Auf einen Blick:
Wer nicht in Zahlungsverzug geraten möchte, sollte sich ein genaues Bild von der Höhe der vorzufinanzierenden Leistungen auf den Baustellen machen. Dafür sind zunächst die halbfertigen Arbeiten zu bewerten.
Der Unternehmensberater und Tischlermeister Peter Gillhaus hat ein Berechnungssystem speziell für Handwerker entwickelt. Eine Mustervorlage mit Rechenfunktion finden Sie in diesem Artikel.
Das Rechenwerk hilft dabei, Lücken zu schließen und stärkt Ihre Position bei Verhandlungen um Betriebsmittelkredite.
Die Auslastung ist ohnehin schon hoch und ständig melden sich weitere Kunden mit einem lukrativen Projekt. Viele Handwerksbetriebe jonglieren zurzeit mit vielen verschiedenen Auftragsbällen, weil die Verlockung in Zeiten des Nachfrageüberhangs groß ist. Peter Gillhaus hat es allerdings immer häufiger mit Betrieben zu tun, die dadurch Liquiditätsprobleme bekommen. „Teilweise sind diese Lücken existenzbedrohend“, sagt der Tischlermeister und Unternehmensberater aus Varel. „Ich habe einige Kunden, denen steht das Wasser trotz guter Auftragslage bis zum Hals.“
Zu viel gebundenes Kapital auf den Baustellen
Der Grund liegt Peter Gillhaus zufolge unter anderem darin, dass die Unternehmer sich vorher kein genaues Bild von der Höhe der benötigten Vorfinanzierungen für Material und Arbeitsleistungen machen. Durch zu viele gleichzeitige Projekte geraten sie in Verzug, und die vereinbarten Abschlagszahlungen für bestimmte Meilensteine werden deshalb noch nicht fällig. So binden sie immer mehr Kapital in laufenden Projekten.
„Ich habe zum Beispiel einen Betrieb mit 20 Mitarbeitern unter meinen Kunden, der fast eine Million Euro in der Vorfinanzierung gebunden hat“, berichtet der Unternehmensberater. „Davon sind aber nur etwa 500.000 Euro durch Anzahlungen und Abschlagszahlungen gegenfinanziert.“ Ein Problem stellen laut Gillhaus auch zu hohe Lagerbestände dar, weil dadurch ebenfalls liquide Mittel festgefroren werden.
Aus seiner Sicht muss sich hier dringend etwas ändern. Zuerst gelte es, verlässliche Zahlen über den Vorfinanzierungsgrad zu haben. Mit diesen Zahlen habe der Unternehmer dann eine wesentlich bessere Position, wenn er mit der Hausbank über Betriebsmittelkredite verhandelt.
Halbfertige Arbeiten bewerten
Wer Liquiditätsfallen umgehen möchte, muss die Höhe der vorfinanzierten Leistungen auf den einzelnen Baustellen kontinuierlich berechnen. Peter Gillhaus hat dafür ein eigenes, aus seiner Sicht handwerksgerechtes Berechnungssystem zur monatlichen Bewertung der halbfertigen Arbeiten entwickelt:
Für jeden einzelnen Kunden wird ermittelt, wie viel Material (Einkauf und Fremdleistungen) und wie viele Arbeitsstunden zum Stichtag bereits geleistet wurden. Das Material wird mit dem Einkaufspreis ohne Aufschlag berechnet und die Stunden mit einem passenden Stundenverrechnungssatz. Zusammen ergeben sie die erbrachten Nettoleistungen.
Diesen Wert gilt es nun zu überprüfen: Welchen Preis würde der Kunde bezahlen, wenn das Projekt an dieser Stelle beendet wäre? Und – habe ich mich vielleicht verkalkuliert und wesentlich mehr Arbeitsstunden oder Material verbraucht, als im Angebot vorgesehen? Entsprechend kann der Unternehmer in der „Korrekturspalte“ einen Abschlag vornehmen. In der folgenden Spalte zieht das System dann automatisch einen betriebsindividuellen Gewinnanteil ab, da man bei der Buchung von halbfertigen Arbeiten keinen Gewinnanteil berücksichtigen darf. Damit ist der Wert der halbfertigen Arbeiten ermittelt.
