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Wenn das Leiden chronisch wird

Schmerz lass nach

Ob im Kopf, Rücken, Bauch oder Bein: Schmerzen, die nicht weggehen oder ständig wiederkehren, sind zermürbend und eine Qual. Wie sie entstehen und wer den Betroffenen hilft, erfahren Sie hier.

Von Matthias Karst

Es gibt kaum etwas Schlimmeres als starke Schmerzen. Am liebsten würden wir sie ganz aus unserem Leben verbannen, wenn wir nur könnten. Aber das wäre zu kurz gedacht. Denken Sie nur einmal daran, was passieren würde, wenn wir keinen Schmerz empfinden könnten: Wir würden uns ständig stoßen, verletzen, stechen oder verbrennen. Schmerzen halten uns also davon ab, Dinge zu tun, die unserem Körper schaden, oder sie zeigen uns, dass im Körper etwas nicht in Ordnung ist und wir uns darum kümmern müssen. Sie warnen und beschützen uns vor Schlimmerem.

Wann gilt der Schmerz als chronisch?
Doch was ist mit chronischen Schmerzen, die uns mürbe machen und unser ganzes Leben beeinträchtigen? Ein Schmerz gilt als chronisch, wenn er länger als drei bis sechs Monate besteht. Er tritt als kontinuierliches oder regelmäßig wiederkehrendes Syndrom auf und kann selbst zur Krankheit werden. Meistens treten chronische Schmerzen als Kopfschmerzen, Schulter- und Nackenschmerzen, Rücken- und Gelenkschmerzen auf. Heute verstehen Mediziner chronische Schmerzen als eigenständige Erkrankung, die mit tiefgreifenden Veränderungen im Nervensystem einhergeht und mit Auswirkungen auf körperliche, seelische und zwischenmenschliche Bereiche verbunden ist.

Das Schmerzgedächtnis
Signale, die permanent von den Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren) an das Zentralnervensystem gemeldet werden, können dazu führen, dass das Nervengewebe im Rückenmark und im Gehirn empfindlicher wird. Es entwickelt sich ein sogenanntes Schmerzgedächtnis. Es kann sogar so weit kommen, dass nur wenige oder gar keine Informationen im Rückenmark ankommen müssen, damit von dort aus große Datenmengen an das Gehirn geschickt werden, aus denen das Schmerzempfinden entsteht. Hier zeigt sich, wie wichtig es ist, durch frühzeitige effektive Behandlung von Schmerzen ein Schmerzgedächtnis erst gar nicht entstehen zu lassen.

Wo Sie als Betroffene/r Hilfe bekommen, erfahren Sie auf Seite 2.

Wer hilft bei chronischen Schmerzen?

Wenn Sie länger als drei Monate unter Schmerzen leiden, sollten Sie sich zu einem Schmerztherapeuten überweisen lassen. Der Schmerzspezialist wird nicht alles selbst behandeln können, aber er kann mit Ihnen zusammen die richtigen Weichen stellen und ein individuell ausgerichtetes Therapieprogramm in die Wege leiten.

Schmerztherapeuten oder Schmerzmediziner sind Ärzte, die zusätzlich zu ihrem Facharzttitel die Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ tragen, die 1996 eingeführt wurde. Man findet sie niedergelassen in eigener Praxis oder in Schmerzambulanzen an Krankenhäusern. Auch für Psychotherapeuten wurde eine Zusatzqualifikation – die „Spezielle Schmerzpsychotherapie“ – eingeführt. Die Therapeuten müssen dafür an einer zweijährigen Weiterbildung teilnehmen. Die dort vermittelten Methoden zielen darauf ab, die Denk- und Verhaltensmuster der Patienten so zu verändern, dass sie die Schmerzen besser ausblenden können und weniger intensiv empfinden.

Was bringt Ihnen der Aufenthalt in einer Schmerzklinik? Lesen Sie weiter auf Seite 3.

Stationäre und teilstationäre Behandlung

In einer Schmerzklinik werden Patienten mit besonders schwer zu beeinflussenden Schmerzen behandelt. Manche Kliniken weisen auch bestimmte Schwerpunkte auf, wie zum Beispiel die Diagnostik und Therapie von Migräne, Kopf- und Gesichtsschmerzen. Ein Vorteil der stationären Behandlung ist, dass Sie als Patient durch den Abstand von Ihrem privaten und beruflichen Umfeld eine Entlastung erleben können. Zudem ist es in einer Klinik oft einfacher, die Medikation zu verändern. Stationäre Schmerzbehandlungen können auch in Rehakliniken stattfinden, dann zumeist in Kliniken mit psychosomatischem oder orthopädischem Schwerpunkt.

Schmerz-Tageskliniken stellen ein Bindeglied zwischen Schmerzambulanz und Schmerzklinik dar. Ihr Angebot richtet sich an Schmerzpatienten, die mobil sind und in räumlicher Nähe zur Tagesklinik wohnen. Die Patienten halten sich tagsüber in der Klinik auf und kehren abends in das häusliche Umfeld zurück. Die Behandlung erfolgt in festen Gruppen mit etwa acht Personen über einen Zeitraum von vier Wochen. Im Gegensatz zu einer stationären Behandlung in einer Schmerzklinik können Sie das neu Erlernte gleich zu Hause erproben.

Adressen von Ärzten und Psychotherapeuten mit schmerzmedizinischer Schwerpunktsetzung kann Ihnen Ihr Hausarzt vermitteln. Oder Sie finden sie im Internet unter:

www.kbv.de/html/arztsuche.php
www.dgpsf.de/listedertherapeuten.html
www.igps-schmerz.de

Prof. Dr. med. Matthias Karst – der Autor dieses Artikels – studierte Medizin an der Universität Tübingen und an der Lousiana State University (USA). Von 1992 bis 2002 war der Facharzt für Anästhesiologie Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Medizinischen Hochschule Hannover im Zentrum Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, von 2002 bis 2008 Hochschuldozent für Spezielle Schmerztherapie. Seit 2007 ist er Leiter der Schmerzambulanz der Medizinischen Hochschule Hannover. Von Matthias Karst ist gerade „Das Schmerz-Buch“ erschienen, das wir Ihnen auf der folgenden Seite vorstellen.

Auf der nächsten Seite folgt noch ein Buchtipp zum Thema.

Buchtipp: Chronische Schmerzen überwinden

Schmerz – bohrend, stechend, hämmernd, drückend und fast immer unerträglich. Für Millionen Menschen ist er ständig präsent. Egal, ob im Kopf, im Rücken, in den Gelenken oder Nerven – Schmerzen treiben die Betroffenen in die Verzweiflung und schränken ihr Leben ein. Doch Hilfe ist möglich! Professor Matthias Karst zeigt in seinem „Schmerz-Buch“, dass man Schmerzen mit geeigneten Therapien gut behandeln kann. Betroffene lernen, mit diesem Ratgeber den Schmerz zu verstehen, und sind anschließend fähig, aktiv gegen ihre Probleme anzugehen – neue Wege zu wagen. Hierbei gilt die Multimodale Schmerztherapie als die effektivste Behandlungsform chronischer Schmerzen. Sowohl körperliche Ursachen wie Verletzungen, altersbedingter Verschleiß oder Fehlbelastungen am Arbeitsplatz, als auch psychische Faktoren wie Konflikte in der Familie oder im Beruf werden gleichermaßen berücksichtigt. Diese fachübergreifende Behandlung durch spezialisierte Ärzte und Therapeuten hilft Patienten mit chronischen Schmerzen, ihr Leiden zu lindern und ihre Lebensqualität zu steigern. (afu)

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