Werden künftig noch mehr Gemeinden ihre Handwerker für den Tourismus zur Kasse bitten? Beispiel Niedersachsen: Die dortige Landesregierung verschärft derzeit die Abgabensituation.
Das Ziel der Politik ist kein schlechtes, die Landesregierung will den Tourismus fördern, ganz besonders in strukturschwachen Regionen. Wenn das gelingt, könnten Arbeitsplätze entstehen, die Steuereinnahmen würden steigen.
Der Haken: Wer Touristen anlocken will, muss investieren. Das gilt auch für Kommunen. Das Geld dafür sollen Unternehmen aufbringen, die (angeblich) von den Urlaubern profitieren. Fremdenverkehrsbeitrag nennt sich das dann – und zahlen müssen den auch viele Handwerker.
Ungerecht: Der eine Betrieb zahlt, der Kollege um die Ecke nicht.
Nicht jeder muss zahlen – aber fast jedes Gewerk
Wer wie viel zahlen muss, entscheiden die Lokalpolitiker von Ort zu Ort. Doch welche Gemeinden überhaupt so eine Abgabe einführen dürfen, das legt die Landesregierung fest.
Derzeit dürfen das in Niedersachsen 44 Kur-, 16 Luftkur- und 50 Erholungsorte. Nun sollen es mehr werden. Wer künftig zusätzlich dazu gehören wird, legen die zuständigen Ministerien derzeit fest.
Im Handwerk stößt das Vorhaben auf wenig Gegenliebe. „Der Streit um die knappen Kassen wird auf den Rücken unserer Betriebe ausgefochten“, sagt Yana Arbeiter, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Cuxhaven.
Zumal es jeden treffen könnte, in fast jedem Gewerk. Denn irgendwie profitieren sie ja alle vom Tourismus, meinen die Politiker. Einzige Voraussetzung: Der Betrieb muss in einer touristisch bedeutsamen Lage liegen. Yana Arbeiter: „Das könnte bedeuten, dass ein Betrieb zahlt und ein anderer nicht, nur weil sie eine Straßenecke trennt.“
Und mal ganz nebenbei: Die Betriebe zahlen bereits Gewerbesteuer. Falls also tatsächlich ein zusätzlicher Gewinn durch Touristen entstehen sollte, „leisten die Betriebe mit der regulären Gewerbesteuer ihren Beitrag zu den Kommunalfinanzen“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade, Norbert Bünten.
Ein Handwerksmeister sagt: „Ich habe nichts von den Urlaubern.“ Zahlen muss er trotzdem.
Gefühlt eine zweite Gewerbesteuer
Der Cuxhavener Bäckermeister Jörg Itjen muss den Fremdenverkehrsbeitrag zahlen – und hält ihn für reine Willkür: „Bei uns sind das 3500 Euro im Jahr.“
Seine Bäckerei hat sechs Filialen. Eine davon liegt mitten im touristischen Teil Cuxhavens, eine andere befindet sich in einem Baumarkt an einer Einfallstraße.
Dass er im Baumarkt anteilig zahlen muss, kann Itjen nicht nachvollziehen. Und noch etwas ärgert ihn: „Wenn ein Bäcker aus einer anderen Stadt eines der Hotels hier am Ort beliefert, muss er die Fremdenverkehrsabgabe nicht zahlen – das ist ungerecht.“
Was sagt die niedersächsische Landesregierung zu den Vorwürfen? Ja, es gebe solche Pläne, bestätigt Vera Wucherpfennig, Sprecherin des Innenministeriums. Von einer zweiten Gewerbesteuer könne jedoch keine Rede sein. „Betriebe werden nur an den Kosten für die kommunalen Leistungen beteiligt, wenn sie hiervon wirtschaftliche Vorteile erlangen können.“
In seiner Baumarktfiliale spüre er nichts vom Tourismus, hält Bäckermeister Itjen leicht angesäuert entgegen. Für ihn ist der Fremdenverkehrsbeitrag „defacto eine zweite Gewerbesteuer“.
Wie ist die Situation in Ihrem Bundesland? Welche Sonderlocke finanzieren Sie mit zusätzlichen Steuern? Schreiben Sie der Redaktion, wir sind auf Ihre „Lieblingsabgabe“ gespannt!
(ha)
Auch diese Texte könnten Sie interessieren:
Ein Pfund Kaffee und zwei Kronen, bitte: Tchibo vertreibt nun auch Zahnersatz
Auftragsvermittler: Diverse Firmen – ein Strippenzieher
Radio in der Werkstatt: An der GEMA kommt keiner vorbei