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Foto: handwerk.com

Hörgeräteversorgung

Profitgier ohne Pardon

Wenn HNO-Ärzte am Verkauf von Hörgeräten mitverdienen wollen, ist manchen fast jedes Mittel recht.

Auch nach Einführung des Antikorruptions-Paragrafen wollen viele Mediziner vom Verkauf von Hörgeräten profitieren. Nachdem der mit den Kassen abrechenbare Direktvertrieb über Arztpraxen zum 31. März 2009 abgeschafft wurde, bieten sie ihren Patienten auf dem sogenannten neuen verkürzten Versorgungsweg weiter Hörgeräte an.

Geschickte Formulierung

Der Vorwurf von Experten: Die Hals-Nasen-Ohren-Ärzte suggerieren den Hörgeschädigten, ihre Krankenkasse würde die Hörgeräteversorgung nicht bezuschussen. Entsprechende Verträge aus diesem Jahr liegen der handwerk.com-Redaktion vor. Darin lautet eine Patienteninformation wörtlich: "Ihre gesetzliche Krankenversicherung hat leider derzeit keinen Vertrag über eine Versorgung mit Hörgeräten auf dem verkürzten Versorgungsweg geschlossen. Eine Kostenerstattung/ Kostenbeteiligung wird durch Ihre gesetzliche Krankenkasse derzeit abgelehnt.“

Dina Michels, Chefermittlerin der KKH-Allianz in Hannover sagt: "Das ist ganz geschickt formuliert. Der Patient geht davon aus, dass das alles seine Richtigkeit hat." Doch das hat es nicht: Die Krankenkasse zahle sehr wohl einen beträchtlichen Zuschuss, allerdings nur dann, wenn der Patient den Weg über einen Hörgeräteakustiker wählt. Und das hat gute Gründe. "Die HNO-Ärzte sind oft überfordert, denn ihnen fehlen die nötigen technischen Kenntnisse", betont Michels.

Als Beispiel nennt sie die Nachsorge: Die Ärzte könnten Nachjustierungen nicht einfach vornehmen. Für eilige Reparaturen wie das Auswechseln des Hörschlauches könne der Patient zudem nicht auf einen Termin bei seinem Arzt warten. Hörgeräteakustikermeister Tim Isermann aus Westerstede ärgert: "Ein Hörgeräteakustiker muss seine sachliche und fachliche Eignung durch Meisterprüfung und zukünftig durch Präqualifizierung unter Beweis stellen, ein HNO-Arzt nicht."

Was der Vorsitzende des Deutschen Berufsverbandes der HNO-Ärzte dazu sagt, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Kein Einzelfall

Nach Einschätzung von Experten ist der neue verkürzte Versorgungsweg gang und gäbe. Allein in Bremen seien 20 von 27 HNO-Ärzten diesen Weg gegangen. In einer Anzeige in einem regionalen Anzeigenblatt, das die Redaktion eingesehen hat, wirbt gar der Vorsitzende des Deutschen Berufsverbandes der HNO-Ärzte Dirk Heinrich dafür. Dass viele HNO-Ärzte den verkürzten Versorgungsweg ihren Patienten unter Vorspiegelung falscher Tatsachen nahelegen würden, weist er auf Nachfrage von handwerk.com von sich:

Sein Verband habe "immer wieder angeregt, neue Versorgungsformen in der Hörgeräteversorgung zuzulassen". Jedoch habe er "sich von rechtlich unzulässigen Vorgehensweisen stets distanziert." Dass es zu Verstößen gekommen sein mag, schließt Heinrich dennoch nicht aus: "Ob und in welcher Weise in Einzelfällen HNO-Ärzte gegen gesetzliche oder berufsrechtliche Regelungen im Zusammenhang mit der Hörgeräteversorgung verstoßen, kann vom Berufsverband nicht beurteilt werden.“

Es gibt noch eine weitere Methode des Mitverdienens. Welche, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Beteiligungen an Hörgeräteakustikergeschäften

Der Direktvertrieb von Hörgeräten scheint nicht die einzige Masche der HNO-Ärzte zu sein. Weil Musterprozesse gezeigt haben, dass sich Mediziner nicht selbst an Akustikergeschäften beteiligen dürfen, geben manche ihre Beteiligungen an Treuhänder ab – und profitieren trotzdem. Ein beispielhafter Handelsregisterauszug liegt handwerk.com vor. Nach Expertenangaben gibt es derzeit deutschlandweit rund 150 Fälle dieser Art.

Beide Phänomene – der neue verkürzte Versorgungsweg ebenso wie die indirekten Beteiligungen an Akustikergeschäften – schaden den Gesundheitshandwerkern. "Das merkt man massiv", bekräftigt Unternehmer Isermann. Doch was tun? "Die Ärztekammern müssen dafür sorgen, dass die Berufsordnung für Ärzte eingehalten wird, die Staatsanwaltschaften sollten in diesen Fällen Handlungsbedarf erkennen und die Patienten juristisch gegen die Ärzte vorgehen, also zum Beispiel den Vertrag anfechten", fordert Michels.

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