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Die Flut und die Versicherungen

Naturgewalten: Ist auch Ihr Schutz verwässert?

Manche haben ihn, Handwerksunternehmer wie Steffen Baumann bekommen ihn nicht. Der Versicherungsschutz gegen Hochwasser und andere Naturgewalten ist ein Risikofaktor.

Purpurrot. Gefährlicher könnte die Lage nicht sein. Steffen Baumann weiß das. Und er hat sich mit den Konsequenzen abgefunden. Seit jeher hat der 35-Jährige keinen Versicherungsschutz gegen Überschwemmungen, obwohl er sich darum bemüht hat. „Wir bekommen keine Versicherung gegen Elementarschäden“, sagt der Zimmermeister. Seinen Versicherer schreckt der Standort des Betriebs ab. Baumanns Haus befindet sich an einer Schleuse. Das bedeutet höchstes Risiko, Gefahrenklasse 4. Auf der Landkarte mit den Naturgefahren springt die Gefahrenklasse 4 ins Auge: „Das ist der purpurrote Bereich.“ Ein Bereich, der den Unternehmer aus Schönebeck, Sachsen-Anhalt, jetzt teuer zu stehen kommt.

Mehr als einen Meter hoch reichte das Wasser in der Zimmerei, nachdem die Elbe über die Ufer getreten war. 90 Quadratmeter standen unter Wasser, Werkzeuge und Material soffen ab, der Fußboden brach unter dem Wasserdruck auf.

Kein Strom, kein Telefon. Baumann wirkt gefasst, wenn er schildert, wie hart es seinen kleinen Betrieb getroffen hat. Computer, Fax und Geschäftsunterlagen rettete er ins oberere Stockwerk. Per Handy hielt er einen Notbetrieb aufrecht. „Die Flut kostet uns mindestens 40 Prozent Umsatz“, sagt er. Dazu kommen die Schadenskosten, über 25 000 Euro, schätzt Baumann. Woher er das Geld nehmen soll, weiß er noch nicht.

Nächste Seite: Versicherungen werden vorsichtiger – und teurer.

Wer bekommt eine Police und wer nicht?

Das geht vielen Handwerksunternehmern so – aber nicht allen. „Die Lage ist dramatisch, das ganze Ausmaß der Katastrophe lässt sich noch nicht überblicken“, sagt Wolfgang Sandrock. Seit Tagen steht sein Telefon kaum noch still. Jetzt, da sich das Wasser in der Region langsam zurückzieht, machen sich der Leiter der Betriebsberatung der Handwerkskammer Magdeburg und andere Experten ein Bild vor Ort. Sie erfassen die Schäden in Betrieben und helfen bei der Schadensabwicklung. Sandrock rechnet damit, dass 200 Betriebe im Kammerbezirk betroffen sind, viele stark.

In wie vielen Fällen springt keine Versicherung ein? „Nach dem Orkan Kyrill im Jahr 2007 hat sich gezeigt, dass eine ganze Reihe Betriebe nicht gegen Elementarschäden versichert gewesen sind“, sagt Sandrock.

Daran hat sich offenbar wenig geändert. „Die Versicherungsunternehmen lehnen viele Anfragen ab. Das zeigt unsere Beratungspraxis“, berichtet eine Sprecherin des Bundes der Versicherten (BdV). Wer etwa schon einmal von einem Hochwasser betroffen war, habe kaum Aussicht auf eine Police gegen Elementarschäden.

Günter Heinrichs ist versichert. Und er kann heilfroh sein, dass das so ist. Ein halben Meter hoch stieg der Wasserspiegel in seiner Werkstatt in Barby. Kaum jemand in der Stadt hatte damit gerechnet, dass der Deich brechen würde. „Die Scheitel der Flutwellen von Elbe und Saale traten gleichzeitig auf, sonst wäre das nicht passiert“, sagt der Metallbaumeister. Von der Flut im Jahr 2002 sei die Stadt verschont geblieben. Als Heinrichs damals sah, was das Wasser vielerorts angerichtet hatte, überprüfte er seine alte Versicherungspolice. Sie beinhaltet von Anfang an den Schutz gegen Elementarschäden.

Die schlechte Nachricht: Die Versicherer werden jetzt vorsichtiger. Das zumindest erwartet der Bund der Versicherten (BdV). „Das Wasser ist dieses Jahr in Gegenden vorgedrungen, von denen niemand gedacht hätte, dass sie je überflutet werden“, sagt eine BdV-Sprecherin. Die Verbraucherschutzorganisation fordert, die Versicherungswirtschaft per Gesetz in die Pflicht zu nehmen. Sie soll jedes Gebäude gegen Hochwasser und andere Naturgewalten versichern müssen. „Eine Pflichtversicherung ist die einzige Möglichkeit, zu bezahlbaren Policen zu kommen – Voraussetzung ist ein großes Kollektiv.“ In Spanien und in der Schweiz etwa gibt es eine solche Pflichtversicherung.

Das gefährliche Spiel der Hauseigentümer – lesen Sie die nächste Seite.

