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Niederegger

Süße Hasen zum Vernaschen

Das Lübecker Marzipan der Firma Niederegger ist seit rund zweihundert Jahren ein Verkaufsschlager – und weitgehend handgefertigt.

Das Lübecker Marzipan der Firma Niederegger ist seit rund zweihundert Jahren ein Verkaufsschlager und weitgehend handgefertigt.

Bei Niederegger beginnt der Frühling gleich nach Weihnachten: Dann startet für die rund 500 Mitarbeiter die Osterproduktion. Deshalb kann Elisabeth Wehner am Ostersonntag keine Hasen mehr sehen. Zwischen Januar und März trifft sie reichlich von ihnen: Jeden Arbeitstag gehen rund 1200 Stück durch ihre Hände: 1200 Mal nimmt sie eine neue Hasenfigur aus der Form, rückt die Pfoten zurecht, richtet die kleinen Öhrchen auf.

Insgesamt gut 300 Produkte umfasst das Sortiment des Marzipanherstellers aus Lübeck. Von der "Marzipinos"-Knusperkugel bis zum Tee mit Marzipangeschmack: Die Produktentwickler bei Niederegger lassen sich jährlich ein Dutzend Neuigkeiten einfallen, damit ihre traditionell vor allem zu Weihnachten beliebten Produkte ganzjährig nachgefragt werden. Und trotzdem: Zusammen machen das Weihnachts- und das Ostergeschäft noch immer mehr als zwei Drittel des Umsatzes bei Niederegger aus.

Die Firma Niederegger besteht seit 1806. In siebter Generation führen heute Holger Strait und Angelika Binder-Strait die Firma. Neben der Konditorei mit ihren rund 30 Konditoren und Auszubildenden und den insgesamt vier Cafés gibt es längst auch eine 25.000 Quadratmeter große Produktionsstätte am Stadtrand von Lübeck. Hier werden in Spitzenzeiten 30 000 Kilo Marzipanrohmasse am Tag hergestellt und jeden Tag verlassen so viele Marzipanbrote die Firma, dass man mit ihnen die Strecke Hamburg-Kiel pflastern könnte. Denn die "Klassiker" Marzipanbrote und -herzen sind der Renner im Geschäft. Dennoch ist Niederegger-Marzipan keine Industrieware: Von einem "Spagat zwischen einer Fabrikation und einer Manufaktur" spricht Holger Strait, wenn er auf die Produktionsweise seines Unternehmens angesprochen wird: Zwei Drittel der anfallenden Arbeiten werden immer noch von Hand erledigt.

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Wie schon vor hundert Jahren wird bei Niederegger zum Beispiel das Marzipan per Hand bemalt "geschminkt", sagt der Fachmann. Zwar wird die naturechte Lebensmittelfarbe für großflächige Grundierungen mit einer Art Spritzpistole aufgesprüht. Die Augen der Marzipan-Osterhäschen aber, die roten Kämme der Osterglucken, der Punkt im vermeintlich wurmstichigen Miniatur-Apfel werden per Hand und Pinselstrich von den "Schminkerinnen" aufgetragen.

Seit 22 Jahren dabei ist etwa Dorit Gäberlein: "Eigentlich wollte ich hier nur kurz zur Aushilfe arbeiten, weil ich mir was für den Urlaub dazuverdienen wollte. Doch dann hat es mir so gut gefallen, dass ich einfach geblieben bin." Beim Ausgestalten der Dekorationen habe sie durchaus künstlerische Freiheiten: "Vor allem bei den aufwändigen Marzipanbildern für die Torten kann ich farblich viel gestalten." Das Dekorieren habe sie im Blut, lächelt sie: "Ich komme aus einer Familie mit vielen Malermeistern."

Eine besondere Herausforderung sind für die Schminkerinnen vor allem die Sonderanfertigungen, die Niederegger für Firmenkunden erstellt. Hier reicht die Palette der Kundenwünsche von marzipanenen Knöpfen und Schrauben über ganze Containerschiffen en miniature bis hin zu nachgeformten Spritzen für einen Hersteller medizinischer Geräte. Doch alles hat Grenzen: Frivole Motive sind tabu obwohl sie durchaus nachgefragt werden: "So etwas wie Beate-Uhse-Artikel aus Marzipan wird es aus unserem Haus nicht geben", sagt Management-Mitarbeiterin Gaby Kratzenstein. Aber auch der Wunsch eines Optikers nach einem überlebensgroßen marzipanenen Auge wurde abschlägig beschieden: "Wir haben schließlich einen Ruf zu verteidigen. Und es gibt nun mal Leute, die beißen nicht gern in ein Auge."

