Hohe Auslastung, kurzfristige Verzögerungen, schlecht zu erreichende Handwerker? Die Nerven der Kunden liegen blank. Land auf, Land ab scheinbar überall die gleichen Erfahrungen: Über „zermürbende Wartezeiten und hohe Preise“ schreibt der Münchener Merkur. „Handwerker-Mangel lässt Baukosten explodieren“, titelt das Hamburger Abendblatt. Und die Welt kommt zu der Erkenntnis: „Am Bau gilt das Prinzip von Angebot und Nachfrage, und es gibt kein Grundrecht auf verfügbare Handwerker“.
Kunden sollten langfristiger planen
Dabei sind Handwerker durchaus verfügbar – nur eben nicht immer von jetzt auf gleich. „Im ersten Halbjahr waren die Betriebe des Baugewerbes im Durchschnitt für die kommenden 9,4 Wochen ausgelastet, beim Ausbauhandwerk waren es 7,9 Wochen“, berichtet Karl Sebastian Schulte vom Zentralverband des Deutschen Handwerks. Schulte rät Kunden deshalb zur vorausschauenden Planung: „Bei größeren Arbeiten muss man den Auftrag unter Umständen mit einigen Monaten Vorlauf erteilen.“
Betriebe sollten mehr kommunizieren
Doch das alleine ist es nicht. Für zusätzlichen Frust sorgen kurzfristige Terminänderungen – und immer wieder das Problem mit der Erreichbarkeit. Das weiß auch Stefan Bohlken. An zwei Monaten Wartezeit und kurzfristigen Verzögerungen kann der Fliesenlegermeister aus Oldenburg wenig ändern. „Das lässt sich nie ganz vermeiden, egal, wie gut man plant.“ Und wie reagieren seine Kunden darauf? „Mit viel Verständnis. Man muss nur locker bleiben, erreichbar sein und über Terminprobleme offen reden. Das ist das A und O“, sagt der 47-Jährige. Auch sonst tut er einiges, um den Stress für beide Seiten zu reduzieren:
1. Spezialisieren: Früher hat Bohlken im Außenbereich gearbeitet und zum Beispiel Terrassen verfliest. Doch jeder Witterungswechsel könne zu unkalkulierbaren Verzögerungen führen. Deswegen übernehme er nur noch Aufträge im Innenbereich.
2. Kunden einschätzen: Bohlken bemüht sich um Kunden, „die sich zielgerichtet an meinen Betrieb wenden und nicht nur Preise vergleichen“. Für die spiele ein früher Starttermin meist keine so große Rolle. Ihnen sei wichtiger, „wer den Auftrag übernimmt“.
3. Die Lage erklären: Natürlich haben auch solche Kunden Terminwünsche. Doch sie reagieren nach Bohlkens Erfahrung gelassener auf längere Wartezeiten, wenn er ihnen die Gründe dafür erklärt, die hohe Nachfrage und den Fachkräftemangel zum Beispiel. „Dann haben die Menschen auch Verständnis.“
4. Probleme benennen: Ebenso wichtig seien kurzfristige Informationen und Erreichbarkeit für Nachfragen. „Die Kunden sind sehr dankbar, wenn man sich meldet, ganz offen kommuniziert und die Gründe erklärt.“ Und das möglichst konkret und verständlich: „Wenn ich einem Auftraggeber erkläre, dass ich erst ein unerwartetes Problem lösen muss und deswegen einen Tag später für ihn bereitstehe, dann reißt mir dafür keiner den Kopf ab.“
5. Immer persönlich: Terminfragen erledigt der Handwerker immer telefonisch, immer persönlich. WhatsApp nutze er auch, zum Beispiel für Terminbestätigungen. „Aber wenn ich einen Termin verschieben muss, dann ist das persönliche Gespräch immer besser. Ich würde so eine Information auch lieber persönlich erhalten und nicht per SMS. Dann kann man darüber reden und Fragen sofort klären.“
6. Erreichbar sein: „Wenn man nicht ans Telefon geht, dann ist das schon der Anfang vom Ende“, warnt Bohlken. „Das muss sein, egal wie knapp die Zeit ist. Sonst werden die Kunden irgendwann wütend, und dann werden selbst Kleinigkeiten plötzlich zu einem echten Problem.“
7. Hilfe unter Kollegen: Stolz ist Bohlken zudem auf den Zusammenhalt in der Innung. Gerade ist einer seiner Mitarbeiter erkrankt, während ein anderer im Urlaub ist. Eine echtes Problem für einen Vier-Mann-Betrieb. „Da helfen wir uns innerhalb der Innung. Der eine Kollege fängt heute an, der andere springt morgen ein.“
Und das funktioniert? „Das funktioniert sehr gut“, sagt Bohlken. „Die meisten Kunden empfehlen mich weiter, persönlich und auch auf Facebook. Trotz gelegentlichem Terminstress.“
(jw)
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