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Betriebsübernahme im Handwerk

Nachfolge? Auf keinen Fall!

Was ist bloß los mit den Kindern? Früher haben sie selbstverständlich den Betrieb der Eltern übernommen. Heute wollen das immer weniger. Warum eigentlich? Eine Handwerker-Tochter verrät ihre Gründe.

Diana Scholz* (20 Jahre) aus Niedersachsen ist in einer Handwerkerfamilie aufgewachsen. Seit zwei Generationen führt die Familie den SHK-Betrieb mit fünf Mitarbeitern. Scholz macht zurzeit eine Ausbildung im Medienbereich. Ein Gespräch über das Handwerk und sein Nachfolge-Problem.

Handwerk.com: Wollen Sie den Betrieb Ihrer Eltern übernehmen?
Scholz: Nein, definitiv nicht.

Warum nicht? Es ist kein Beruf, den ich ausüben möchte. Selbst wenn er es wäre, würde ich es nur ungern tun. Ich wäre für ewig nur das "Kind vom Chef" für die Angestellten. Meine Eltern würden wahrscheinlich immer mal wieder bei mir nach dem Rechten sehen und der Druck auf mich wäre sehr hoch. Immerhin wäre es nicht irgendein Betrieb, für den ich arbeite, sondern unser Familienbetrieb. Außerdem: Was ist, wenn es dann doch keinen Spaß mehr macht? Umschulen oder Arbeitsplatzwechsel sind zwar Optionen, aber in der Praxis kaum umsetzbar. Bei 45 Jahren Arbeitszeit ist mir das Risiko zu hoch.

Können Sie sich die Arbeit in einem Handwerksberuf generell vorstellen, oder ist das gar nicht Ihr Ding?
Ich mag das Handwerk, aber es wäre nichts, was ich mir auf Dauer vorstellen könnte. Mein berufliches Interesse geht mehr in die kaufmännische Richtung.

Schließen Sie eine Selbstständigkeit komplett aus oder wäre das aus heutiger Sicht irgendwann für Sie vorstellbar?
Ich kann mir nicht vorstellen, jemals selbstständig zu sein. So wie ich es erlebt habe, hat man nie Feierabend – Selbstständigkeit ist ein 24-Stunden-Job. Am Wochenende muss noch unbedingt dies und jenes erledigt werden, an Feiertagen ist man im Büro, anstatt bei seiner Familie. Selbst im Urlaub nimmt man Geschäftsgespräche entgegen. Das passiert natürlich auch, wenn man angestellt ist. Aber wenn man selbstständig ist, ist das quasi Dauerprogramm.

Hätten ihre Eltern sie nicht doch irgendwie überzeugen können? Lesen Sie Seite 2

Positiv: Zusammenhalt und handwerkliches Geschick

Trotzdem hat eine Handwerkerfamilie ja auch ihr Gutes. Was ist Ihnen am Familien- und Betriebsleben in guter Erinnerung geblieben? Der Zusammenhalt – in einem kleinen Familienbetrieb stehen sich alle viel näher als irgendwo anders. Der Chef arbeitet oft auch noch mal selber mit, trinkt was zusammen mit den Angestellten bei Geburtstagen oder Ähnlichem und das Berufsklima ist sehr freundlich.

Was konnten Sie durch Ihren handwerklichen Bezug, das andere Kinder in Ihrem Alter nicht konnten? Das hat sich schon im Werkunterricht bezahlt gemacht. Ich wusste, wie ich mit Werkzeugen und Maschinen umzugehen hatte oder wie man besser mit bestimmten Materialien hantiert. Die Jungs waren überfordert damit, dass ein Mädchen genauso gut oder sogar besser hämmern, sägen, feilen und bohren konnte wie sie. Das hat ihren Stolz verletzt.

Zu welchem Zeitpunkt war Ihnen klar, dass Sie den elterliche SHK-Betrieb nicht weiterführen wollen? Eigentlich schon immer. Als ich klein war, war es nie ein Traumberuf von mir, und als ich älter wurde, wurden mir die Risiken bewusst, also stand es nie wirklich zur Debatte. Es gab keinen Auslöser oder einen konkreten Moment, wo mir das bewusst wurde – es war einfach eine Feststellung die ich im Laufe der Jahre gemacht habe.

Was hätten Ihre Eltern denn anders machen müssen, um Sie doch noch umzustimmen? Gar nichts. Es kommt einfach nicht infrage.

Nächste Seite: Das rät Scholz Unternehmern – so können Sie Ihre Kinder vielleicht überzeugen.

"Zwingt Euren Kindern die Nachfolge nicht auf!"

Und wie stehen Ihre Eltern zu Ihrer Entscheidung gegen den Familienbetrieb? Die haben damit kein Problem. Sie wollen, dass ich glücklich bin, und wenn der Beruf eben nichts für mich ist, dann ist das in Ordnung.

Spielt Ihr Geschlecht eigentlich eine Rolle bei der Entscheidung gegen die Betriebsnachfolge? Eigentlich nicht. Ich habe jedoch ein paar Mal auf dem Bau ausgeholfen und gemerkt, dass ich als Frau irgendwie störe. Vor allem bei den Gesprächen war das auffällig: Während ein Geselle, der mich von Kindesbeinen auf kennt, keine Probleme hatte und weiterhin Frauenwitze machte, hat mich der Azubi nur seltsam angesehen. Und es war ihm offenbar unangenehm, dass ich auf die Witze eingegangen bin.

Was ist Ihre Botschaft an andere Chefs im Handwerk? Wie können sie schaffen, Ihre Kinder von der Nachfolge zu überzeugen? Versucht es nicht zu hart! Wer wird schon gerne zu etwas gedrängt? Zeigt euren Kindern ab und zu mal was, erklärt ein paar Abläufe im Betrieb: Versucht damit, ihr Interesse zu wecken. Wenn der Wille aber nicht da ist, dann lasst es gut sein und zwingt es ihnen nicht auf.

Es gibt einige Kinder, die wollen den elterlichen Betrieb nicht übernehmen, lernen etwas komplett anderes. Doch wenn es hart auf hart kommt, der Betrieb vor der Insolvenz steht oder Ähnliches, dann springen sie doch ein. Könnten Sie sich das aus Ihrer heutigen Sicht vorstellen? Nein. Ich habe nicht das nötige Know-how, um den Betrieb leiten zu können und würde die Situation vermutlich nur verschlimmern. Kurzzeitig würde ich zwar einspringen und mithilfe der Angestellten den Betrieb weiterführen. Aber ich glaube langfristig würde das nicht gut gehen.

 *Name von der Redaktion geändert
Das Gespräch führte Martina Jahn.

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