Eine riesige Windkraftanlage auf einem Holzturm – das klingt nach einem gewagten Vorhaben. Holzbau Cordes aus Rotenburg/Wümme setzt das Projekt für die TimberTower GmbH um. Vom Expo-Dach bis zur Holzachterbahn: Mit Großprojekten aus Holz kennt sich Firmenchef Heinrich Cordes aus.
Ganz aktuell realisieren seine Leute in Hannover einen 100 Meter hohen Turm. Ein zweiter Turm, der ebenfalls in Niedersachsen stehen wird, soll eine Nabenhöhe von 140 Metern haben. "Das ist die Spitze dessen, was im Moment überhaupt in der Windwirtschaft gebaut wird", sagt Cordes. Wir haben mit dem Handwerksmeister am Rande der Hannover Messe 2012 gesprochen.
Diese Frage drängt sich auf: Warum Holz?
Cordes: Warum nicht?
Weil man zunächst denkt, dass andere Verbundstoffe eine höhere Festigkeit haben dürften.
Cordes: Grundlegender Irrtum. Die Idee stammt aus einem Statikbüro, das überwiegend Stahlkonstruktionen für Windkraft gerechnet hat. Bei 100 Metern sind die Ingenieure an Grenzen gestoßen, höher kann Stahl nicht. Das sind ja Rundtürme. Und bei 4,20 Meter Durchmesser ist aus logistischen Gründen Schluss, mehr geht nicht auf der Autobahn. Die Höhe der Brücken begrenzt sozusagen die Höhe der Türme. Und dann wurde in Holz gerechnet – und alle Probleme waren gelöst.
200 Meter hoch, Offshore – alles aus Holz, alles möglich. Lesen Sie Sie Seite 2.
Gewickelt, verschraubt, mit Leim vergossen
Wie hoch könnte so eine Windanlage aus Holz denn werden?
Cordes: Rechnerisch sind 200 Meter drin. Der Turm mit 100 Metern Höhe hat schon eine Wandstärke von 30 Zentimetern – da wird eine Menge Holz verbaut.
Aber Offshore geht das nicht, oder?
Cordes: Doch selbstverständlich, daran denkt aber noch keiner. Wenn Holz imprägniert wird, dann passiert das mit salzhaltigen chemischen Mitteln. Stahl fängt sofort an zu rosten, wenn es nicht ständig gepflegt wird. Holz wird durch Salzwasser immer besser – ein natürlicher Vorteil. Außerdem stehen die Türme ja auf Plattformen, die sind ja dann schon mal 20 Meter aus dem Wasser raus. Darauf kann man natürlich einen Holzturm stellen. Und den könnten sie nach Ablauf der Genehmigungszeit sogar umkippen und mit einem kleinen Schlepper an Land ziehen, etwas flapsig gesagt.
Das Gewicht dürfte auch für Holz sprechen.
Cordes: Ja, Holz ist wesentlich leichter. Einerseits sind wir bei diesen Höhen etwas größer im Durchmesser, ein 100 Meter Turm misst im Fuß sieben Meter und ist als Achteck konstruiert. Aber anderseits das wird aus flächigen Bauteilen an der Baustelle direkt zusammengebaut. Das Innenleben ist eine Art Knochengerüst, die Bauteile werden sozusagen herumgewickelt, festgeschraubt, mit Leim vergossen – verbunden wird das Ganze mit speziellen Lochblechen. Das ergibt eine absolute steife Verbindung, darauf können sie jede Windmaschine stellen.
Gute Idee: Hochspannungsmasten aus Holz. Mehr über Cordes' jüngstes Projekt lesen Sie auf Seite 3.
Gute Idee: Hochspannungsmasten aus Holz
Wenn man Sie so hört, dann macht Ihnen das Projekt ja richtig Spaß.
Cordes: Uns macht alles Spaß, was mit Holz zu tun hat. Energie wird uns noch lange begleiten als Themenstellung, und da muss der Holzbau dabei sein. Wir haben schon ein neues Projekt, einen Hochspannungsmast aus Holz.
Das Fazit lautet also, dass man quasi alles aus Holz bauen kann?
Cordes: Ja, alles und sogar besser. Ein Hochspannungsmast aus Metall erfordert eine aufwendige Pflege, Anstrich alle zehn Jahre, die Farben sind giftig. Umweltschützer sehen das extrem kritisch, die Farbe gelangt ja in den Boden. Wir müssen jetzt sehen, ob das wirtschaftlich hergestellt werden kann. Aber der Wartungsaufwand so eines Mastes geht gegen null. Im Grunde muss ja der komplette Lebenszyklus berechnet werden – und dann bin ich sicher, sind wir sowieso vorne. Beim Timbertower sind wir schon weiter. Und wenn wir drei oder maximal fünf Türme gebaut haben, wissen wir genau, was möglich ist – und dann ist auch bei den Kosten die letzte Antwort möglich.
(sfk)