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Widerstand ist zwecklos

Sprinter: „Der geht ab wie die Luzy“

Was kann am neuen Sprinter schon neu sein? Wir haben die aktuelle Version mit dem alten Sprinter verglichen – und sind fast von der Teststrecke geweht worden.

Eine Szene fürs Kopfkino: Sie sitzen auf dem Beifahrersitz eines Transporters, der Fahrer heißt Jürgen und rast mit einem Affenzahn auf ein Fahrzeug vor Ihnen zu. Er hält die Geschwindigkeit, er hält die Geschwindigkeit viel zu lange, im letzten Augenblick, im allerletzten („Jetzt brems' doch endlich“) Augenblick, steigt er in die Eisen. Sie wissen, dass Jürgen ein Profi hinter dem Lenkrad ist, dass die High-Tech-Sensoren der neuen  und hoffentlich (!) tausendfach erprobten elektronischen Fahrhilfen den Bremsvorgang übernehmen und verstärken. Trotzdem. Ihre Unterarme verkrampfen derart, dass Sie fast den Haltegriff aus der Tür reißen. Der Griff übersteht schon seit Wochen das Zerren ängstlicher Beifahrer. Mercedes baut stabile Autos.

Willkommen auf dem Daimler-Testgelände im nordrhein-westfälischen Aldenhoven, willkommen im neuen Sprinter. Der „alte“ Sprinter ist ins verflixte siebte Jahr gekommen, der neue ist laut Daimler „der beste Sprinter aller Zeiten“. Versteht sich. Kein Sprinter vor ihm sei derart sicher. Und sparsam. Und umweltschonend. Und attraktiv. Und unter den fünf neuen „Fahrer-Assistenzsystemen“ sind sogar „Weltpremieren für Transporter“. Ist das nun ein Fall verzweifelter Modellpflege oder unzweifelhaft innovativ?

Orkan von links, Hilfe von links – lesen Sie die nächste Seite.

Fahrassistent: Die Kontrolle abgeben

Eine (und noch dazu serienmäßige) Weltpremiere ist der Seitenwind-Assistent. Auf dem Testgelände simulieren die Mercedes-Leute mit Windturbinen einen kleinen Orkan. Erster Test im alten Sprinter. Vorhin ist er noch so schockierend dicht aufgefahren, jetzt muss Jürgen auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Der arme Kerl sagt: „Ziehen Sie den Wagen auf 100 Stundenkilometer hoch.“ Sind auch 130 in Ordnung? „Nicht offiziell."

Wenn Mercedes die Absicht hatte, Journalisten zu beeindrucken, an dieser Stelle haben‘s die Konzernverantwortlichen geschafft. Der Seitenwindeffekt ist erstaunlich. Obwohl man als Fahrer ja genau weiß, wo die Turbinen stehen, drückt der „Sturm“ den alten Sprinter auf die Nebenspur. Alles Gegenlenken hilft nichts.

Minuten später der Vergleich mit der neuen Generation. Auf der Höhe der Windmaschinen könnte man das Lenkrad glatt loslassen, denn der Transporter bleibt einfach dort, wo er hingehört, der Versatz ist minimal. Das ist erst einmal unangenehm, weil der Seitenwind-Assistent die Kontrolle übernimmt und der Fahrer die Kontrolle abgibt.

Die Frage („Jetzt mal für Doofe, wie funktioniert das überhaupt?“) beantwortet Jürgen so: „Der Sprinter bremst nur auf der Seite, die dem Wind zugewandt ist. Das Fahrzeug wird in den Wind hineingezogen und hält die Spur.“

Nächste Seite: Gute Tipps ausgerechnet vom Schrottplatz.

