sein Chef Dirk Tetzlaff. Wer hat denn nun recht?

  • Für Ausbildung müssen Kunden nicht zahlen. Anders sieht die Sache aus, wenn der Azubi produktiv mitarbeitet und zum Erfolg beiträgt.
  • Doch was bedeutet „produktiv“? Wenn ein Auszubildender zuschaut und nur gelegentlich Werkzeug reicht, hat er auf der Rechnung nichts zu suchen. Kann der Geselle oder Meister den Auftrag jedoch schneller erledigen, weil der Lehrling regelmäßig Material und Werkzeug anreicht, dann kann auch abgerechnet werden.
  • Und wieviel darf der Betrieb für die Azubi-Stunde berechnen? Weniger als für einen Gesellen: zwischen 45 und 75 Prozent vom Gesellenlohn, je nach Ausbildungsjahr.

Azubi-Stunden in der Kundenrechnung sorgen regelmäßig für Diskussionen: Darf ein Lehrling abgerechnet werden? Und was muss er dafür eigentlich tun?

Kundin will nicht zahlen? Betrieb verzichtet auf die Kundin!

Was tun, wenn ein Kunde für den Azubi nicht zahlen will? Dirk Tetzlaff hatte gerade so einen Fall – und entschied sich für eine radikale Lösung: „Ich verzichte auf das Geld. Und der Kundin habe ich gesagt, dass wir für sie nicht mehr arbeiten.“ Den Verlust kann der Heizungsbaumeister aus Lauenau verschmerzen, es ging um 21 Euro. Und auf solche Auftraggeber kann er auch verzichten: „Sie behauptete, der Lehrling habe nur eine Zange angereicht und zugeschaut.“

Das ärgert Tetzlaff – aus mehreren Gründen. Grund Nr. 1: „Das stimmt einfach nicht.“ Geselle und Azubi hatten gemeinsam nach einer undichten Stelle an ihrer Heizungsanlage gesucht. „Die Ursache hat der Azubi unter dem Kessel gefunden, eine lose Schelle.“ Nach einer halben Stunde war die Sache erledigt. Zweiter Grund: Sein Azubi ist im dritten Lehrjahr und erledigt vieles schon selbstständig. „Der Lehrling steht nicht nur rum und schaut zu, er ist eine echte Hilfe.“ Und drittens: Hätte der Azubi tatsächlich nur zugeschaut oder im Wagen gewartet, dann hätte der Geselle alleine gesucht und entsprechend länger gebraucht. „Von dem Einsatz des Azubis hat auch die Kundin profitiert. Aber das wollte sie nicht einsehen.“

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Wie wird ein Azubi abgerechnet?

Kein Einzelfall: „Muss ich für den Lehrling bezahlen?“, ist eine häufig gestellte Frage in allen möglichen Internetforen. Auch Daniel Hofmann von der Schlichtungsstelle der Handwerkskammer Hannover muss sie regelmäßig beantworten. „Dazu haben wir immer wieder Anrufe von Verbrauchern“, berichtet der Jurist.

Die Frage nach den Stundensätzen für Azubis sei relativ einfach zu beantworten, sagt Hofmann. Üblich sei ein prozentualer Anteil vom Stundenverrechnungssatz des Gesellen. Gestaffelt nach Ausbildungsjahren sind das:

  • bis zu 45 Prozent im ersten Lehrjahr,
  • bis zu 55 Prozent im zweiten Lehrjahr,
  • bis zu 65 Prozent im dritten Lehrjahr,
  • bis zu 75 Prozent im vierten Lehrjahr.

Diese Empfehlung beruhe auf einem Erlass des Bundeswirtschaftsministeriums von 1972. „Der Erlass hat zwar keine rechtsverbindliche Gültigkeit, doch Verbraucherzentralen und der Zentralverband des Deutschen Handwerks beziehen sich bis heute auf diese Werte“, sagt Hofmann.

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Wann darf ein Lehrling abgerechnet werden?

Entscheidend ist, ob ein Azubi produktiv mithilft und zum Erfolg beiträgt. Wenn ein Lehrling nur zu Ausbildungszwecken mitfährt, zusieht und gelegentlich Werkzeug anreicht, dann gehöre er nicht auf die Rechnung, sagt Hofmann. „Aber wenn er tatkräftig mitarbeitet und produktiv zum Erfolg der Arbeit beiträgt, darf er auch in der Rechnung erscheinen.“

Doch was bedeutet „tatkräftig“ und „produktiv“ genau? Ein Azubi, der immer wieder Werkzeug anreicht oder Material aus dem Auto holt, entlastet den Gesellen oder Meister auch. Aber gilt das schon als „produktiv“? Als „tatkräftige Mitarbeit“ zählt für Hofmann alles, was zum Erfolg beiträgt. „Das ist auch der Fall, wenn ein Auftrag mit Hilfe des Azubis schneller erledigt werden kann und das zu einer Zeitersparnis für den Kunden führt“.

Die Abgrenzung sei allerdings nicht immer einfach, weiß der Jurist: „Das muss man als Auftragnehmer im Einzelfall abwägen und entscheiden.“

Abrechnen oder nicht: Was rät der Jurist?

„Ich muss doch nicht für die Ausbildung bezahlen.“ So argumentieren Verbraucher häufig, wenn sie Daniel Hofmann in der Schlichtungsstelle anrufen. Seine Antwort: „Das ist richtig. Aber die vom Azubi geleistete Arbeit müssen Kunden schon bezahlen.“ Ausbildung sei auch ein wirtschaftlicher Faktor für den Betrieb wie für den Kunden. „Wenn Azubis gute Arbeit leisten und zur schnellen Abwicklung beitragen, muss das bezahlt werden.“ Dann gehören Auszubildende für Hofmann auch in die Rechnung: „Die Kunden müssen das wissen, auch aus Gründen der Transparenz.“

So sieht das auch Heizungsbauer Dirk Tetzlaff. Er wünscht sich auch etwas mehr Weitsicht von den Kunden. „Die Azubis von heute sind die Gesellen von morgen.“ Der Azubi kommt dann vielleicht beim nächsten Termin alleine, als Geselle. Kennt er eine Heizungsanlage dann schon durch seine Mitarbeit, profitiere der Kunde auch davon. „Daran sollten Kunden auch denken, bevor sie wegen ein paar Euro die Rechnung kürzen.“

Wie sind Ihre Erfahrungen mit Azubis auf der Rechnung? Schreiben Sie uns, wir freuen uns auf Ihre Kommentare!

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