Vorfinanzierte Leistungen ermitteln
Als Nächstes fügt Peter Gillhaus in die folgende Spalte ein, welche Abschlagsrechnungen bereits geschrieben sind, und in die nächste, wie viel Geld davon schon eingegangen ist. In der letzten Spalte wird schließlich die Differenz zwischen dem Wert der halbfertigen Arbeit und den erhaltenen Anzahlungen berechnet.
Diese Differenz steht für die vorfinanzierte Leistung, die in diesem Auftrag und aufsummiert in allen Aufträgen steckt. Sie kann im Zweifelsfall auch zu einer Entscheidung gegen einen weiteren Auftrag führen, wenn die Gegenfinanzierung nicht gewährleistet ist. Gillhaus empfiehlt, diese Zahlen einmal im Monat aufzulisten und mit in die Buchhaltung zu integrieren. Auch die Warenbestände seien zu verbuchen.
Vorfinanzierung und Lagerbestände reduzieren
Bevor Sie nun den Kreditbedarf berechnen, sollten Sie laut Gillhaus zunächst an zwei Stellschrauben drehen, falls Sie das noch nicht getan haben:
- . Anzahlungen mit Bürgschaft einfordern: Der Handwerksexperte rät seinen Klienten dazu, eine Anzahlung zu verlangen, die zumindest dem Wareneinsatz entspricht und sofort bei Auftragserteilung fällig wird. Eine weitere Summe sei dann bei Beginn der Arbeiten auf der Baustelle zu entrichten und der Rest nach Erhalt der Abschlussrechnung. Alternativ seien Abschlagszahlungen nach Fertigstellung bestimmter Bauabschnitte festzulegen. „Die Zahlungsbedingungen müssen individuell vereinbart, schriftlich festgehalten und vom Kunden unterschrieben werden“, sagt Gillhaus. Bei Anzahlungen könne der Auftragnehmer auf Kundenwunsch eine sogenannte Kautionsversicherung abschließen. Der Kunde erhält dann eine entsprechende Bürgschaftsurkunde als Sicherheit.
- . Lagerbestand herunterfahren: Die zweite Stellschraube in Sachen Liquidität ist der Warenbestand, den Sie im Lager vorhalten. Ein einfaches Warenwirtschaftssystem helfe dabei, Überbestände zu vermeiden, sagt Peter Gillhaus. Verkleinern lasse sich die Lagerhaltung auch durch Lieferanten, die das Material direkt zur Baustelle liefern.
„Wenn man diese beiden Hausaufgaben gemacht hat, bleibt ein Liquiditätssockel übrig, den man tatsächlich von den Banken braucht“, sagt der Unternehmensberater.
Bedarfsgerechte Betriebsmittelkredite aushandeln
„Vor einigen Tagen hatte ich ein Gespräch mit einem Firmenkundenberater einer Sparkasse“, erzählt Gillhaus. „Er sagte, Unternehmer kennen oft nicht einmal selbst den Stand ihrer Projekte und den Vorfinanzierungsgrad, aber wir sollen dafür hohe Summen an Betriebsmittelkrediten bewilligen. So laufe das nicht, dafür seien verlässliche Zahlen über die aktuelle Situation erforderlich.“
Mit seinem Berechnungssystem will Gillhaus den Betrieben dafür eine Lösung an die Hand geben: „Wer eine solche plausible Berechnung vorlegt, kann mit der Hausbank qualifiziert über entsprechende Betriebsmittelkredite sprechen“, sagt der Berater. Dafür kämen sowohl ein Darlehen als auch eine Erweiterung des Kontokorrentrahmens in Frage. „Gegebenenfalls hilft auch eine Bürgschaftsbank, wenn die Sicherheiten nicht ausreichen.“
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