Elektronik: Es piept und piept und piept

Konzentrieren wir uns auf das, was sonst noch neu ist. Das wiederum ist gar nicht so einfach, denn es sind exakt die Neuigkeiten, die bei einer Solo-Probefahrt im Umkreis des Testgeländes die Konzentration stören. Der „Spurhalte-Assistent“ warnt optisch und vor allem akustisch. Die wilden Fahrbahnbegrenzungen einer Baustelle auf der Autobahn bringen das System an seine Grenzen. Es piept. Ständig. Wenn dann auch noch ein Wagen überholt, blinkt zusätzlich der Totwinkel-Assistent. Und da ist noch ein anderes Piepen, dessen Herkunft nicht ganz klar ist. Erster Gedanke: Hoffentlich kann man das alles abschalten. Man kann (warum Sie die Fahrassistenten besser eingeschaltet lassen, erklären wir später).

Geradezu despektierlich: Während der kurzen Spazierfahrt fällt ein Autoschrottplatz ins Auge. Blinker setzen, auf den Hof fahren – schon kommt der Chef des Unternehmens angelaufen. Er hasst das Wort Schrottplatz („Wir sind ein Recycling-Unternehmen“), und er hat’s auf den Testwagen abgesehen, die offene Ladefläche ist sein Ding. Der Mann fährt Motorradrennen und sein „Moped“ wiegt 265 Kilogramm: „Dafür wäre der Wagen perfekt.“

Was glaubt der Recycling-Chef, kostet der Sprinter. „So, wie er hier steht? Schwierig. Zwischen 35.000 und 40.000 Euro. Sagen wir 37.500 Euro?“ Keine schlechte Schätzung. Der Basispreis für dieses Modell (316 CDI, Doppelkabine, Pritsche, lang, Euro VI, 120 kW) wird bei knapp 42.000 Euro liegen.

Nächste Seite: „In der Farbe sieht der aus wie Sau.“

Design: Sieht aus wie ein Sprinter

Der Recycling-Unternehmer guckt sich die nagelneue Pritsche genau an, nickt immer wieder anerkennend, nur am Metallic-Blau des Testwagens mäkelt er herum. Schick sei das schon, aber „die Farbe können Sie vergessen, wenn Sie damit einmal auf die Baustelle fahren, sieht der aus wie die Sau.“ Beim Kunden könne man sich damit nicht blicken lassen: „Ich würde den in silbergrau nehmen.“ Auch ein Tipp.

Überhaupt das Aussehen: Mercedes spricht von einer „deutlich geschärften“ und „neuen markanten Optik“. Das ist vielleicht etwas dick aufgetragen. Gut, die drei Kühlerlamellen sind jetzt „von oben nach unten gepfeilt sowie gelocht“. Immerhin interessant formuliert. Aber letztlich gilt: Sieht aus wie ein Sprinter, fährt sich wie ein Sprinter, das ist ein Sprinter. Und daran ändern auch die neuen Scheinwerfer nichts, die „schärfer geschnitten sind“ und dem Nutzfahrzeug einen „energischen, jedoch keinesfalls aggressiven Blick“ verleihen. Immerhin unterscheidet sich der neue Sprinter jetzt deutlicher vom (fast) baugleichen VW Crafter. Der soll, wie zu hören ist, erst einmal kein neues Outfit erhalten.

Was aber für Betriebe viel wichtiger ist (und einen auch nicht sofort anspringt, wenn man sich den neuen Sprinter ansieht): Mercedes-Benz hat das Fahrwerk abgesenkt. Das wirkt sich auf die Verbrauchswerte aus und erleichtert das Be- und Entladen. Kleinigkeiten, wie die Fahrleistungen, geraten da fast zur Nebensächlichkeit. Der Sprinter hat vorher jeden noch so dicken Hering vom Teller gezogen – und daran hat sich nichts geändert.

Anders ausgedrückt: Das Upgrade auf die Euro VI-Norm hat nicht zu Leistungseinbußen geführt, die Euro 5b-Sprinter sind nicht schneller.

Nächste Seite: Das ständige Piepen kann sich für Sie auszahlen.

