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Per Selbstanzeige in die Katastrophe

Muss Uli Hoeneß wirklich in den Knast?

Es wird viel geredet über den Bayern-Manager und die Steuerhinterziehung. Auch wenn es kaum Fakten gibt. Der Fall Hoeneß ist vor allem eins: ein Lehrstück dafür, wie man eine Selbstanzeige versemmeln kann.

Nobody Knows the Trouble I've Seen - So weit muss es nicht kommen. Doch die Signale sind schon bedenklich.">

Auf Fotos wirkt der Mann angespannt. Andererseits: In der Öffentlichkeit wirkt Uli Hoeneß oft angespannt – einer, der ständig unter Dampf steht. So geht es vielen, die Verantwortung tragen. Sei es als Manager oder als Unternehmer – und Hoeneß ist beides. Als Unternehmer steht man immer irgendwie mit einem Bein vorm Sozialamt und mit dem anderen vorm Knast. Harz IV muss Hoeneß kaum fürchten, aber den Knast?

Andererseits: Gestresst auszusehen, ist noch keine Straftat. Die Unschuldsvermutung gilt für jeden – unabhängig von Promi-Status, Vermögen oder Farbe des Fan-Schals.

Zumal die Faktenlage im Fall Hoeneß eher dünn ist:

  • Gegen den Bayern-Manager wird lt. Spiegel wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt. Das hat die Staatsanwaltschaft München gegenüber den Medien bestätigt.

  • Hoeneß selbst wird vom Focus damit zitiert, er habe im Januar 2013 „eine Selbstanzeige eingereicht“.

  • Hoeneß soll bei einer Hausdurchsuchung im März kurzzeitig festgenommen und auf Kaution (5 Millionen Euro) wieder freigelassen worden sein, das berichtete die Süddeutsche Zeitung. Eine offizielle Bestätigung gibt es dafür nicht. Schon gar nicht von Uli Hoeneß.

  • Der Bayern-Manager hat sich laut Süddeutsche selbst eine Redesperre zum Thema verordnet: "Ich muss erst mit den Behörden meine Hausaufgaben machen."

Das ist wenig genug, wirft aber dennoch ein paar interessante Fragen auf: Warum Hausdurchsuchung? Warum bleibt das nicht anonym? Warum Kaution? Und wann droht wirklich Gefängnis?

Die Antworten gibt es auf der nächsten Seite.

Wieso hält das Finanzamt nicht dicht?

Steuerberater Dirk Witte war selbst Betriebsprüfer, bevor er die Seiten wechselte. Was hält er vom Fall Hoeneß?

Herr Witte, muss man als Steuersünder damit rechnen, dass eine Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung in der Öffentlichkeit landet?
Das ist sehr ungewöhnlich. Die Nachbarn oder gar die Medien bekommen von einer Selbstanzeige im Normalfall nichts mit, der Steuersünder bleibt sozusagen anonym. Dass es in diesem Fall anders gekommen ist, dürfte am Bekanntheitsgrad von Herrn Hoeneß und der großen Zahl der Beteiligten liegen.

Beim Finanzamt selbst wird kaum etwas durchgesickert sein. Das wäre überhaupt nicht im Sinne der Finanzbehörden. Die weitgehende Anonymität ist ja, neben der Straffreiheit, ein wichtiges Argument für Steuersünder und soll sie zur Selbstanzeige bewegen. Akzeptiert die Finanzverwaltung eine Selbstanzeige, dann bleibt das im Normalfall eine Sache zwischen ihr und dem Steuersünder: keine Ermittlungen, kein Prozess, also nichts, wodurch andere davon erfahren könnten.

Nächste Seite: Hausdurchsuchung – wozu das denn noch nach einer Selbstanzeige?

Wieso Hausdurchsuchung?

Was würde es bedeuten, falls es bei Herrn Hoeneß tatsächlich eine Hausdurchsuchung gegeben haben sollte?
Das wäre ein ein klarer Hinweis darauf, dass die Selbstanzeige aus Sicht des Finanzamtes nicht vollständig gewirkt hat. Eine Durchsuchung erfolgt nur, wenn die Beamten den begründeten Verdacht haben, dass mehr Steuern hinterzogen wurden, als in der Selbstanzeige angegeben wurde.

