Fachkräftemangel in Holland
Andere Menschen würden darüber jubeln, für Tom Maring ist es ein Problem. #8222;In
Holland ist die Arbeitslosigkeit ziemlich niedrig, so um die drei Prozent",
sagt Maring, Manager der niederländischen Zeitarbeitsfirma #8222;In Person".
Europaweit suchen Maring und seine Kollegen nach qualifizierten
Arbeitskräften für ihr Land, die Fachkraft vom Bau #8222; steht ganz oben auf ihrer
Liste. In Sachsen wurden sie fündig. Damit nicht genug: Das sächsische
Landesarbeitsamt und das Berufsförderungswerk des Baugewerbes unterstützen
die grenzüberschreitende Arbeitsvermittlung.
Sachsen nutzen die Chance
Zu Marings Freude sind #8222;Sachsen mobil und noch dazu bereit, sich von ihrer
Heimat zu verabschieden". Ja, das sei wohl so, bestätigt Klaus Bertram,
Hauptgeschäftsführer des sächsischen Baugewerbeverbandes, doch dahinter
stecke ein bitterer Grund: #8222;Die Arbeitslosigkeit unter westdeutschen
Bauarbeitern erreicht - trotz der gesamtdeutschen Krise am Bau #8211; noch lange
nicht die Dimension Ostdeutschlands. In Baden-Württemberg herrscht doch
praktisch Vollbeschäftigung." Weil in der DDR zudem als #8222;asozial" galt, wer
keine Arbeit hatte, sei die Arbeitslosigkeit für viele Menschen in den neuen
Ländern mit einem großen persönlichen Makel behaftet als in Westdeutschland.
Anderes Arbeitsklima
Zu den Bauarbeitern, die von der Arbeitsmarktlage in ihrem Bundesland
#8222;eindeutig die Nase voll" hatten, gehört der Zimmermann Thomas Büchler. In
Zwickau hatte er sich "beworben, beworben und nochmal beworben". Gebracht hat
es ihm nichts, "mal abgesehen von den Portokosten". Im vergangenen Herbst kam
dem 45-Jährigen zu Ohren, dass die Ausbildungszentren des
Berufsförderungswerks arbeitslose Handwerker in sechswöchigen Kursen auf ein
neues Arbeitsleben in Holland vorbereiten. "Jetzt lebe ich schon seit
Dezember in der Provinz Zeeland", grinst Büchler, "so lange wollte ich
eigentlich gar nicht bleiben." Dass er sich so wohl fühle, liege an der
Mentalität der Holländer, das Arbeitsklima auf den Baustellen sei wesentlich
ruhiger und stressfreier als in Deutschland: "Da steht kein Polier hinter
dir, der dich gleich anbrüllt, wenn's mal nicht so läuft oder ein Termin
nicht eingehalten werden kann."
Kurse helfen bei der Vorbereitung
Von der Sprache über die Bauweise bis zu den Werkzeugen #8211; die ersten
Facharbeiter aus Sachsen, die noch völlig unvorbereitet ihr Glück in Holland
versucht hatten, mussten feststellen, dass es nicht nur
Mentalitätsunterschiede zwischen den Nachbarländern gibt. #8222;Die waren schnell
wieder zu Hause", erinnert sich Heinz Hammer, Leiter des Ausbildungszentrums
in Glauchau. In Abstimmung mit den holländischen Zeitarbeitsfirmen hat Hammer
daher ein Ausbildungskonzept entwickelt, das aus drei Elementen besteht:
Landeskunde, Bautheorieu nd ein Crashkurs in Holländisch. Bis zum Jahresende
werden insgesamt knapp 400 Teilnehmer das Holland-Zertifikat der sächsischen
Ausbildungszentren in ihren Händen halten. Die Vermittlungsquote: 90 Prozent.
Holländer sind stärker spezialisiert
Ein deutscher Maurer, sagt Hammer, werde in der Breite des Handwerks
ausgebildet, die Holländer hingegen seien spezialisiert. Selbst für das
Verklinkern von Mauern gebe es ein eigenes Berufsbild: #8222;Das lernen die Leute
in der Ausbildung und machen ihr ganzes Leben nichts anderes mehr." Die
Produktivität auf höllandischen Baustellen sei dadurch #8222;unheimlich hoch".
Deutsche Maurer könnten 500 bis 600 Klinker am Tag vermauern: #8222;Die Holländer
bringen es auf 800 bis 1000 Steine."
Leben im Bungalow
Dass Thomas Büchler vom Zeitarbeitsunternehmen Bouwflex #8222;in einem Bungalow
direkt an der Nordsee" untergebracht wurde, ist nicht weiter ungewöhnlich.
Die meisten der sächsischen Bauarbeiter leben in holländischen Ferienanlagen.
Das sei zwar ganz schön, sagt Büchler, überbewerten dürfe man es nicht: #8222;Von
Montag bis Samstag gehe ich in aller Frühe aus dem Haus und komme spät am
Abend wieder heim. Zeit zum Erholen bleibt da kaum."
Vergleichbare Löhne
Bleibt die entscheidende Frage: Wie wirkt sich der Auslandseinsatz auf die
Reisekasse der mobilen Sachsen aus? #8222;Wir zahlen nach holländischem Tarif, das
ist mit deutschen Löhnen vergleichbar", sagt Zeitarbeitsmanager Tom Maring.
"Aber auch nur", ergänzt Büchler, #8222;weil die Abzüge in Holländ nicht so hoch
sind." Sein Verdienst bewege sich knapp über 22 Gulden brutto. Und das sei
schon die Ausnahme: "Die meisten liegen um die 20 Gulden, einige sogar
darunter."
"Ewig kann das nicht so weitergehen"
An jedem dritten Wochenende fährt Büchler die 800 Kilometer zurück nach
Zwickau. Zurück zu Frau und Tochter, zurück ins Eigenheim, zurück in eine
Stadt, in der sich ein Leben aufgebaut hat, das er vermisst:. Büchlers Fazit:
"Ewig kann das nicht so weitergehen."