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So nutzen Sie das Widerrufsrecht für sich!

Nachträge besser im Griff

Schlechte Nachrichten für alle, die Ärger mit Nachträgen haben: Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz vor bösen Überraschungen. Doch Sie können das Risiko senken – und ausnahmsweise ist das Recht dabei auf Ihrer Seite!

Keine Zeit für die Unterschrift unter dem Nachtrag – doch wenn die Rechnung vorliegt, wollen Auftraggeber plötzlich alles ganz genau wissen und stellen jeden Posten infrage.

Wie können sich Handwerker dagegen wehren? Das haben wir zwei Juristen gefragt: die Rechtsanwältin Cornelia Höltkemeier von der Landesvereinigung Bauwirtschaft Niedersachsen und Rüdiger Hustedt, Vorsitzender der Niedersächsischen Bauschlichtungsstelle und Vorsitzender Richter am Landgericht Verden a.D.

Problem: Frühe Unterschriften schützen – aber nicht absolut!
Je genauer beide Seiten die Änderungen vorher schriftlich fixieren, desto weniger Diskussionen gibt es später. Ist nichts anderes vertraglich vereinbart, können theoretisch auch mündliche Absprachen genügen, sagt Höltkemeier. Doch die müsse der Handwerker im Streitfall beweisen können. „Wenn es keine Unterschrift gibt und der Kunde nicht bezahlt, hat man keine Rechtsgrundlage – dann ist man dazu verdammt, sich zu einigen.“

Doch selbst eine schriftliche Vereinbarung schützt nicht absolut, ergänzt Hustedt. „Vor Gericht nützen oft nicht einmal unterzeichnete Arbeitszettel: Da stellen die Auftraggeber plötzlich alles infrage, zweifeln die geleisteten Stunden an und sogar die Unterschriften.“

Das sei jedoch kein Grund, auf schriftliche Vereinbarungen zu verzichten, warnt der Jurist. „Je genauer der Nachtrag vorher schriftlich vereinbart wurde, desto leichter kann der Handwerker seine Forderungen auch vor Gericht durchsetzen.“

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Tipp: Mit dem Widerrufsrecht die eigene Position stärken!

Noch problematischer werden Nachträge ohne Unterschrift durch das neue Widerrufsrecht für Verbraucher. Privatleute können seit diesem Jahr von Verträgen, die außerhalb der Geschäftsräume des Auftragnehmers geschlossen wurden,  innerhalb von 14 Tagen zurücktreten – ohne Angabe von Gründen. Selbst dann, wenn die Leistungen innerhalb der Widerrufsfrist schon teilweise oder komplett erbracht wurden. Das Widerrufsrecht entfällt in diesem Fall nur dann, wenn der private Auftraggeber schriftlich bestätigt, dass er bei vollständiger Fertigstellung der Leistung innerhalb der Widerrufsfrist sein Widerrufsrecht verliert.  

 „Da muss man sich als Handwerker eigentlich vor jedem Nachtrag fragen, ob der noch durch den ursprünglichen Auftrag gedeckt ist“, warnt Höltkemeier. „Oder handelt es sich schon um einen neuen Auftrag, bei dem erneut über das Widerrufsrecht aufgeklärt werden muss?“

Genau das sei aber auch eine Chance für die Betriebe, betont die Expertin:  Wer den Nachtrag schriftlich vereinbart und mit der Widerrufsbelehrung kombiniert, schützt sich selbst. „So kann ein Betrieb gegenüber dem Kunden viel leichter begründen, dass die Änderungen schriftlich vereinbart werden müssen“, sagt die Juristin.

Und wenn der Auftraggeber will, dass der Handwerker vor Ablauf der Widerrufsfrist anfängt? Um späterem Streit komplett aus dem Weg zu gehen, sollte der Handwerker das nur tun, wenn ihm der Kunde folgende Erklärung schriftlich abgegeben hat:

  • Dass er über sein Widerrufsrecht informiert wurde.
  • Dass der Handwerker dennoch vor Ablauf der Frist mit der Arbeit beginnen soll.
  • Dass der Kunde im Falle eines Widerrufs den Wert bereits erbrachter Leistungen ersetzen wird und dass nach vollständig erbrachter Leistung innerhalb der Widerrufsfrist das Widerrufsrecht erlischt.

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Prozesse? Selten ohne Abstriche!

Doch selbst wenn nichts Schriftliches über den Nachtrag vorliegt, gehe ein Handwerker nicht automatisch leer aus, betont Hustedt. „Natürlich muss es ein Bauherr vergüten, wenn er sich während der Arbeiten überlegt, dass er fünf statt drei Steckdosen will. Darüber werden sich die Parteien nicht streiten. Meistens geht es um die Frage, wie die Leistung kalkuliert und abgerechnet wurde.“

Doch genau da werde es schwierig: Kann die ursprüngliche Kalkulation auch für zusätzliche Leistungen zugrunde gelegt werden? Falls nicht: Wie sind sind Material und Zeit dann abzurechnen?

Landet so ein Fall vor Gericht, kann ein Prozess Jahre dauern und endet oft mit einem Vergleich. Das Ergebnis hänge meist von der Kalkulation eines Sachverständigen ab, sagt Hustedt. Nur selten erhalten Handwerker in solchen Prozessen, was sie für den Nachtrag ursprünglich angesetzt hatten.

Schlichtung? Schneller zum Vergleich!
Und wie sieht die Alternative aus? „Wer einen Rechtsstreit vermeiden will, kann eine Einigung vor einer Schlichtungsstelle versuchen“, rät Höltkemeier. Die Schlichtung eigne sich vor allem, „wenn man Streit mit einem guten Kunden friedlich lösen will“.

Das bestätigt Hustedt: Eine Schlichtung setze voraus, dass beide Parteien Interesse an einer schnellen und einvernehmlichen Einigung haben. „In der Schlichtung müssen beide Seiten miteinander reden.“ Der Schlichter hilft dabei. Er prüft die erbrachte Leistung, vergleicht Leistungsbeschreibung und Kalkulation mit dem Nachtrag. Und versucht dann bei einem Ortstermin zu klären, wie Preisabweichungen zustande gekommen sind.

Im Vergleich zu einem Prozess sind die Kosten der Schlichtung gering. Doch vor allem geht es bei der Bauschlichtungsstelle alles sehr schnell. Nur etwa sechs Wochen könne es vom ersten Kontakt bis zur unterschriebenen Einigung dauern, berichtet Hustedt.

Kommt in der Schlichtung ein Vergleich zustande, so ist er bindend und vollstreckungsfähig. Und wenn sich die Parteien nicht einigen? „Dann steht ihnen immer noch der Rechtsweg offen“, betont Hustedt.


(jw)



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