Fahrleistungen: Können Ihre Leute damit umgehen?

Als ein Jounalisten-Kollege aus einem 190 PS-Sprinter aussteigt, sagt er spontan: „Der geht ab wie die Luzy.“ Besser lässt sich das nicht formulieren, die hochmotorisierte Variante verbläst so manchen PKW. 162 Stundenkilometer Spitzengeschwindigkeit. Nicht einmal dann wird’s unangenehm laut im Innenraum. Und es gibt Autos, die nur einen Bruchteil eines Sprinters wiegen und nicht wesentlich weniger verbrauchen. Allerdings lässt sich Mercedes die Euro VI-Norm mit knapp 1.400 Euro Aufpreis bezahlen.

Fazit: Der neue Sprinter reißt was, er ist gewohnt funktional, etwas schwerer und etwas teurer als sein Vorgänger. Es gibt ihn in (tatsächlich annähernd) 1.000 Darreichungsformen und Packungsgrößen – er hinterlässt einen kernigen und hochwertigen Eindruck. Und bei den Preisen und Fahrleistungen müssten sich Unternehmer fast zwangsläufig mit den verschiedenen Fahrassistenten beschäftigten.

Zumindest könnte man Betriebsinhabern folgende Fragen stellen: Wissen Sie wirklich, wie gut Ihre Leute hinterm Steuer sind? Wissen Sie wirklich, wie konzentriert Ihre Leute nach einem langen Arbeitstag fahren? Wissen Sie, wie gut Ihre Leute mit Ihren automobilen Schätzen umgehen?

Und wussten Sie, dass jeder vierte Unfall mit einem Transporter ein Auffahrunfall ist und dass jeder fünfte beim Abbiegen passiert? Haben Sie einmal durchgerechnet, was für einen Schwanz an Kosten es mit sich bringt, wenn ein Auto nach einem kleinen Unfall für einige Tage in der Werkstatt steht?

„Und außerdem“, ergänzt Jürgen, „sind die Systeme wie der Spurhalte-Assistent lernfähig, sie passen sich an den Fahrstil an.“ Im Laufe der Zeit piept’s also weniger? „Ja, bei Fahrern mit starken Lenkbewegungen registriert das System das Fahrverhalten.“ Aus Unternehmersicht sollte es vielleicht eine Zubehör-Version geben, in der die Fahrassistenten nicht ausgeschaltet werden können.

Nächste Seite: Die Eckdaten des neuen Sprinters in der Kurzversion.

Die Eckdaten: Zahlen, Zahlen, Zahlen

Die komplette Motorenpalette des neuen Sprinters erfüllt die künftige Abgasstufe Euro VI – vorbildlich und knapp 1.400 Euro teurer als die 5b-Version.

Unverändert bleibt das Leistungsangebot der Dieselmotoren: Die Vier- und Sechszylinder gibt es in Varianten zwischen 70 und 140 kW.

Die neuen Sprintermotoren sind leiser und verbrauchen weniger, den niedrigsten Wert gibt Mercedes Benz mit 6,3 Litern auf 100 Kilometern an (je nach Fahrweise sind aber auch mehr als das Doppelte drin).

Ein anderer Wert ist gestiegen: Die Wartungsintervalle steigen auf bis zu 60.000 Kilometer.

Preise: Die Pritsche beginnt bei knapp 25.000 (210 CDI als 3-Tonner), der 519 BlueTec in der langen Version mit 140 kW kostet knapp 55.000 Euro (alle Preise inklusive Mehrwertsteuer).

Eine Alternative zu den Dieseln ist ein aufgeladener Vierzylinder-Benziner mit Direkteinspritzung. Das 115 kW-Aggregat gibt es auch in der Erdgasausführung mit identischer Leistung. Der Sprinter wird ab September 2013 ausgeliefert – wenn Sie schnell genug bestellen.

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(sfk)

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