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Inhaltsverzeichnis

Steuern

Steuerhinterziehung verjährt jetzt erst nach 30 Jahren

Die strafrechtliche Verjährungsfrist für Steuerhinterziehung steigt in schweren Fällen – auf maximal 30 Jahre. Treffen kann das auch Handwerksbetriebe.

Auf einen Blick:

  • Der Gesetzgeber hat die strafrechtliche Verjährungsfrist für Steuerhinterziehung deutlich erhöht. Betroffene sind schwere Fälle von Steuerbetrug. Bei ihnen steigt die absolute Verjährung auf 25 bis 30 Jahre, je nach Schwere des Falls.
  • Das Verlängerung gilt für alle schweren Fälle. Auch Umsatzsteuerhinterziehung durch Belegfälschungen oder gemeinsam organisierte Schwarzarbeit fallen darunter.
  • An den Aufbewahrungsfristen für Steuerunterlagen ändert sich deswegen jedoch nichts.

Am Montag haben Bundestag und Bundesrat das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz beschlossen. Dieses Gesetz erlaubt nicht nur die zeitweilige Senkung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte, sondern es erhöht zugleich die strafrechtliche Verjährungsfrist bei schwerer Steuerhinterziehung deutlich.

Mit der Corona-Hilfe hat das allerdings nichts zu tun. Die Verlängerung begründet das Bundesfinanzministerium damit, „die laufenden Steuerstrafverfahren mit Bezug zu Cum-Ex-Gestaltungen rechtlich abzusichern“. Gemeint sind damit jene Aktiengeschäfte, bei denen Banken und Investoren Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch alleine mit dem Ziel gehandelt haben, sich vom Fiskus Kapitalertragssteuern erstatten zu lassen, ohne vorher selbst diese Steuer gezahlt zu haben.

Wie funktioniert die strafrechtliche Verjährung bei Steuerstraftaten?

Erwischt der Fiskus einen Steuerzahler bei Steuerhinterziehung, so hat das zwei mögliche Konsequenzen:

  • Steuerrecht: Der Steuerzahler muss die Steuern nachzahlen, zuzüglich von derzeit 6 Prozent Zinsen pro Jahr.
  • Strafrecht: Grundsätzlich gilt Steuerhinterziehung als Straftat, die je nach Ausmaß des Steuerbetrugs mit einer Geldstrafe oder einer Haftstrafe geahndet wird.

Steuer- und Strafrecht haben dabei unterschiedliche Verjährungsregeln:

  • Steuerlich beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Steuerzahler die unrichtige Steuererklärung abgegeben hat. Gibt er keine Steuererklärung ab, so beginnt die Verjährung drei Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres der Steuerentstehung.
  • Strafrechtlich beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre, in besonders schweren Fällen sind es zehn. Allerdings konnten die Justizbehörden diese Fristen bisher schon quasi verdoppeln – durch sogenannte Unterbrechungshandlungen, zum Beispiel durch Durchsuchungs- oder Beschlagnahmeanordnungen. Nach jeder Unterbrechung beginnt die Frist von vorne. Die Obergrenze für diese absolute Verjährung liegt bei 10 Jahren – und in schweren Fällen lag sie bisher bei 20 Jahren.

Was ändert sich bei den Verjährungsfristen 2020?

Geändert hat der Gesetzgeber nur die absolute Verjährung für schwere Steuerstraftaten, von 20 auf 25 Jahre. Um weitere fünf Jahre auf insgesamt 30 Jahre kann sie steigen, wenn ein Fall von Steuerhinterziehung mit einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren von einem Landgericht zugelassen wird.

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Wen betrifft die Erhöhung der Verjährungsfrist für Steuerhinterziehung?

Nach Einschätzung von Rechtsanwältin Barbara Bischoff gilt die Gesetzesänderung nicht nur für Cum-Ex-Verfahren, sondern „für alle Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung“. Nur bei weniger schweren Fällen bleibe es bei der normalen Verjährungsfrist von fünf Jahren und damit bei einer absoluten Verjährung nach spätestens zehn Jahren, sagt die Fachanwältin für Strafrecht von der Kanzlei Minoggio Wirtschafts- und Steuerstrafrecht in Münster.

Was gilt als schwere Steuerhinterziehung im Handwerk?

