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Sozialversichert oder nicht?

Risiken in der Pflichtversicherung

Manche sind pflichtversichert in der Sozialversicherung und haben keinen Anspruch auf Leistungen. Manche sind es nicht und müssen später vom Arbeitgeber teuer nachversichert werden. Wie kann das passieren?

von Jörg Wiebking

Petra Meyn ist sozialversichert, das ist ihr wichtig. Meyn arbeitet im Steinmetzbetrieb ihres Mannes in Uelzen mit – eine Branche, in der Mitarbeiter im Winter regelmäßig wegen schlechter Witterung nicht arbeiten können. „Wenn ich nicht sozialversichert wäre, hätte ich dann keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.“

Petra Meyns Sozialversicherungsbeiträge sind jedoch kein Garant für Leistungen. „Das muss man unbedingt überprüfen lassen, sonst zahlt man jahrelang Beiträge. Aber wenn man die Versicherung braucht, heißt es plötzlich: Pech gehabt. Sie sind gar nicht versicherungspflichtig und haben keinen Leistungsanspruch.“

Risiken für angestellte Angehörige und Gesellschafter
„Das kommt gar nicht so selten vor“, bestätigt Martin Schafhausen, Fachanwalt für Sozialrecht. Dabei gehe das für die betroffenen Arbeitnehmer meist glimpflich aus: Falls die Krankenversicherung schon Leistungen erbracht hat, wird sie diese regelmäßig nicht zurückfordern. Zudem erstatten Arbeitslosen- und Rentenversicherung Beiträge für vier Jahre. Schafhausen: „Da jeder Betrieb mindestens alle vier Jahre von der Rentenversicherung überprüft wird, kann da nicht viel passieren.“ Die Bundesagentur für Arbeit gewährt aber in solchen Fällen keine Leistungen.

Risiken für den Unternehmer
Doch das sei nicht das einzige Problem: „Eine viel größere Gefahr droht Unternehmern, die fälschlicherweise Mitarbeiter nicht pflichtversichert haben“, warnt der Jurist. Denn die Betriebsprüfer fordern dann Nachzahlungen, ebenfalls für bis zu vier Jahre. „Das kann richtig teuer werden und kleineren Betrieben sogar das Genick brechen.“

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Sind Sie Mitarbeiter oder Mitunternehmer?

Auf diese Fragen haben die meisten Menschen eine spontane Antwort:  „Was ist das denn für eine Frage? Ich bin ganz klar …“.

Ob die Rentenversicherung das auch so einschätzt, ist aber eine ganz andere Frage. Und davon hängt ab, ob Sie zu Recht sozialversichert sind – oder zu Unrecht vielleicht nicht versichert sind.

Grundsätzlich haben sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer zwar einen Arbeitsvertrag, sind weisungsgebunden und in den Betrieb eingegliedert. Aber das alleine reicht nicht immer, weiß Rechtsanwalt Martin Schafhausen.

Hier drei Beispiele.

Mitarbeitende Ehefrau:
Arbeitet sie wirklich wie im Vertrag vorgesehen mit, hat klare Aufgaben, ist weisungsgebunden und bekommt regelmäßig Gehalt? Oder erhält sie gelegentlich auch Sonderzahlungen, aus Sicht der Rentenversicherung also eine Art Gewinnausschüttung? Hat sie vielleicht einen Kreditvertrag mitunterschrieben oder eine Bürgschaft? „All das können Indizien dafür sein, dass die Ehefrau eher eine Mit-Unternehmerin ist, und dann wäre sie nicht versicherungspflichtig.“

Mitarbeitender Senior-Chef:
Er hat den Betrieb auf den Sohn übertragen. Jetzt ist er offiziell in Teilzeit angestellt, berät den Sohn und betreut noch ein paar ausgewählte Kunden. Ist er damit wirklich ein versicherungspflichtiger Angestellter? Oder hat er vielleicht noch einen Teil des Kaufpreises als Darlehen im Betrieb stehen? Hat er bei wichtigen Entscheidungen immer noch das letzte Wort? Dann könnte er vielleicht auch als Mit-Unternehmer gelten. „Es kommt immer auf das Gesamtbild an, dafür ist die Statusprüfung wichtig“, betont Schafhausen.

Geschäftsführender Gesellschafter:
„Bei mitarbeitenden Gesellschaftern, zum Beispiel einem geschäftsführenden Gesellschafter, achtet die Rentenversicherung ganz besonders auf die Quote“, berichtet der Jurist. Die Quote: Wie hoch ist der Anteil und damit der Einfluss, den der Gesellschafter im Unternehmen hat? „Als Mehrheitsgesellschafter ist man raus aus der Sozialversicherungspflicht, als Minderheitsgesellschafter ist man drin. Aber wenn man eine Sperrminorität hält, ist man doch wieder raus.“

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Fehler bei der Sozialversicherung – wie kann das passieren?

