Auf einen Blick:
- Cobots können standardisierte Aufgaben in Handwerksbetrieben übernehmen und so Fachkräften Zeit für andere Aufgaben verschaffen. Bezahlbare, umsetzungsreife Lösungen, die sich rechnen, sind jetzt am Markt verfügbar.
- Bei der Entwicklung von Ideen unterstützen Kammern und Projekte. Bei der Finanzierung können Förderprogramme helfen.
- Ob sich die Investition lohnt, hängt vom Einsatzszenario ab. Aber nicht nur: Neben den Produktivitätsvorteilen zahlt die Technik auch auf die Attraktivität des Betriebs bei Kunden, Mitarbeitenden und Azubis ein.
In Zeiten des Fachkräftemangels sind Lösungen gefragt, die Produktivitätssteigerungen erlauben und dem Team den Rücken für andere Aufgaben freihalten. Zum Beispiel kollaborative Roboter, sogenannte Cobots. Im Vergleich zu Industrierobotern sind diese Leichtbau-Roboter günstiger, kleiner und flexibler einsetzbar – und sie arbeiten gemeinsam mit dem Menschen, ohne ihn zu ersetzen.
Welche Einsatzmöglichkeiten es für Cobots im Handwerk gibt, weiß Uwe Brehl, auf Digitalisierung spezialisierter BIT-Berater der Handwerkskammer Hannover.
Herr Brehl, warum sollten sich Handwerker jetzt mit dem Einsatz von Cobots beschäftigen?
Uwe Brehl: Handwerker interessieren sich für bezahlbare, umsetzungsreife Lösungen, die sich rechnen, weil sie den Betrieb beim Fachkräftemangel entlasten. Diese Lösungen sind jetzt am Markt und sie sind bezahlbar. Die Zeit ist reif.
Könnten Cobots Fachkräfte im Handwerk ersetzen?
Brehl: Auf keinen Fall. Ein Cobot arbeitet gemeinsam mit dem Menschen und ersetzt ihn nicht. Beim Einsatz von Cobots ist der Mensch immer noch erforderlich und steuert den Prozess.
Einsatzszenarien für Cobots im Handwerk
Welche Einsatzmöglichkeiten sehen Sie im Handwerk?
Brehl: Cobots können im Handwerk alle Aufgaben übernehmen, die sich ständig wiederholen und standardisierbar sind. Das gilt insbesondere für monotone und auch gesundheitsschädliche Aufgaben.
In einer Bäckerei zum Beispiel werden den ganzen Tag Zutaten abgemessen und gerührt. Das kann ein Cobot genauer als der Mensch. Er kann auch Teig portionieren und Dinge in den Ofen schieben und entnehmen. Maler und Lackierer müssen auch viel abmessen, rühren, mixen - das kann ebenfalls ein Cobot übernehmen oder auch Oberflächen polieren.
In einer Tischlerei könnte er Schleifarbeiten übernehmen. Je nachdem, mit was für einem Greifarm ich den Cobot bestücke, kann er bohren, schleifen, fräsen, schrauben, reinigen, polieren, leimen, rühren, palettieren, schweißen … Mit einer Kamera ausgestattet, könnte er auch die Qualität kontrollieren.
In Süddeutschland gibt es eine Schreinerei, die mit einem Cobot in die Kleinserienproduktion eingestiegen ist. Dazu hat sie ihre Produkte standardisiert. So können neue oder erweiterte Geschäftsmodelle entstehen. Zum Beispiel, indem man einen Online-Konfigurator für standardisierte Produkte baut und den Kunden sein Produkt so selbst konfigurieren lässt. Der Konfigurator übergibt dann die Daten an Cobot und CNC-Maschine, der Cobot übernimmt Teile der Arbeit und gibt sie weiter.
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Wie finde ich Einsatzmöglichkeiten für einen Cobot in meinem Betrieb?
Brehl: Bei der Entwicklung von Einsatzszenarien können zum Beispiel die BIT-Berater der Handwerkskammern helfen. Die Berater wissen schon, wo was läuft und wo man sich das vielleicht anschauen kann.
Es gibt aber auch verschiedene Initiativen, die dabei unterstützen. In der Region Hannover zum Beispiel gibt es das Modellprojekt Troia der Robokind Stiftung. In dem Projekt geht es um den Einsatz von Cobots. Azubis werden dort zu Roboscouts qualifiziert und können gemeinsam mit Facharbeitern aus ihren Betrieben Ideen entwickeln, wie sich Cobots im eigenen Unternehmen sinnvoll einsetzen lassen. Das Projekt hat den Vorteil, dass man dort erst einmal einen Cobot ausprobieren kann und ihn nicht gleich anschaffen muss. Und man kann mit Experten ein Anwendungsszenario entwickeln.
