Auf dem Zweirad richtig wohl fühlen:
Fahrrad Mountainbike
Ein kleiner Kasten, eine knappe Minute, ein klares Ergebnis: So muss die Rahmengröße gewählt, müssen Sattel und Lenker abgestimmt werden, damit Kerstin Utermark auf ihrem neuen Fahrrad perfekt sitzt. Die junge Mutter ist auf der Suche nach einem alltagstauglichen Tourenrad für jede Gelegenheit. Das will sie hier im Braunschweiger Fahrradfachgeschäft Velocity finden.
Jedes Beratungsgespräch bei Velocity beginnt am CRM-Body Scanner. Mit diesem Gerät vermessen die Mitarbeiter ihre Kunden, damit jedes Rad perfekt zu seinem Fahrer passt. Der Scanner steht im Schauraum des Fachgeschäfts, umsäumt von Trekkingfahrrädern, City-Cruisern und E-Bikes.
Heute Vormittag bedient ihn Kundenberaterin Manuela Ahrens. Sie steht am Bedienpult und erklärt ihrer Kundin die Maschine. Zur Vermessung stellt sich Kerstin Utermark gerade an eine senkrechte Aluleiste. Gegenüber von ihr steht ein hoher Glaskasten. In dem fährt die kleine Scannereinheit auf und ab. Sie vermisst jeden Kunden vom Scheitel bis zur Sohle – einmal von vorn und einmal von hinten.
Als Ergebnis erscheint ein 3D-Modell des künftigen Neuradbesitzers auf einem Flatscreen-Fernseher. Die wichtigsten Messpunkte sind farbig markiert. Sie bilden die Kerndaten für die individuelle Einstellung des Fahrrads. Erst dann folgt die eigentliche Beratung.
Tausende Kunden haben die Zweiradspezialisten des Braunschweiger Fahrradfachgeschäfts Velocity schon mit dem Body Scanner vermessen. Seit fünf Jahren schreiben sie sich die professionelle Beratung auf die Fahnen.
Für die Geschäftsführer Dirk Oldekamp und Karl Gerdes hat sich das Konzept ausgezahlt. 40 Mitarbeiter hat das Unternehmen jetzt, davon drei Auszubildende im Verkauf und sechs in der Werkstatt. Die Strategie mit der Ergonomie ging auf – und leicht gefunden war die Geschäftsidee auch. „Da kam das Angebot zur Nachfrage“, sagt Karl Gerdes bescheiden. „Zu uns sind immer viele Kunden gekommen, die mit ihren Rädern unzufrieden waren und sich nicht wohl darauf gefühlt haben.“
Seite 2: Die falsche Haltung und ihre Folgen
Von Sitzriesen und Stehriesen
Das kann verschiedene Ursachen haben – und auch mal dazu führen, dass die Zweiradprofis von der weiteren Nutzung des Rads abraten müssen. Etwa wenn der Rahmen zu groß für seinen Fahrer ist. „Ist der Abstand vom Sattel zum Lenker zu groß, nimmt der Fahrer automatisch eine ungesunde Position ein“, sagt Gerdes.
Die Folge: „Er muss sich zu weit nach vorn strecken.“ Das hat abhängig von den weiteren Einstellungen – ob sportlich oder komfortabel – unterschiedliche Auswirkungen. Der Fahrer kann ins Hohlkreuz kommen oder den Schulter- und Nackenbereich übermäßig beanspruchen. Auch typisch in dieser Position: Die Handgelenke knicken ab, was zu Schmerzen und Taubheitsgefühl führen kann.
Selbst wer den Radrahmen auf Basis seiner Körpergröße auswählt, kann noch danebengreifen. „Wir Menschen haben nicht alle die gleichen Proportionen“, sagt Gerdes. „Es gibt Sitzriesen, Stehriesen und viele Größen dazwischen.“
Mit dem Körperscan bekommen die Berater die passende Größe automatisch heraus. Ist das erledigt, fragen die Radprofis die Fahrgewohnheiten ihrer Kunden ab. Sitzposition: Sportlicher oder komfortabler? Nur Kurzstrecke oder auch Touren? Besondere Anforderungen?
Das neue Rad von Kerstin Utermark soll einen Kinderanhänger ziehen können, ohne der Fahrerin dabei zu viel abzuverlangen. Für das Wunsch-Tourenrad der Kundin empfiehlt Beraterin Manuela Ahrens daher eine Kettenschaltung, die anders als eine Nabenschaltung eine feinere Abstimmung der Tretlast zur Fahrleistung erlaubt. Außerdem plädiert sie für eine hydraulische Bremse, die das Rad trotz der höheren Schubkräfte durch den Kinderanhänger zuverlässig herunterbremst.
Seite 3: Einmal anpassen bitte. So entsteht das perfekte Rad.
Die richtige Beratung ist Pflichtprogramm
Die Arbeit am Scanner und die Beratung der Kunden ist hier für jeden Mitarbeiter Routine. Und sie gehört für alle neuen Mitarbeiter zum Pflichtprogramm, betont Gerdes. Vorteil: Die Kundschaft muss nicht von einem Mitarbeiter zum nächsten geschickt werden. Jeder Ansprechpartner, egal ob Werkstattmitarbeiter oder Verkäufer, kann jeden Kunden kompetent beraten.
Mit den fertigen Maßen des Computers wählt Beraterin Ahrens den passenden Rahmen aus. „Pro Modell gibt es verschiedene Rahmengrößen“, erklärt sie. Dann nimmt sie Maß und konfiguriert das Rad per Messschiene entsprechend der Körperdaten. Sattelhöhe, Sitzwinkel, Lenkerhöhe und den Abstand zwischen Lenkstange zur Sattelspitze, bringt sie routiniert auf Maß. Den Lenker stellt sie neun Zentimeter höher ein als den Sattel, so ist die Sitzposition komfortabel, aber der Oberkörper neigt sich etwas sportlicher nach vorn. Erst dann ist das Rad bereit für die Probefahrt.
Denn Velocity hat den festen Grundsatz erst messen, dann fahren. „Unsere Kunden machen ihre Probefahrt erst dann, wenn wir sie vermessen haben und das Rad korrekt eingestellt ist“, erklärt Gerdes.
Kerstin Utermark gefällt das. Sie hat ihr Wunschrad gefunden. „Ich wurde hier sehr ausführlich und kompetent beraten“, sagt sie. „Das hat man heute nicht oft, dass sich die Verkäufer die nötige Zeit zur Beratung nehmen.“
(deg)
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