Wer muss alles mehr zahlen an die Soka-Bau?
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Eigentlich sollte es bei den neuen Regeln zum Berufsbildungsverfahren vor allem um Solounternehmer gehen: Rund 40.000 Einzelkämpfer sollen 900 Euro jährlich an die Soka-Bau zahlen. 36 Millionen Euro jährlich also von all jenen, die bisher mit der Soka-Bau nichts zu tun hatten, weil sie keine Mitarbeiter haben.
Wer muss wirklich mehr zahlen?
Doch bei diesen Mehreinnahmen wird es nicht bleiben. Auch viele kleine Arbeitgeber werden nun mehr zahlen müssen. Denn die 900 Euro sind ein Mindestbeitrag, der nicht nur für Ein-Mann-Betriebe gilt.
Und das geht so: Beitragspflichtige Handwerker führen an die Soka-Bau 20,4 Prozent der Bruttolohnsumme ihrer gewerblichen Arbeitnehmer ab. Darin enthalten sind 2,1 Prozentpunkte für das Berufsbildungsverfahren. Das ist nicht neu. Neu ist allerdings, dass Betriebe, deren Beitrag zum Berufsbildungsverfahren weniger als 900 Euro beträgt, ihre Zahlung aufstocken sollen.
Dazu vier Beispiele:
- Handwerker A mit 4 Mitarbeitern und einer Bruttolohnsumme von 100.000 Euro zahlte schon bisher 2,1 Prozent = 2100 Euro für das Berufsbildungsverfahren. Das bleibt auch so.
- Handwerker B hat zwei Mitarbeiter mit einer Bruttolohnsumme von 42.857,14 Euro und zahlte bisher jährlich 2,1 Prozent = 900 Euro für das Berufsbildungsverfahren. Auch für ihn ändert sich nichts.
- Handwerker C mit einem Mitarbeiter und einer Bruttolohnsumme von 25.000 Euro führte bisher 2,1 Prozent = 525 Euro jährlich ab und soll künftig 375 Euro zusätzlich zahlen.
- Handwerker D hat keine Mitarbeiter. Er soll die vollen 900 Euro bezahlen.
Wie viele Arbeitgeber werden ihren Anteil demnach aufstocken müssen? „Mehrere tausend Betriebe“ schätzt Joachim Heldt, Abteilungsleiter Verfahrensentwicklung der Soka-Bau, während einer Informationsveranstaltung der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen.
Drohung mit dem Gericht
Und was passiert, wenn ein beitragspflichtiger Solounternehmer die 900 Euro nicht zahlen kann oder will? „Wie bei allen anderen Baubetrieben auch machen wir künftig Solo-Selbstständige schriftlich auf einen möglichen Zahlungsverzug aufmerksam“, sagt Heldt. „Erfolgt daraufhin keine Zahlung, sind wir gehalten, unsere Forderung gerichtlich durchzusetzen.“
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Strategie gegen Scheinselbstständigkeit
Die Soka-Bau ist ein Werkzeug. Sie führt nur aus, was die Tarifparteien beschließen, also das Baugewerbe, die Bauindustrie und die Gewerkschaft IG Bau. Wir haben den Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) gefragt, welche Ziele er mit den neuen Regeln verfolgt.
Die Antwort von Jens Dirk Wohlfeil vom ZDB ist einfach und erfrischend klar: Es gehe nicht nur um die „Schaffung von Beitragsgerechtigkeit“, sondern auch um die „Reduzierung von Wettbewerbsverzerrungen“ und die Bekämpfung von Scheinselbstständigkeit.
Fliesenleger? „Ein Großteil vermutlich scheinselbstständig“
Denn gegenüber Betrieben mit Arbeitnehmern hätten Solounternehmer „erhebliche Wettbewerbsvorteile“, da sie mangels Arbeitnehmern weder Mindestlöhne noch Sozialabgaben für diese Arbeitnehmer zahlen müssen. Das empfänden die Mitglieder des ZDB als ungerecht, „zumal im Bereich der Soloselbstständigen bekanntermaßen auch viele Scheinselbstständige am Markt tätig sind“, sagt Wohlfeil. So seien von den rund 60.000 eingetragenen Fliesenlegern in Deutschland circa 40.000 Soloselbstständige, „davon ein Großteil vermutlich Scheinselbstständig“.
Daher werde es auch keine Ausnahmen für Kleinunternehmer und im Nebenerwerb Selbstständige geben: „Ein erheblicher Teil der am Markt tätigen Scheinselbstständigen "versteckt" sich nach unserer Kenntnis hinter solchen Kleinunternehmerregelungen. Nur wenn tatsächlich alle am Baumarkt tätigen Betriebe erfasst und verbeitragt werden, können die genannten Ziele erreicht werden.“
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Demnächst Pflichtbeiträge für Solounternehmer zur BG Bau?
Die neue Beitragspflicht für Soloselbstständige ist nach Angaben des ZDB Bestandteil einer "Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit". Die hatte der Verband seinen Mitgliedern schon Ende 2014 verkündet. Dazu gehören demnach 4 Bausteine:
1. Überprüfung der Scheinselbstständigkeit bei Gewerbeanzeigen
Seit 2015 sind Gewerbeämter verpflichtet, alle Gewerbeanzeigen auf Anhaltspunkte für Scheinselbstständigkeit zu überprüfen.
2. Einführung von Soka-Beiträgen zum Berufsbildungsverfahren für Solounternehmer
Diesen Baustein haben die Tarifparteien Ende 2014 mit dem geänderten „Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe“ (VTV) auf den Weg gebracht. Für alle Innungsbetriebe gilt die Regelung bereits. Jetzt warten die Tarifparteien auf die Allgemeinverbindlichkeitserklärung (AVE) durch das Bundesarbeitsministerium. Das Ministerium rechnet mit einer Entscheidung im ersten Halbjahr 2015. Und die wird nach allen Erfahrungen im Sinne der Tarifparteien ausfallen. Dann müssten alle zahlen, auch Nichtmitglieder.
3. Überprüfung der vorgeschriebenen Krankenversicherung
Der ZDB fordert, dass die Handwerkskammern nur noch diejenigen eintragen, die eine gesetzliche Krankenversicherung oder eine andere Absicherung im Krankheitsfall nachweisen können. Dazu bedürfe es einer Änderung der Handwerksordnung.
4. Einführung einer Beitragspflicht für Selbstständige in der gesetzlichen Unfallversicherung
Dazu heißt es beim ZDB: „Auch die Einführung einer Beitragspflicht für Selbstständige in der gesetzlichen Unfallversicherung könnte ein Teil der Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit sein.“ Das wäre durch entsprechende Satzungsbestimmungen der BG BAU möglich.
„Gleiche Pflichten für alle“
Die Überprüfung der Krankenversicherung würde Fliesenlegermeister Thomas Fieber nicht stören. Die Soka-Abgabe hingegen schon, aber auch die Beitragspflicht zur BG Bau: „Ich bin privat gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten versichert, warum soll ich für die Berufsgenossenschaft zahlen?“, fragt der Solounternehmer. Falls jedoch die Beitragspflicht wirklich komme, „dann bitte für alle“, fordert Fieber. Und nicht nur für Solounternehmer.