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Foto: handwerk.com

Bewertungsplattform Yelp

Und plötzlich sind die Sterne weg

Die Bewertungsplattform Yelp macht Stress: Unzählige positive Bewertungen sind über Nacht verschwunden. Der Schaden ist groß für Betriebe. Nörgler haben jetzt das Sagen.

Dirk Schartenberg ist sauer: Ein amerikanisches Internetunternehmen namens Yelp pfuscht dem Friseur aus Hannover ins Handwerk. Yelp betreibt eine Bewertungsplattform, auf der auch Schartenbergs Salon gelistet ist. Und dort schneidet der Handwerker bescheiden ab: 4 Bewertungen mit durchschnittlich 2,5 von 5 möglichen Sternen. Nicht gerade eine Empfehlung für seinen Betrieb.

Dabei hat Schartenberg im Web bisher viel mehr gute bis sehr gute Bewertungen von seinen Kunden bekommen. Zumindest bis November war das so, als Yelp noch Qype hieß und eine der wichtigsten Bewertungsplattformen Deutschlands war. Dann übernahm Yelp die Website – und die vielen guten Bewertungen verschwanden über Nacht. 

Nicht nur der Handwerker ist betroffen. Überall im Web finden sich Beschwerden. In Blogs und Foren wird diskutiert und geklagt, zur Gegenwehr aufgerufen.

Der Schaden scheint erheblich
Dirk Schartenberg wertet seit Jahren akribisch aus, wie viele Neukunden über das Internet zu ihm finden. „Bisher waren es durchschnittlich 30 Prozent pro Monat, seit November komme ich nur noch auf 25 Prozent.“

Kein Wunder: Wer bei Google nach „Friseur Schartenberg“ oder nach „Friseur“ und „Stöcken“ (ein Stadtteil Hannovers) sucht, findet zwar als erstes seine Website. Doch direkt darunter springen einem die schwachen 2,5 Sterne ins Auge. Gegen so einen Image-Killer kommt auch keine Suchmaschinenoptimierung an.

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Unzufriedene Kunden sind besonders glaubwürdig

Bewertungsportale sind eine gute Sache für Verbraucher. Zumindest könnten sie das sein, wenn es dabei nicht ein Problem gäbe: jede Menge Bewertungen aus Gefälligkeit oder gegen Bezahlung. Blind sollte man sich auf Internet-Bewertungen jedenfalls nicht verlassen. Davor warnen auch Verbraucherschützer seit geraumer Zeit.

Yelps Strategie: Keine Gefälligkeiten und keine Fakes
Yelps Strategie im harten Wettbewerb der Bewertungsportale: Bewertungen aus Gefälligkeit oder gegen Bezahlung fliegen raus. Und das funktioniert so: Yelp zeigt nicht alle abgegebenen Bewertungen. Stattdessen „empfiehlt“ das Portal seinen Usern ausgewählte Bewertungen und nur die entscheiden darüber, wie viele Sterne ein Betrieb erhält. Die Auswahl nimmt Yelp nach eigenen Regeln vor, „Algorithmen“ genannt.

Doch die Regeln funktionieren nicht
 „Im Prinzip finde ich den Ansatz von Yelp sehr ehrenwert, dass unechte Bewertungen weggefiltert werden“, sagt Dirk Schartenberg. Doch die praktische Umsetzung überzeugt ihn nicht. Er hatte zufriedene Kunden immer wieder direkt angesprochen und um eine Empfehlung auf Yelp – damals noch Qype – gebeten. Für den Friseur waren solche Bewertungen „ein echtes Lob von echten Kunden“. Für Yelp sind es Gefälligkeitsbewertungen – und die sind jetzt alle weg.

Schartenberg: „Ich hatte da jahrelang viel Zeit reingesteckt. Ein, zwei Stunden jede Woche, da kommt einiges zusammen. Alles zerstört durch eine Firmenübernahme.“

"Positive Erst-Bewertungen scheinen unglaubwürdig"
Wie konnte das passieren? Dirk Schartenberg hat eine Vermutung. „Es scheint so, dass User, die das erste Mal eine Bewertung auf Yelp abgeben, von Yelp besonders kritisch bewertet werden. Ist eine erste Bewertung negativ, dann wird sie sofort angezeigt, ist sie positiv, dann nicht. Anscheinend hält Yelp positive Erst-Bewertungen für unglaubwürdig.“

Kann das stimmen? Der  Friseurmeister hat es ausprobiert. Nach dem ersten Ärger über Yelps Verhalten wollte er gegensteuern. Er sprach erneut zufriedene Stammkunden an und bat um eine positive Bewertung auf Yelp. 7 neue, gute bis sehr gute Bewertungen brachte ihm das von November bis Januar ein. Nicht eine erscheint im offiziellen Yelp-Ranking.

Weg sind diese Bewertungen allerdings nicht, jedenfalls nicht ganz. Yelp hat sie nicht gelöscht. Stattdessen finden User unter dem empfohlenen Bewertungen einen Hinweis: „26 Beiträge, die momentan nicht empfohlen werden.“ Wer sich davon nicht abschrecken lässt und weiterklickt, muss allerdings erst noch einen Hinweis lesen – warum Yelp diese Bewertungen nicht empfiehlt.

Was den Friseur besonders ärgert: „Wieso sind negative Erstbewertungen eigentlich glaubwürdiger als positive? Woher weiß Yelp denn, dass da wirklich eine Leistung bewertet wird und ein User nicht irgendeine persönliche Fehde austrägt?“

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Der schwierige Rechtsweg – und die Alternativen

Einige Firmen haben mittlerweile vor Gericht Urteile gegen Yelp erstritten, andere haben einstweilige Verfügungen erwirkt. Doch das blieb laut Medienberichten bislang ohne Folgen: Der europäische Ableger von Yelp sitzt in Irland, also dauert alles etwas länger.

Yelp-Chef Jerry Stoppelman kann die ganze Aufregung nicht verstehen: Yelp mache das weltweit so, erklärte er in einem Interview gegenüber dem Manager Magazin. Und niemand habe sich beschwert. „Nur die Deutschen. Das war eine echte Überraschung.“

Dirk Schartenberg interessiert das nicht mehr, den Rechtsweg hat er für sich mittlerweile ausgeschlossen . „Im November/Dezember – da habe ich richtig gekocht. Jetzt sehe ich das gelassener.“ Denn im Web ist die Alternative ja immer nur einen Klick entfernt: „Ich empfehle meinen Gästen jetzt, mich bei Google Plus oder kennstdueinen.de zu empfehlen.“

(jw)

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