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Wenn der Teufel im Teppich steckt

Schadstoffe: Wenn der Teufel im Teppich steckt

Schadstoffe in Arbeits- oder Wohnräumen können schwerwiegende Erkrankungen auslösen. Der Schutz der Gesundheit ist nicht der einzige Aspekt für Handwerksbetriebe, der für eine Kooperation mit Experten für Raumluftschadstoffe spricht – auch gerichtliche Auseinandersetzungen können so vermieden werden.

Moderne Arbeitsplätze, angenehme Umgebung der Umzug in den Neubau am Stadtrand von Osnabrück sollte sich positiv auf die Motivation der Mitarbeiter auswirken. Optimistisch stieß der Geschäftsführer des Call-Centers mit seinen Leuten auf Zukunft an. Das Klirren der Sektgläser war kaum verhallt, da gab es die ersten Probleme. Irritiert stellte der Geschäftsführer fest, dass gleich fünf seiner 30 Telefonistinnen über "seltsame Hautausschläge" klagten, er selbst litt unter Asthmaanfällen. Die Krankschreibungen häuften sich. Das konnte kein Zufall sein, oder? Eine Innenraumluftmessung bestätigte seinen Verdacht. Der Teufel steckte im Linoleum-Boden. Und er hatte einen Namen: Aldehyd.

Rafael Grella, Chef von Chemie amp; Umwelt in Hannover, konnte den Manager und seine Mitarbeiter beruhigen. Als Gegenmittel genügte einfaches Lüften, nach acht Wochen war der Spuk vorüber. Hintergrund: Linoleum muss ausreichend abgelagert werden, bevor es verlegt wird und genau das war nicht passiert.

Klare Aussagen verhindern Panik

Seit 1987 "ermitteln und bewerten" Grella und seine Kollegen Schadstoffe in Innenräumen. Das Credo des Diplom-Chemikers: "Wir wollen keine Panik schüren, sondern mit klaren Aussagen den Menschen die Angst nehmen und ihre Fragen beantworten." Wie sind die Konzentrationen der Schadstoffe? Und wie gefährlich sind die eigentlich? Gibt es Sanierungsbedarf? Ist das eine vorübergehende Belastung oder werden dauerhaft Schadstoffe freigesetzt?

"Das Vertrauen in Angebote aus dem Baumarkt ist viel zu groß", meint Grella. Die Problematik: Für zahlreiche Stoffe, die in neu entwickelten Bauprodukten verwendet werden, gibt es kaum Bewertungskritierien. Vorsorglich sollten Bauherren auf Stoffe, die "bestimmte Freisetzungspotenziale" aufweisen, einfach verzichten: "Es gibt immer Alternativen. Wenn wir in fünf oder zehn Jahren feststellen, dass Produkte bedenklich sind, dann ist es zu spät."

Kooperation als Optimalfall

Die Kooperation zwischen Experten für Raumluftmessungen und Handwerkern sieht Grella als "Optimalfall für alle Beteiligten". Einzige Bedingung: Die "ökologische Baubegleitung" muss bereits in der Frühphase von Sanierungs- und Bauvorhaben einsetzen. "Der Handwerker guckt sich die Wohnung, die er renovieren will, ja erst einmal an. Noch während er sich seine Notizen macht, könnten wir unsere Runden drehen, Vermutungen äußern, Kontaminationen von vornherein vermeiden." Der Stundensatz eines Ortstermins von Chemie amp; Umwelt: 120 Mark. Für ein "kleines Haus oder eine Wohnung" veranschlagen die Chemiker zwischen eineinhalb und zwei Stunden.

Der Schutz der Gesundheit ist für Grella aber nicht der einzige Aspekt, der für eine Zusammenarbeit spricht. In gerichtlichen Auseinandersetzungen müssten Handwerker allzu oft so naheliegende wie unangenehme Fragen beantworten. Ein Beispiel: Wieso hast Du als Fachbetrieb nicht beachtet, dass im Fussboden asbesthaltige Bitumenkleber benutzt wurden? Grellas Angebot: "Wir können den Betrieben helfen, solche Situationen zu vermeiden. Fachinstitute wie Chemie und Umwelt gibt es in jeder Region in Deutschland."

Weitere Informationen zu diesem Thema:

www.chemie-umwelt.de

Markt entdecken und wecken

Bundesweit einmalig: Im Umweltzentrum der Handwerkskammer Trier können sich Handwerker zum "Fachberater für ökologisches Bauen und Wohnen" weiterbilden.