Was tun bei Gefahrenklasse 4?

Die Versicherungsbranche hält eine Pflichtversicherung für unsinnig – und unnötig. „99 Prozent aller Gebäude sind ohne Weiteres gegen Elementarschäden versicherbar. Bei einem Großteil der restlichen Fälle ist eine individuelle Lösung möglich“, sagt Kathrin Jarosch vom Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GdV). Gebäude an Standorten mit hohem Risiko würden gegen Hochwasser versichert, wenn der Eigentümer bauliche Maßnahmen ergreife. Zum Beispiel, indem er in wasserdichte Türen und Fenster investiere.

Auch die Gefahrenklasse 4 bedeute nicht automatisch das „Ende der Versicherbarkeit“. Das Pupurrot markiert einen schwer kalkulierbaren Grenzbereich. Statistisch herrscht an solchen Standorten alle zehn Jahre einmal Land unter. Der Klimawandel drückt die Hochwasserwahrscheinlichkeit weiter nach oben. „Unsere Unternehmen können nur Risiken versichern, für die sie am Ende auch bezahlen können“, stellt die GdV-Sprecherin klar.

Und noch etwas stellt sie klar. Dass viele Hochwasseropfer jetzt wieder auf Spenden und staatliche Unterstützung angewiesen sind, liege vor allem am fehlenden Risikobewusstsein, sagt sie. „Zahlreiche Häuser, die überschwemmt worden sind, fallen in die Gefahrklasse 1 oder 2. Die Hauseigentümer haben keine Versicherung abgeschlossen, obgleich sie problemlos eine bekämen.“ Nur ein Drittel aller Haushalte in Deutschland habe eine Police gegen Elementarschäden.

Die Prämien steigen, aber: "Das ist es mir wert." Lesen Sie die nächste Seite.

Die Versicherungsgebühren steigen

Auch Heinrichs und seine drei Mitarbeiter retteten, was zu retten war. Maschinen und Geräte stellten sie auf Werkbänke, Service-Fahrzeuge parkten sie in einer Burgruine. Und als Heinrichs seine Katze noch aus Barby herausholen durfte – die Stadt wurde von den Behörden gesperrt –, klemmte er sich unter den anderen Arm seinen Computer. Im Betrieb seines Schwagers richtete er sich ein provisorisches Büro ein.

„Wir sind nicht so schlimm betroffen wie produzierende Betriebe, wir arbeiten in erster Linie vor Ort beim Kunden“, erklärt der 56-jährige Unternehmer. Vor längerer Zeit schon hat er den Metalltreppenbau zurückgefahren und sich auf die Montage und Wartung von Treppenliften spezialisiert. Auch wenn der Produktionsausfall ihn nicht so schwer belastet – das Hochwasser fordert hohen Tribut. Den Schaden an Werkstatt, Maschinen und Material veranschlagt Heinrichs auf „20 000 bis 30 000 Euro“.

Er geht davon aus, dass die Versicherung zahlt. Die Gebühr für die Police sei in den vergangenen Jahren zwar immer wieder erhöht worden. Aber „das ist es mir wert“, betont er.

Alte Policen: Die Flut teilt das Handwerk in Ost und West - lesen Sie die nächste Seite.

Ein Umzug kommt nicht in Frage

Ob ein Betrieb gegen Elementarschäden versichert ist oder nicht, ist nicht nur eine Farbfrage. Die Flutkatastrophe teilt das Land versicherungswirtschaftlich auch in Ost und West. Grund: In der DDR war es üblich, dass Hochwasserschäden von der Gebäudeschutz- und Hausratversicherung abgedeckt wurden. Diese alten Policen wurden nach der Wende übernommen und sind zu einem Großteil bis heute gültig.

Der Magdeburger Betriebsberater Wolfang Sandrock rät Handwerkern, die eine Police gegen Elementarschäden haben, mit der Versicherung so schnell wie möglich Kontakt aufzunehmen. Vor manchen Reparaturarbeiten empfehle es sich, Rücksprache zu halten. „Die Versicherungen verfahren teils unterschiedlich,“ berichtet der Experte. Bei größeren Schäden müsse in jedem Fall ein Sachverständiger hinzugezogen werden. Wichtig sei es, alle Schäden zu dokumentieren – am besten per Foto.

Steffen Baumann würde immer noch gerne eine Versicherungspolice abschließen. „Bezahlbar müsste sie natürlich sein“, sagt er. Zum zweiten Mal stemmt er sich gegen die Folgen einer Katastrophe. Auch 2002 drang das Wasser in sein Haus. „Der Schaden war damals nicht so groß.“ Sechs Wochen wird es dauern, bis in seinem Betrieb wieder alles so ist, wie es war, kalkuliert er. Mit seinem Betrieb umzuziehen, an einen weniger gefährdeten Standort, kann er sich nicht vorstellen. „Das Haus steht hier seit 1909.“ Denkt man nach so einer Katastrophe auch mal daran aufzugeben? „Unser Betrieb hat sich gut entwickelt. Wir sind massiv betroffen, aber es geht wieder bergauf.“

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(mfi)

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