Das ist die große Krux bei jeder Selbstanzeige: Erfolgt sie rechtzeitig, aber nicht vollständig und widerspruchsfrei, dann setzt man als Steuersünder den Ermittlungsapparat erst in Gang. Falls Herr Hoeneß tatsächlich gesagt hat, er müsse nun erst einmal seine „Hausaufgaben mit den Behörden“ machen, dann klingt das zumindest so, als ob die Behörden mit den Angaben in der Selbstanzeige nicht zufrieden waren.

Könnte dahinter nicht auch ein ehrgeiziger Staatsanwalt oder ein Neider stecken?
Ganz ausschließen kann man das nie völlig. Doch die Steuerfahndung und die Staatsanwaltschaft haben in der Regel so viel zu tun, dass sie ohne einen begründeten Verdacht nicht aktiv werden. Und aus Sicht der Steuerfahndung muss es schon um eine ansehnliche Steuerschuld gehen, sonst überlässt sie den Fall den normalen Steuerprüfern. Also braucht ein ehrgeiziger Staatsanwalt oder ein Neider schon handfeste Gründe, damit sich die Steuerfahndung in Bewegung setzt.

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Wieso 5 Millionen Euro Kaution?

Was ist so schwierig daran, eine Selbstanzeige „vollständig und widerspruchsfrei“ abzugeben?
Das hängt natürlich davon ab, wann und wie Steuern hinterzogen wurden. Geht es nur um die Nacherklärung von nicht versteuerten Zinseinkünften auf einem Schweizer Bankkonto, dann dürfte das nicht schwierig sein. Dazu genügen die Zinsbescheinigungen des Schweizer Depots.

Schwieriger wird es, wenn die Zinseinkünfte selbst aus Kapitalvermögen stammen, dessen Herkunft man nicht nachweisen kann und das nicht versteuert wurde. Und je länger das schon geht, desto aufwendiger wird es.

Und was würde es bedeuten, falls Herr Hoeneß tatsächlich kurzfristig inhaftiert wurde und nur gegen Zahlung von 5 Millionen Euro Kaution rausgekommen wäre?
Das wäre ein klares Zeichen dafür, dass die Steuerfahndung von einer Steuerhinterziehung im siebenstelligen Bereich ausgeht – und da wird bestimmt nicht nur eine 1 vor der Million stehen.

Hinzu kommen dann noch normale Verfahrenskosten, Hinterziehungs- und Verzugszinsen und eventuell die Geldstrafe. Das kann den Betrag mehr als verdoppeln. Der Zweck einer Kaution in diesem Bereich ist es, die Zahlung der erwarteten Steuernachzahlung abzusichern.

Nächste Seite: Wann Knast droht und wie man sich selbst noch tiefer hineinredet!

Knast oder kein Knast?

Stichwort Haft: Wann droht eine Haftstrafe bei Steuerhinterziehung?
Das Strafmaß wurde 2011 deutlich verschärft. Geht es um mehr als eine Million Euro, dann gibt es immer eine Haftstrafe. Haftstrafen bis zu zwei Jahre können zur Bewährung ausgesetzt werden. Wie hoch das Strafmaß ausfällt und ob es Bewährung gibt, hängt aber noch von weiteren Faktoren ab: Zeigt der Täter Reue? Wirkt er mit oder blockiert er? Hat er die Steuern bewusst und willentlich oder fahrlässig hinterzogen?

Herr Hoeneß wird in den Medien damit zitiert, er habe ja Steuern zahlen wollen, aber anonym. Darum habe er bis zuletzt auf das Ende 2012 geplatzte Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz gehofft, das genau diese Anonymität garantiert hätte. Ist das eine gute Begründung, die sich auch für andere Steuersünder eignet?
Auf keinen Fall! Falls er das so gesagt hat, dürfte er sich damit keinen Gefallen getan haben. Wer so argumentiert, sagt damit nichts anderes als: „Ich wusste, dass es Steuerhinterziehung ist und habe bewusst weitergemacht in der Hoffnung, dass es gut ausgeht.“ Dann handelt es sich eindeutig um vorsätzliche Steuerhinterziehung und das dürfte das vorgegebene Strafmaß nicht mindern.

Das Interview führte Jörg Wiebking.

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