"Die Betriebe schützen sich selbst, wenn sie sensibilisiert und informiert sind. Die Teilnehmer werden von uns so ausgebildet, dass sie Verdachtsmomente erkennen", sagt Christoph Lanken, der im Umweltzentrum für die Bereiche Energie und ökologisches Bauen zuständig ist. Die Kosten des Lehrgangs: 3000 Mark. Die Dauer: berufsbegleitend 240 Stunden zweimal wöchentlich von 18 - 21 Uhr.

Doch zahlt sich die Investition an Zeit und Geld überhaupt aus? "Es gibt keinen Markt, der nach einem ruft. Man muss die Nische entdecken und wecken", sagt Martin Merkel, der im Bereich "Holz- und Bautenschutz" zwei Mitarbeiter beschäftigt und zu den ersten Absolventen des Lehrgangs gehört. Seit einem halben Jahr darf er sich mit dem Zertifikat des Umweltzentrums schmücken. Bedarf sieht Merkel vor allem bei Altbausanierungen. Probleme mit Holzschutzmitteln würden abflachen, dagegen seien "die Schimmelpilze im Kommen".

"Wer irgendwie saniert, geht Risiken ein", warnt Merkel, "da ist breites Wissen gefragt ein bisschen Chemie, ein bisschen Architektur und viel Erfahrung." Der wichtigste Arbeitsschritt sei die Begehung. Wie alt ist das Gebäude? Was könnte an Material eingesetzt worden sein? Und: Gibt es überhaupt einen Grund für eine Raumluftmessung, kann man das Geld nicht lieber sparen? Letztlich sei Sanierung und der Umgang mit Schadstoffen eine Sache der Erfahrung. Merkel: "Oft reichen fünf Minuten, in denen man sich ein Gebäude ansieht, dann weiß man schon ungefähr, wo es hakt."

Weitere Informationen gibt es beim Saar-Lor-Lux-Umweltzentrum der Handwerkskammer Trier unter Telefon (0651) 207-235.

Internet: www.hwk-trier.de

Schadstoffe und Nebenwirkungen

Die Liste der Nebenwirkungen von Schadstoffen, die in der Luft von Wohn- und Arbeitsräumen zu finden sind, ist lang.

Um nur einige Beispiele zu nennen: Kopfschmerzen und Übelkeit, Antriebsschwäche und Depressionen, Allergien und Hautreizungen, Leberschäden und Krebs.

Die häufigsten Schadstoffe

Formaldehyd wurde in Klebern für Spanplatten und Sperrholz verwendet. Die Ausgasung kann sich über einen Zeitraum von 20 Jahren hinziehen.

Lösemittel in Lacken, Lasuren und Klebern. In der Trocknungsphase stehen Handwerker in direktem Kontakt mit den Problemstoffen.

Holzschutzmittel enthielten bis zur Mitte der 80er Jahre hohe Anteile an PCP und Lindan.

Pyrethroide werden als Insektengift benutzt. Besonders Wollteppiche aus dem Ausland können hohe Konzentrationen aufweisen.

Schimmelpilze sind auf auf dem Vormarsch. Der Grund: Wärmeisolierende und lärmhemmende Baumaßnahmen verhindern eine kontinuierliche Frischluftzufuhr, die Luftfeuchtigkeit steigt.

Hausstaubmilben können für Allergiker problematisch sein.

Asbest ist trotz des Krebsrisikos noch immer im Wohnbereich zu finden.

Künstliche Mineralfasern sind als Asbestersatz zwar weit verbreitet, aber nicht unumstritten. Dass sie ungefährlich sind, ist bis heute nicht bewiesen.

Polychlorierte Biphenyle (PCB) sind als Weichmacher in Kunststoffen und Fugenabdichtungen weit verbreitet. Ihre Beständigkeit macht sie zum Problem, denn die Ausgasung kann Jahrzehnte dauern. Heute ist es verboten, PCB-Produkte einzusetzen.

Institute für Raumluftmessungen

Bundesweit haben sich zahlreiche Institute auf Raumluftmessungen und die ökologische Baubegleitung spezialisiert. Eine Übersicht über die Experten und Laboratorien in Niedersachsen gibt Annette Hasler, Umweltberaterin im Zentrum für Umweltschutz der Handwerkskammer Hannover, unter der Rufnummer (0511) 348 59 95 oder der Mail-Adresse hasler@hwk-hannover.de.

Die Adressen der Fachinstitute in Sachsen-Anhalt kennt Tanja Constabel vom Verband Deutscher Untersuchungslaboratorien. Die Telefonnummer: (05 11) 8 50 52 44.

Weitere Kontakte im gesamten Bundesgebiet vermittelt die Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute. Telefon: (0 50 44) 9 75 75.

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