Ansonsten kann sich auch der Besuch von Fachmessen lohnen. Gerade war zum Beispiel die EMO, da ging es um Metallbau und Robotik. Bei den Herstellern ist aber noch viel Luft nach oben. Die haben gerade Ladehemmungen, Anwendungsszenarien für das Handwerk zu entwickeln. Aber sobald die da sind, werden auch mehr Handwerksbetriebe auf diesen Trend aufspringen.
Brauchen Betriebe Programmierkenntnisse für den Cobot-Einsatz?
Brehl: Wer sein Smartphone bedienen kann, der kann auch fast schon einen Cobot bedienen. Das geht alles über Low Code, also über kleine Icons, mit denen man dem Cobot Anweisungen gibt und durchgeführte Bewegungsabläufe speichert.
Kosten für einen Cobot: 40.000 Euro alles inklusive
Warum sollten Betriebe jetzt schon in Cobots investieren? Wäre es nicht sinnvoller, auf Lösungen der Industrie zu warten?
Brehl: Ich sehe da jetzt schon ein riesiges Potenzial im Handwerk, das sollten wir nutzen. Es geht um die Zukunftsfähigkeit der Betriebe. Cobots sind eine Antwort auf den Fachkräftemangel, weil sie die Produktivität erhöhen. Zugleich steigern Betriebe ihre Attraktivität als Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb. Sie schaffen auch neue Wachstumschancen, wenn ich zum Beispiel mit ihrer Hilfe standardisierte Produkte herstellen und weltweit vertreiben kann. Und nicht zuletzt sichern sie so auch Arbeitsplätze. Wenn wir die Technologie nicht nutzen, verlieren wir den Wettbewerb mit der Industrie und dem Niedriglohnsektor.
Mit welchen Investitionskosten für einen Cobot müssen Handwerker rechnen?
Brehl: Cobots von Anbietern wie Universal, Kuka, Franka Emika oder Agile kosten ab 20.000 bis 25.000 Euro. Dazu kommt ein Greifarm für das geplante Einsatzgebiet. Im Augenblick macht eine Formel die Runde, dass man den Anschaffungspreis des Cobots mit zwei multiplizieren muss. Das ist dann der Gesamtpreis inklusive Cobot, Greifarm, Software und Integrationskosten. Wir sprechen also von rund 40.000 Euro.
Man sollte aber prüfen, welche Förderprogramme des Bundes oder des Bundeslandes man nutzen kann. Das Bundesprogramm „digital jetzt“ gewährt zum Beispiel Zuschüsse von bis zu 50.000 Euro, da muss man den Antrag aber bis Ende 2023 stellen. Auch in den Bundesländern gibt es Förderprogramme. In Niedersachsen ist zum Beispiel eine Neuauflage vom Digitalbonus für 2024 geplant. Aber letztlich ist das eine Maschine und die kann man auch ganz normal über die Bank finanzieren.
Wie schnell amortisiert sich so eine Investition?
Brehl: Das hängt vom Einsatzszenario und vom Auslastungsgrad ab. Aber das sollte man nicht nur kostentechnisch betrachten. So ein Cobot strahlt auch auf Kunden und Mitarbeiter aus. Wenn dadurch neue Aufträge reinkommen und die Krankenstände sinken, spielt das auch eine Rolle.
Strategische Entscheidung: „Das passt nicht zu jedem Betrieb“
Wenn es nicht nur um die Amortisation geht: Wovon sollten Betriebe die Anschaffung eines Cobots dann abhängig machen?
Brehl: Die wichtigste Frage ist, ob sie ein sinnvolles Anwendungsszenario finden. Und welchen Mehrwert der Einsatz bietet: Welche wertvollen Aufgaben können Mitarbeiter übernehmen, wenn sie nicht mehr mit den Arbeiten beschäftigt sind, die der Cobot übernimmt? Man sollte sich auch fragen, ob man die eigenen Mitarbeiter davon begeistern kann oder ob es Akzeptanzprobleme geben wird. Vor allem aber ist die Anschaffung eines Cobots eine strategische Entscheidung, das ist Arbeit am Geschäftsmodell. Das setzt Veränderungsbereitschaft und strategisches Denken voraus. Das passt nicht zu jedem Betrieb.
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