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Politik und Gesellschaft

Plötzlich Knast: Kontrollverlust mit üblen Konsequenzen

Gerichtsurteile ohne Bewährung! Bauunternehmer, die ins Gefängnis gehen, weil sie Mitarbeiter schwarz beschäftigen oder Steuern hinterziehen! Viele solcher Fälle haben eine Gemeinsamkeit.

Auf einen Blick:

  • In Schleswig-Holstein ist ein Bauunternehmer zu einer Haftstrafe von 3 Jahren verurteilt worden.
  • Ob Steuerhinterziehung oder Sozialkassenbetrug: Freiheitsstrafen ohne Bewährung werden nur in schweren Fällen verhängt.
  • Von Raffgier bis zu purer Verzweiflung: Die Motive hinter den Taten sind vielfältig.

Veruntreuung von Pflichtversicherungsbeiträgen in 67 Fällen. Steuerhinterziehung in 36 Fällen. Ende August hat das Landgericht Kiel den ehemaligen Geschäftsführer einer Baufirma aus Neumünster (Schleswig-Holstein) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt.

Was man wissen muss: Eine Bewährung ist bei Haftstrafen von mehr als zwei Jahren nicht möglich.

Der Sog der „Todesspirale“

Besonders oft ist nicht von Prozessen zu lesen, die so ausgehen. Für eine Haftstrafe ohne Bewährung muss sich ein Unternehmer regelrecht ins Zeug legen, oder? „Das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt ist kein Kapitaldelikt. Wenn es nur wenige Fälle gibt und jemand nicht vorbestraft ist, dann landen sie in der Regel bei einer Bewährungsstrafe“, bestätigt die Pressesprecherin des Kieler Landgerichts, Rebekka Kleine.

Diese „Dimension“, sagt Kleine im Gespräch mit handwerk.com, habe der aktuelle Prozess schon durch die Höhe des entstandenen Schadens verlassen. 686.000 Euro seien dem Bauunternehmer nachgewiesen worden.

Häufig haben Prozesse mit einer großen Anzahl von Fällen nach Kleines Erfahrung eine Gemeinsamkeit: „Eine Art Vogel-Strauß-Politik der Unternehmer. Geschäfte gehen schief, gleichzeitig will man keine Arbeitnehmer entlassen, man verliert die Kontrolle, man stolpert in die Todesspirale.“ Angeklagte, denen Sozialversicherungsbetrug und Steuerhinterziehung in großem Stil vorgeworfen werden, erinnerten nicht selten an „Ertrinkende, die sich im offenen Meer an einen Strohhalm klammern“.

Fast irrationales Verhalten

Ein ähnliches Verhalten hatte ein Bauunternehmer aus der Nähe von Stuttgart gezeigt, der im Mai zu 2 Jahren und 10 Monaten Haft verurteilt worden ist. „Fast irrationale Züge“ hatte ihm damals der Prozessbeobachter der Stuttgarter Zeitung (SZ) attestiert.

Der SZ zufolge hatte ihm das Finanzamt bereits mitgeteilt, dass „aufgrund seiner Steuererklärungen der Verdacht des Betrugs im Raum stünde“. Und wie hat der Angeklagte darauf reagiert? Er hat „einfach weitergewurstelt“. So zumindest hat der Vorsitzende Richter des Stuttgarter Landgerichts in seiner Urteilsbegründung das Verhalten des Bauunternehmers umrissen.

Schon bevor er die 1,3 Millionen Euro hinterzogen hatte, war der Angeklagte wegen Insolvenzverschleppung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. „Wie ein Getriebener“, schreibt die SZ, „hatte der 67-Jährige wieder eine Firma gegründet.“ Um aber Verbindlichkeiten ausgleichen zu können, habe er Geld benötigt, das er offenbar nur aus laufenden Baustellen generieren konnte.

Ermittlungen besonders schwierig

Die Fälle, die jetzt in Kiel verhandelt worden sind, stammen aus den Jahren 2007 bis 2012. Der Jahresumsatz des Bauunternehmens habe sich in dieser Zeit zwischen 300.000 und 900.000 Euro bewegt, sagt Pressesprecherin Kleine.

Warum wurde das Urteil erst 6 Jahre später gesprochen?

Kleine bezeichnet die Ermittlungen als „extrem schwierig – wie so oft“. Die Buchhaltung sei ein großes „Kuddelmuddel“ gewesen. Bei den Subunternehmern habe es mehrere Scheingesellschaften gegeben: „Die Staatsanwaltschaft musste sich die Unterlagen regelrecht zusammenklauben. Wenn sie ihr Material nicht kriegen, können die Jahre ins Land gehen.“

Gegen das Urteil hat der Unternehmer Revision eingelegt, jetzt wird der Bundesgerichtshof den Fall auf Rechtsfehler abklopfen.

Landgericht Kiel, Aktenzeichen 3 KLs 7/16

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