Der § 370 Abgabenordnung nennt mehrere Tatbestände der schwerer Steuerhinterziehung, die folglich unter die verlängerte Verjährungsfrist fallen. Drei von ihnen könnten im Einzelfall auch Handwerker betreffen:

  • Hinterziehung im großem Ausmaß: Als besonders schwere Fälle gelten laut Bischoff sämtliche Steuerhinterziehungen „mit einem Hinterziehungsbetrag von mehr als 50.000 Euro pro Jahr und pro Steuerart“. Die Hinterziehungsbeträge der einzelnen Steuerarten würden dabei nicht addiert, um die Grenze zu erreichen. „Daher wird schwere Steuerhinterziehung bei kleinen und mittleren Handwerksbetrieben sicherlich die Ausnahme bleiben“, sagt die Juristin.
  • Belegfälschung: Auch die fortgesetzte Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege mit dem Ziel der Steuerverkürzung zählt als schwerer Fall. „Das kann zum Beispiel ein Unternehmer sein, der regelmäßig die Rechnungssummen auf Eingangsrechnungen ändert und zum Beispiel aus 100 Euro 1.000 Euro macht“, erläutert die Juristin. In solchen Fällen spiele die Schadenshöhe keine Rolle.
  • Bandenmäßige Steuerhinterziehung: Wer als Mitglied einer Bande fortgesetzt Umsatzsteuerbetrug begeht, macht sich ebenfalls der schweren Steuerhinterziehung schuldig. „Eine Bande fängt in der Rechtsprechung bei drei Personen an“, warnt Bischoff. „Dazu genügen schon der Chef, sein Prokurist und der Polier, wenn sie gemeinsam agieren, um Umsatzsteuer zu hinterziehen, zum Beispiel durch Verschleierung von Schwarzarbeit durch Scheinrechnungen.“

Müssen Betriebe nach der Corona-Krise mit längerer Strafverfolgung rechnen?

Die Verlängerung der Verjährungsfrist wurde als Teil des Zweite Corona-Steuerhilfegesetzes beschlossen. Müssen deshalb Betriebe, die in der Corona-Krise zu Unrecht Steuervorteile wie Stundung und Erstattung in Anspruch genommen haben, nun 25 oder 30 Jahre Angst vor Strafverfolgung haben? „Diese Gefahr besteht nicht, dafür sind die Beträge nicht hoch genug“, sagt Barbara Bischoff. Allenfalls könne es sich um leichtere Fälle handeln, für die weiter eine Frist von fünf Jahren gilt.

Ändert sich dadurch etwas bei den Aufbewahrungsfristen?

Die steuerrechtlichen Aufbewahrungsfristen, die ja in der Regel bei zehn Jahren liegen, bleiben unverändert. Bischoff wundert das nicht: Die Aufbewahrungsfristen spielten im Steuerstrafrecht keine große Rolle.

Das liege nicht daran, dass die Unterlagen nicht hilfreich wären, sondern an den praktische Erfahrungen der Strafbehörden: „Nicht jeder denkt daran, Unterlagen nach Ablauf der gesetzlichen Frist zu vernichten oder die Dateien zu löschen. Das passiert viel seltener, als man es erwarten dürfte“, berichtet die Juristin. Bei Durchsuchungen stießen die Fahnder oft auf Unterlagen vieler Jahre, für die längst keine Aufbewahrungspflicht mehr bestehe.

Zudem gehe es bei der Verlängerung der Verjährungsfrist darum, dass die Strafverfolgungsbehörden an die „verfahrenstechnisch schwierigen Fälle“ herankommen und keine Verjährung bei „wenigen, extrem langen Verfahren“ drohe.

Könnten Betriebsprüfer die längere Verjährungsfrist als Drohkulisse nutzen?

Steuerberater berichten regelmäßig davon, dass Betriebsprüfer beim Abschlussgespräch Betriebsinhabern mit Strafanzeige drohen, falls diese sich nicht auf die Forderungen des Finanzamtes einlassen. Das sei gelebte Praxis bestätigt auch Strafrechtlerin Barbara Bischoff. Tatsächlich seien die Prüfer sogar dazu verpflichtet, Steuerhinterziehung anzuzeigen, doch praktisch nutzten sie dies als Drohkulisse, um ihre Vorstellungen durchzusetzen.

Allerdings bezweifelt Bischoff, ob die Prüfer nun noch mehr Druck auf der Basis der verlängerten Verjährungsfrist aufbauen könnten. Falls doch, müsse „man als Betroffener oder als Steuerberater natürlich das strafrechtliche Risiko richtig einschätzen“, um gegenzuhalten.

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