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Panorama

Trauriger Comedian: „Der Perfektionismus hat mich fast umgebracht“

Oliver Gimber ist ein Youtube-Star, er ist Handwerksmeister, er hat scheinbar immer gute Laune – und Tiefpunkte in der Biographie.

Auf einen Blick:

Erfolg: Mit seinem Youtube-Kanal „Witz vom Olli“ knackt Malermeister Oliver Gimber einen Klickrekord nach dem nächsten.

Burnout: Noch vor wenigen Jahren hat ihn sein Perfektionismus schier in den Wahnsinn getrieben. Gimber ließ sich psychologisch behandeln.

Therapie: Der Malermeister tritt mittlerweile in der gesamten Bundesrepublik mit seinem Programm auf.

Witz des Anstoßes: Ein wichtiger Kunde hat die Geschäftsverbindung gekappt, weil er einen von Gimbers Kalauern als rassistisch einstuft.

Im Prinzip ist das Konzept ein Desaster. Typ um die 50, Brille, Bart, Haare akkurat gekämmt, sitzt in seinem Auto. Das Smartphone filmt ihn. Der Mann erzählt Witze, die – das sagt er selbst – für viele Menschen kaum zu verstehen sind. Zum einen spricht er einen badischen Dialekt, zum anderen lacht er sich halb tot, er schlägt sich auf die Oberschenkel, er selbst kann die Pointe kaum erwarten. Ein Beispiel: Klingelt im fünften Stock ein einarmiger Möbelpacker, der Wohnungsbesitzer öffnet die Tür. Sagt der Möbelpacker: „Ich würd gern das Klavier holen.“ Der Wohnungsbesitzer: „Sie haben ja bloß einen Arm.“ Das Finale muss warten, denn der Witzeerzähler schmeißt sich weg, er hustet und lacht, nur mühsam sammelt er sich nach geschlagenen 12 Sekunden: „Warum, haben Sie zwei Klaviere?“ Danach lacht er weiter.

Malermeister Oliver Gimber ist ein Youtube-Phänomen. Allein der Möbelpacker-Witz ist mehr als 50.000 mal geklickt worden, andere Witze haben die 100.000-er-Grenze geknackt. „Völlig irre“, sagt Gimber. Seinen eigenen Youtube-Kanal hat er 2015 gestartet, mittlerweile hat er die virtuelle Bühne verlassen, mit seinem Comedy-Programm „Witz-vom-Olli“ füllt er Stadthallen quer durch die Republik

Der eigentliche Witz daran: Gimbers Gags sind auch eine Antwort auf seine Probleme, der 53-Jährige erfüllt das Klischee des traurigen Clowns.

Krise: Gimber lässt Burnout behandeln

Rückblick. 2011. Gimbers Ansprüche an sich und seine Mitarbeiter sind riesig, sein Malerbetrieb muss der beste der Region Pforzheim sein, sein Perfektionismus treibt ihn „fast in den Wahnsinn“. Einmal räumt er den Schreibtisch seiner Sekretärin auf, während sie arbeitet. Die Mitarbeiterin bricht in Tränen aus. „Ich wollte, dass alles rechtwinklig liegt“, erinnert sich Gimber. Ihm wird klar, dass es ohne Hilfe von außen nicht geht, für ein Dreivierteljahr durchläuft er eine ambulante Burnout-Behandlung.

In den zurückliegenden Jahren waren es auffallend oft Malermeister, die der handwerk.com-Redaktion ähnliche Geschichten wie Gimber erzählt haben. Geschichten über ihre Zwänge, ihre Traurigkeit, ihre Anspannung, über 16 Stunden-Tage. Ist das ein Zufall? „Nein“, sagt Gimber, „der Zusammenhang ist eindeutig.“ Die Branche unterscheide sich von anderen, weil der Anteil der Handarbeit extrem sei. Entsprechend gering sei der Materialanteil am Gesamtumsatz: „Der Rest ist Manpower.“ Und schon sein Großvater und sein Vater hätten ihm Perfektionismus eingetrichtert: „Dieser Wahn – und das Wort stimmt, es ist wirklich ein Wahn – kostet viel Lebensenergie und Lebensfreude.“

Da ist es Zeit für einen typischen Schenkelklopfer vom Olli. Nach der Untersuchung sagt der Augenarzt zum Patienten: „Jetzt hätte ich noch eine Frage, wie haben Sie eigentlich den Weg zu mir gefunden?“

Kritik: Nicht Jeder kann über Gimber lachen

Sein Psychologe habe immer zu ihm gesagt: „Olli, weißt Du, warum Du Dir nicht das Leben genommen hast? Weil Du ein kindliches Gemüt hast, das ist Dein Schutzschild.“

Vielleicht prallt es auch deshalb an ihm ab, wenn Menschen über seine Witze nicht lachen können. Sein damals bester Kunde hat ihm 2015 alle Aufträge gestrichen, weil ein Witz aus seiner Sicht rassistisch war. „Der hat mir die rote Karte gezeigt, sofort.“ Dass der Kunde recht haben könnte – immerhin hat Gimber viermal das Wort „Neger“ benutzt – mag er bis heute nicht einsehen. Im Gegenteil, er sieht sich als Opfer einer überzogenen „Political Correctness“, die er wiederum veralbert.

Der Witz des Anstoßes ist mehr als 300.000 mal geklickt worden. In den Youtube-Kommentaren unter dem Video „Schwarzer Rettich“ antwortet er auf einen rassistischen Kommentar: „Nur fürs Protokoll: Ich bin kein Rassist.“ Ein anderer Kommentator bewertet den Witz so: „Aus dem Programm ‚Herrenwitze für die AFD‘.“

Wenn er seine Kalauer erzählt, kann Gimber loslassen. „Ich gehe ohne Programm auf die Bühne.“ Drei Stunden-Auftritte, kein Skript, live lässt sich Gimber treiben, er springt von einem Thema zum nächsten, er mag’s schlüfrig bis albern: „FSK 16.“ Und er erzählt über „meine Reise vom Malermeister zum Internetstar“.

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