Eigentlich sollte die Sozialversicherungspflicht kein Thema sein. Genau dafür gibt es ja das „obligatorische Statusfeststellungsverfahren“ der Rentenversicherung. Sie entscheidet am Ende der Statusprüfung, wer sozialversicherungspflichtig ist – und wer nicht.

Die Statusprüfung sollte automatisch eingeleitet werden: Sobald ein Ehegatte des Arbeitgebers vom Betrieb als Arbeitnehmer gemeldet wird, müsste die Rentenversicherung die Statusprüfung durchführen. Das gilt ebenso für Lebenspartner, Kinder oder Enkel des Arbeitgebers, aber auch wenn eine GmbH einen Gesellschafter zum Geschäftsführer ernennt.

In all diesen Fällen informiert die Krankenkasse die Rentenversicherung. Die Rentenversicherung schickt einen Fragebogen an den Betrieb und entscheidet dann bindend, ob Versicherungspflicht besteht oder nicht.

Probleme entstehen nur dann, wenn die „obligatorische“ Statusprüfung ausfällt. Dafür kann es viele Gründe geben, berichtet Schafhausen:

1. Fehlerquelle: Fehler bei der Anmeldung
Immer wieder vergessen Lohnbuchhaltung oder Lohnbüro bei der Anmeldung eines Arbeitnehmers, das Häkchen an der richtigen Stelle. Also für „Lebenspartner des Arbeitgebers“ oder „Gesellschafter-Geschäftsführer“ zu machen. Wie soll die Rentenversicherung dann wissen, dass es sich um einen Ehegatten oder den Gesellschafter handelt? Kein Häkchen – keine Prüfung. Schafhausen: „Diese Statusprüfungen sind für die Rentenversicherung ein Masseverfahren, da wird nicht auf Namensgleichheit geschaut und einzeln nachgefragt.“

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2. Fehlerquelle: Gar nicht erst angemeldet

Umgekehrt erscheint es Unternehmern häufig nicht notwendig, einen Angehörigen oder einen Geschäftsführer überhaupt anzumelden. Weil zum Beispiel der Ehegatte nur sporadisch mitarbeitet und auch kein richtiges Gehalt bekommt. Oder, weil sich der geschäftsführende Gesellschafter als Unternehmer betrachtet und nicht als Angestellten. Das kann im Einzelfall richtig sein, doch entscheidend ist, was die Rentenversicherung davon hält. Die erfährt davon jedoch erst in der Betriebsprüfung.

3. Fehlerquelle: Veränderungen ohne erneute Prüfung
Selbst wenn Betroffene die Statusprüfung hinter sich haben, sind damit die Risiken nicht völlig vom Tisch. „Das Ergebnis der Statusprüfung ist nur solange verbindlich, wie sich im Arbeitsverhältnis nichts ändert“, betont Schafhausen. Doch was passiert, wenn die Ehegattin nach der Statusprüfung immer mehr Aufgaben im Betrieb übernimmt und plötzlich doch zur Arbeitnehmerin wird? Oder, wenn die GmbH neue Gesellschafter aufnimmt und der Geschäftsführer plötzlich nur noch Minderheitsgesellschafter ist?

4. Fehlerquelle: Sonderfall Subunternehmer
Auch für Subunternehmer gibt es keine automatische Überprüfung. Stellt sich ein Subunternehmer allerdings als Scheinselbstständiger heraus, dann wird der Auftraggeber zum Chef. Er trägt dann das volle Risiko und haftet für die aufgelaufenen Sozialabgaben.

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Risiken minimieren - durch freiwillige Prüfung


„Unternehmer und Arbeitnehmer können jederzeit ein freiwilliges Statusfeststellungsverfahren beantragen“, sagt Schafhausen. Der Jurist empfiehlt die freiwillige Überprüfung durch die Rentenversicherung,

  • wenn ein mitarbeitender Angehöriger oder Gesellschafter noch nie eine Statusprüfung hatte,
  • wenn sich seit der letzten Prüfung etwas im Arbeitsverhältnis oder Gesellschafterkreis geändert hat,
  • wenn ein Subunternehmer überwiegend nur für einen Auftraggeber tätig ist.

Aber ist das für den Unternehmer nicht riskant? „Das ist keine Gefahr, sondern ein Vorteil“, betont Schafhausen. „Das Risiko ist viel größer, wenn ein Betriebsprüfer nach vier Jahren die Versicherungspflicht feststellt und dann die volle Nachzahlung fordert.“



Und wie sieht das aus Arbeitnehmersicht aus? Auch Unternehmerfrau Petra Meyn rät allen Kolleginnen zur freiwilligen Statusprüfung: „Das darf man nicht einfach auf sich zukommen lassen, sonst zahlt man jahrelang ein und steht plötzlich ohne Vorsorge da.“




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