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Ob in die USA oder nach Australien und Kanada, nach Skandinavien, Mexiko oder Peru: In 32 Länder exportiert das Traditionsunternehmen seine Waren. Dabei ist die Masse weniger wichtig denn die Klasse: "Wir wollen nicht unbedingt die Riesenmengen ins Ausland verkaufen. Uns geht es eher um langfristige Verbindungen", sagt Kratzenstein. Die Ware sei eben auch nicht langlebig genug, um wochenlang in Containern um den Globus geschickt zu werden: "Marzipan ist nur dann gut, wenn es frisch ist." Daher erzielt die Firma nur um die 15 Prozent ihres Umsatzes mit dem Export.

Wie hoch der aktuelle Niederegger-Umsatz ist, wird nicht verraten. "Das soll ein Familiengeheimnis bleiben", sagt Kratzenstein. Nur so viel verrät sie: "Wir schreiben schwarze Zahlen. Und wir kommen ohne Kredite klar." Branchenkenner schätzen den Jahresumsatz auf bis zu 200 Millionen Euro.

Bewusst setzt man im Hause Niederegger auf Qualität: Die Mandeln für die Rohmasse stammen aus dem Mittelmeerraum, vor allem aus Spanien und Italien. Bei der Herstellungsart versucht man, uralt bewährte Manufaktur-Traditionen auch mit modernen Maschinen aufrecht zu erhalten: "Unsere Rohmasse kühlen wir zum Beispiel bewusst langsam mit Trockeneis herunter." Nicht zuletzt mache die Rezeptur das hauseigene Marzipan zur Premiumware. Der auffallendste Unterschied sei die Süße: Während man bei sehr günstigem Marzipan geradezu den Zucker zwischen den Zähnen knirschen spüre, weil der Zuckeranteil bis zu 67,5 Prozent betragen kann, hält sich das vornehme Niederegger-Marzipan mit seiner Süße dezent zurück: Hier macht der Zucker höchstens 41,5 Prozent im Gesamtprodukt aus. Daher ist es auch nicht so hell wie die Dutzendware aus dem Discounter. "Je weißer das Marzipan, desto höher ist der Zuckeranteil", erläutert Kratzenstein.

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Dieser hohe Qualitätsanspruch gilt auch in der hauseigenen Konditorei in der Innenstadt, wo rund 100 verschiedene Gebäckwaren entstehen. "Unsere Rohstoffe sind eins a. So'n Fertigmix gibt es bei uns nicht", erläutert Konditormeister Klaus Radeke. "Wir benutzen auch nur gute Markenbutter, kein Butterfett." Das weiß auch Inge Steinke zu schätzen. Schon als Kind hat die gebürtige Lübeckerin ihre Eltern zu Niederegger begleitet. Heute sucht sie selbst ein Geschenk für ihren Onkel zum 85. Geburtstag: Eine Marzipantorte mit besonderem Motiv. Unschlüssig blättert sie durch den Katalog mit den Torten-Designs: Soll ein Segelboot die Torte zieren oder lieber eine Hansekogge? Eigentlich, sagt Steinke, hat sie es bei der Auswahl von Geschenken leicht: "Egal ob Verwandte oder Freunde alle von außerhalb wünschen sich von mir immer Niederegger Marzipan."

Marzipansalon

Zwölf Figuren in Lebensgröße geformt aus Marzipan: Mit dieser Sensation wartet der "Marzipansalon" im Niederegger-Stammhaus in Lübeck auf. 500 Kilo Marzipan und 3500 Arbeitsstunden steckte Johannes Kiefer in seinen 1999 entstandenen "Niederegger-Marzipantisch". Daran versammelte er ein Dutzend Persönlichkeiten, die in unterschiedlicher Weise mit dem Produkt Marzipan in Verbindung stehen: Von Wolfgang Joop (hinten), der den Gästen seiner Modenschauen gern Niederegger-Ware reicht, über den bekennenden Marzipan-Fan Thomas Mann (links) bis hin zu Barockdichter Grimmelshausen er schrieb der Mandelmasse erotisierende Wirkung zu. Geschichte und Geschichten rund um das Marzipan stehen auch sonst im Mittelpunkt des Museums, das den Weg vom orientalischen Haremskonfekt über das vom Apotheker verordnete Stärkungsmittel bis zur heutigen Süßigkeit für Jedermann nachzeichnet.

Der Marzipansalon kann kostenlos besichtigt werden: Montag bis Freitag 9 bis 19 Uhr, Samstag 9 bis 18 Uhr, Sonntag 10 bis 18 Uhr, Breite Straße 89, 23552 Lübeck, Telefon (04 51) 53 01-126.

Weitere Informationen zu diesem Thema:

www.niederegger.de

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